Das Magische Auge – Faszination Radioröhre

Thomas Niebl ist Inhaber einer Fachwerkstatt namens „Magisches Auge“.  Er ist Spezialist für Röhren-Radios und Fernseher-, sowie Röhren-Verstärker. Der Schwerpunkt liegt bei Geräten der 1950er Jahre. Im März 2019 besuchten Leser von FM Kompakt das „Magische Auge“ in 74934 Reichartshausen. Die beschauliche Ortschaft liegt im nördlichen Baden-Württemberg, zwischen Heidelberg und Heilbronn-, bzw. zwischen Sinsheim und Mosbach. Thomas begrüßte uns in seiner kleinen, doch sehr feinen Werkstatt und präsentierte uns stolz einige seiner Prachtstücke. Dazu gehören unter anderem die Top-Fernsehgeräte „Graetz Kurfürst F171“, sowie „das Mediencenter der 50er Jahre“, der „Graetz Maharani S F191“.

Foto © Thomas Niebl

Das „Mediencenter“ von Graetz aus den Jahren 1958-1959 hat damals stolze 2.000 DM gekostet und ist mit sechs (!) Lautsprechern ausgesprochen großzügig ausgestattet. Der Klang ist dementsprechend beeindruckend. Der Maharani ist schon für Stereo-Wiedergabe und auch für den Einbau eines Tonbandgerätes vorbereitet. Auf der linken Seite ist der Luxusfernseher mit 53er- Bildröhre, darunter der Rundfunkteil für alle Wellenbereiche.  Auf der rechten Seite befindet sich der Plattenspieler "REX" von Perpetuum-Ebner Typ REX DELUXE.

Thomas Niebl besitzt eine faszinierende Sammlung an Radios aus der Vorkriegszeit, Geräte mit UKW, diverse Röhren-Fernsehgeräte und einen Philips Phono-Super mit Schellackplatten-Wiedergabe. Absolut beeindruckend war auch die Vorführung einer exklusiven HiFi-Anlage aus dem Jahre 1979 – Made in Germany - :-) Eine Wohltat, wie hier unkomprimierte Schallplatten klingen.

Doch zurück zu den Radio-Geräten-, mit dem legendären „Magischen Auge“. Thomas Niebl erklärte uns, wie diese Technik funktioniert:

 

Wie funktioniert das Magische Auge?


In einer "Elektronenkanone" wird der Elektronenstrahl - so wie in einer anderen Röhre auch - erzeugt. Ein Teil des Elektronenstrahls gelangt über den so genannten „Steuersteg“ zum Leuchtschirm. Ein anderer Teil des Elektronenstrahls gelangt in das Steuersystem. Dieses besteht aus einem Steuergitter und zwei Anoden. Hier beeinflusst die negative, von der Senderfeldstärke abhängige Gitterspannung-, den Anodenstrom. Die hochohmig an die Betriebsspannung (ca. 250 Volt) angeschlossenen Anoden des Steuersystems-, steuern den Steuersteg, ein elektrostatisches Ablenksystem. Dieses lenkt den Elektronenstrahl auf den Leuchtschirm - in Abhängigkeit der Anodenspannungen der jeweiligen Anode des Steuersystems - ab. So ist es möglich, die Anzeige des in zwei Hälften aufgeteilten Magischen Auges getrennt anzusteuern. Dies wird jedoch nicht immer angewandt, so dass sich beide Seiten des Auges gleichmäßig öffnen und schließen.

In seiner Werkstatt hat Thomas Niebl sowohl einen TV- als auch Mittelwellen-Testsender, über die er seine Geräte mit Bild und Ton versorgen kann, um dadurch die Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Es ist beeindruckend, dass durch diese Kleinstsender einem TV-Gerät der 50er Jahre-, oder einem noch älteren Radioempfänger-, wieder „Leben eingehaucht“ wird.

Thomas erzählte uns über seinen beruflichen Werdegang und wie es dazu kam, dass er das „Magische Auge“ eröffnete:

Sich mit den Rundfunk- und Fernsehgeräten der 1950er  1960er Jahre zu beschäftigen, ist eine sehr interessante und lebendige Sache. Mit dem Sammeln und Instandsetzen dieser alten Geräte hat sich Magisches Auge zur Aufgabe gemacht, die Rundfunkgeschichte zu pflegen. Ich bin von der Technik mit Radioröhren schon seit meiner Kindheit angetan. Meine Oma hat bis zu ihrem Tod der Sendung „Sie wünschen wir spielen“ vom damaligen SDR in ihrem Röhrenradio gelauscht, und auch das Hamburger Hafenkonzert, sonntags früh, wollte sie nie verpassen.

 Foto © Thomas Niebl


Dieses Philips Röhrenradio hat in den 1970er Jahren noch einmal einen komplett neuen Röhrensatz bekommen, Dank Oma! Sein Magisches Auge leuchtet deshalb auch heute noch wie am ersten Tag. Die alten Radiogeräte strahlen einen besonderen, warmherzigen Charme aus, den es in unserer heutigen Zeit nicht mehr in dieser Form gibt, denn wer sein Röhrenradio einschaltet, dem macht es nichts aus zu warten, bis die Röhren glühen und erst dann leise ein Ton erklingt ...

Schon in seinem 10. Lebensjahr hat Thomas Niebl, der 1963 in Mannheim geboren wurde, selbst Röhrenradios gebaut. Später hat er sein Hobby zum Beruf gemacht und dazu bei der Firma Baumeister im Mannheimer Stadtteil Feudenheim seine Ausbildung zum Radio- und Fernsehtechniker absolviert. Knapp 15 Jahre hat er alles, was mit Elektronik zu tun hat, repariert. Aus wirtschaftlichen Gründen ist dieser Berufszweig praktisch aufgelöst worden. Thomas Niebl betreibt heute einen Onlineshop für elektronische Bauteile und bietet zudem seinen Service für Rundfunk- und Fernsehgeräte der 1950er bis 1960er Jahre an.

Thomas Niebl repariert die Geräte, gibt aber auch online Tipps zur Restaurierung. Auf seiner Webseite kann man folgenden, bemerkenswerten Hinweis lesen:

Bitte beachten: In den Sommermonaten ist wegen der Überspannungsgefahr
zeitweilig die gesamte EDV- und Telekommunikationstechnik abgeklemmt.
Daher funktioniert das Kontaktformular und das Telefon nicht!

Den Besuch nahm ich zum Anlass, um ein Graetz Melodia 519 mitzunehmen. Dieses befand sich im Besitz meiner Großeltern und war viele Jahre auf der Bühne untergebracht. Der Empfänger war bestimmt seit 30 Jahre nicht mehr in Betrieb. Das Gerät wollte ich nicht einfach ans Netz anschließen und „ausprobieren“. Wie mir Thomas Niebl in seinem Bericht mitteilte, war dies auch besser so J. Nachfolgend die detaillierte Zustandsbeschreibung meines Graetz, welche ich wenige Tage nach unserem Besuch erhielt.

Professioneller Überblick zum Gerätezustand


Die Klammer an der Zierleiste oben fehlt.

2 Tasten sind eingerissen.

Die Gold-Skalenscheibe ist gut.

Die Klangregistertasten sind allesamt gedrückt (verklemmt).

Das Netzkabel ist schadhaft (Berührungsgefahr!).

Es ist Mäusekot im Gerät. Die haben sich da wohl gefühlt :-)

Die Röhre EL84 ist total ausgefallen.

Das Gehäuse hat eine normale Patina. