Nauen 5/2019
FMK on Tour – zu Besuch in der Großfunkstelle Nauen
„Alliss-Drehstandantenne“ ©Michael Wundrak
Die jährlich stattfindenden FMK-Radiotage führten uns im Mai 2019 in den Nordosten der Republik -und zwar nach Mecklenburg-Vorpommern. Die Anreise verbanden wir mit dem Besuch der legendären Sendeanlage in Nauen, 40 Kilometer nordwestlich von Berlin gelegen. Dort begrüßten uns zwei Media Broadcast Mitarbeiter. Unter anderem nahm sich der Standortleiter persönlich Zeit für uns. Dieser war zuvor für die Anlage Wertachtal im Einsatz. Damals betrug seine Entfernung von zuhause bis zum Arbeitsplatz gerade einmal 7 Kilometer. Mit dem Wechsel nach Nauen ist er nun 700 Kilometer von der Heimat entfernt. Ursprünglich war übrigens geplant, die Funkstadt Nauen aufzugeben und stattdessen weiterhin Wertachtal zu nutzen.
„Die Welt um Nauen“ ©Harald Zimmermann
Die „Telefunken-Großstation“ Nauen ist die älteste noch bestehende Sendeanlage der Welt. Sie wurde am 1. April 1906 vom Ingenieur Richard Hirsch (Telefunken) ins Leben gerufen. Nauen wurde zur weltweit größten Funkstation ausgebaut. Die Stationskennung „POZ“ wurde zu einem Begriff. Der bis 1909 betriebene Sender war charakterisiert durch die Anwendung eines „Braunschen“ Sendekreises mit Knallfunkstrecke bei rund 10 kW -Antennenleistung. Ein kleines Sendehäuschen und ein 100 Meter hoher Antennenmast waren die äußeren Merkmale. Die „Kraftanlage“ bestand aus einer Dampfmaschine mit einem Stromgenerator, einer sogenannten „Lokomobile“ von 35 Pferdestärken, die mit Kohle betrieben wurde. Anfangs hieß es, die von der Station erzeugten Schallwellen hätten eine größere Reichweite als die elektrischen Wellen, und man könne die mit ihr ausgesendeten Morsezeichen auch in mehreren Kilometern Entfernung allein mit dem Trommelfell empfangen!
Bereits 1908 wurden schon Reichweiten bis in die Nähe von Teneriffa erreicht, von einem Schiff aufgefangen, das sich immerhin 3.600 Kilometer von Nauen entfernt befand.
Die zweite Entwicklungsphase umfasste die Jahre 1909 bis 1911. Der von Telefunken entwickelte tönende Löschfunksender brachte schon 35 kW-Antennenleistung. Der Heizer musste zwar weiter Kohle in die neue, größere Lokomobile schippen, die es jetzt auf immerhin 75 PS brachte, aber das ohrenbetäubende Knallen und die die Augen blendenden Funken blieben aus. Dafür hatte sich die Reichweite beachtlich erhöht, und Nauen war in der Lage, die 5.000 km entfernten deutschen Kolonien in Afrika, Kamerun und Togo, auf drahtlosem Wege zu erreichen.
Die dritte Etappe der Funkstation Nauen ist von 1911 bis 1916 zu datieren. In diesem Zeitraum vollzog sich die Veränderung von einer Versuchs- zu einer Betriebsstation – und das auf Betreiben des nunmehrigen Telefunken-Direktors Hans Bredow. Ihm schwebte die industrielle Verwertung der technischen Ingenieursleistungen vor, wobei ein deutsches Weltfunknetz Grundlage sein sollte. Dazu musste Nauen ausgebaut werden. Der neu errichtete Mast hatte stolze 260 Meter Höhe. Der Betriebsstrom kam jetzt aus der Fernleitung und speiste einen Gleichstrommotor von 300 PS, der in einem eigens errichteten Backsteingebäude untergebracht war. Es wurde eine Antennenleistung von 80 – 100 kW erreicht, und alles lief viel ruhiger – bis auf das den Morsezeichen entsprechende rhythmische Klopfen der Stromrelais, die bald den Namen „Nauener Hämmer“ erhielten. Dieser Tonfunksender reichte bis Mittelafrika und Nordamerika. Er war es, der bei Kriegsausbruch 1914 deutsche Schiffe im Atlantik warnte, sie in schützende Häfen lotste und während des gesamten Ersten Weltkrieges das isolierte Deutschland mit der Welt verband.
Trotz des Krieges wurde in Nauen weiter ausgebaut und 1917 die Sendeleistung auf 150 kW erhöht. Unter dem Architekten Hermann Muthesius wurde das Haupt-Sendegebäude errichtet, welches im September 1920 eingeweiht, und noch heute, neben der Antennen, den Standort Nauen prägt. Seit 1981 steht das Muthesius-Gebäude unter Denkmalschutz.
Der imposante Muthesius-Bau ©Harald Zimmermann
Die Deutsche Reichspost hatte die Großfunkstelle Nauen am 1. Januar 1932 übernommen. Bis 1939 wurde die Station baulich und technisch erweitert und im Zweiten Weltkrieg für militärische Zwecke eingesetzt. Hauptsächlich zur Nachrichtenübermittlung an die U-Boot-Flotte, aber auch als Störsender gegen englischen Flugverkehr. Am 24.4.1945 besetzten Soldaten der Roten Armee die Station, demontierten die Sender und sprengten die Antennenlagen. Nauen versank für Jahre in einen Dornröschenschlaf.
Erst 1951 übernahm die Deutsche Post der DDR die Station. 1957 begann der kommerzielle Kurzwellen-Verkehr mit Peking, Moskau, Kairo und Hanoi. In den Jahren 1958 bis 1989 wurden 21 Sender mit Leistungen von 4 bis 100 kW und 45 unterschiedliche Antennenanlagen errichtet. Kunden waren u.a. das Haupttelegraphenamt Berlin, das Überseeamt, ADN, das Geodätische Institut Potsdam sowie der dortige Wetterdienst, der Seefunkdienst und nicht zuletzt das Außenministerium.
Seit dem 15. Oktober 1959 wurde Nauen erstmals auch für den Rundfunkbetrieb genutzt, und zwar für den seit 1955 bei Radio DDR existierenden Auslandsdienst. Der erste Kurzwellen-Sender für RBI hatte 50 kW Leistung und zwei feststehende Dipolantennen. Man erreichte damit nur ein begrenztes Gebiet in der Welt. Deshalb wurde in den Jahren 1959 bis 1961 eine dreh- und schwenkbare KW-Sendeantenne entwickelt. Sie wurde als Versuchsmuster gebaut und diente der eigenen Erprobung und der des gleichfalls neu entwickelten 100-KW-Senders. Die Antenne ist ein Unikat und heute noch im Einsatz. Die Höhe des Antennenbauwerks misst 73 Meter. Es war die damals modernste KW-Antenne Europas und machte RBI zum – hinter Moskau – zweitstärksten Auslandsdienst des Ostblocks. Mit ihrer Inbetriebnahme am 2. Februar 1964 erfolgte gleichzeitig die Gründung des Kurzwellenzentrums (KWZ) der DDR in Nauen.
Diese SIEMENS Röhre kostete 130.000 DM ©Thomas Kircher
In den Jahren 1972 bis 1981 wurde Nauen für RBI „hochgerüstet“. Es wurden drei 500-kW-Sendeantennen errichtet, die aus ausländischer Produktion stammten – eine wurde in der Schweiz eingekauft, zwei in der UdSSR. Parallel hierzu erfolgte ab 1978 der Aufbau von 23 Weitverkehrs-KW-Sendeantennen, die in S-Form aufgestellt wurden, um durch die jeweils leicht verschobene Ausrichtung in alle wichtigen Zielgebiete abstrahlen zu können.
Nach dem Beitritt der DDR zur BRD am 3. Oktober 1990 stellte RBI am selben Tag seinen Betrieb ein, und der Auslandssender der Bundesrepublik, die Deutsche Welle mit Sitz in Köln, übernahm die vorhandenen Anlagen am Standort Nauen. Mit der Wiedervereinigung ging die Anlage an die Deutsche Bundespost über. Es wurden alle Sender und Antennen, die nicht dem Kurzwellenrundfunk dienten, abgeschaltet und demontiert.
KW-Nostalgie pur !
Im Muthesius-Gebäude finden sich viele Raritäten wieder, u.a. „25 Jahre Kigali“: Kurzwellen-Sender „Typ SK 080/462“, mit dem am 20.8.1963 die Testsendungen in Kigali begannen ©Thomas Kircher
Von 1995 bis 1997 wurde in Nauen eine neue Antennenanlage errichtet. Seit 2008 gehört die Sendeanlage dem Unternehmen Media Broadcast. Heutzutage sind noch vier „Alliss“-Drehstandantennen von der Firma Thomcast (heute Ampegon Antenna Systems GmbH) mit 500-kW-Sendern im Einsatz. Eine komplette Antennendrehung benötigt gerade einmal ganze drei (!) Minuten.
Außerdem gibt es noch die alte Drehstandantenne aus DDR-Zeiten am Gebäude "KWZ 1", ca. 1 Kilometer westlich des historischen Muthesius-Gebäudes.
Die "RBI-Antenne" aus 1961 mit einem 100 kW-Sender, der aus dem früheren DW-Standort Jülich übernommen wurde ©Thomas Kircher
Die goldenen Zeiten der Kurzwelle sind längst vorüber, was sich natürlich auch in Nauen bemerkbar macht. So sind es heutzutage vor allem religiöse Anbieter, die den Sendebetrieb finanzieren. Aktuell wird täglich etwa 40 mal die Frequenz gewechselt, um die jeweiligen Sendegebiete zu erreichen. Zu den Kunden zählte unter anderem WYFR aus Okeechobee/Florida. Das Familienradio stellte am 1. Juli 2013 alle Kurzwellensendungen ein. Hintergrund war ein kurioser Anlass. Der Stationschef Harold Camping sagte gleich mehrmals den Weltuntergang voraus. Als er sich jedoch mehrmals irrte, ließ er zumindest den Sender sterben.
Heutzutage gehört AWR zu den Hauptkunden, die über Nauen vor allem in Richtung Afrika und den asiatischen Raum ausstrahlen. Überhaupt zählen der afrikanische Kontinent und Asien zu den Regionen, in denen die Kurzwelle weiterhin unverzichtbar ist.
Die produzierten Sendungen kommen als mp3 Datei vom Kunden und werden auf einem Server von Media Broadcast abgelegt. Traditionell läuft u.a. an Heiligabend über Nauen der legendäre „Gruß an Bord“, produziert vom NDR. In der Sendung werden Nachrichten an Seeleute in aller Welt geschickt - und Grüße der Schiffsbesatzungen in ihre Heimat. Zum ersten Mal war der "Gruß an Bord" an Weihnachten 1953 im Radio zu hören. Damit gehört die NDR-Sendung zu den weltweit ältesten Radioproduktionen, die noch heutzutage ausgestrahlt werden.
Eine Stunde über einen 500-kW-Sender in Nauen zu senden, kostet im Schnitt ca. 160,-- Euro. Je nach Uhrzeit, Sendeleistung, aber natürlich auch der Anzahl an gebuchten Zeiten, variiert diese Summe. Die möglichen Sendeleistungen liegen bei 125 kW, 250 kW und 500 kW. Allerdings werden keine 500kW-Sendungen mehr gefahren, weil ansonsten die mit dem Energieversorger vereinbarte mittlere Last überschritten würde. Bei Kundenwünschen werden 500kW-Sendungen über die Sendeanlage im französischen Issoudun ausgestrahlt.
Das Gelände in Nauen umfasst 230 Hektar. Als „Rasenmäher“ machen Schafe ihren Dienst. Media Broadcast setzt in Nauen fünf Mitarbeiter ein. Die Station ist 7 Tage die Woche – das ganze Jahr - tagsüber besetzt. Nachts läuft der Betrieb in Bereitschaft.
Beeindruckender Auftakt der FMK-Radiotage 2019 mit dem Besuch der Funkstadt Nauen ©Thomas Kircher
Quelle zur Entwicklung von Nauen – Auszüge der: „Festschrift zur feierlichen Präsentation der Sendestelle Nauen, 25. April 1997“ Herausgeber/Editor: Deutsche Telekom – TELEFUNKEN Sendertechnik – THOMCAST – Deutsche Welle
Autor: Thomas Kircher – https://fmkompakt.de
Mitarbeit: Jörn Krieger http://medienbote.de
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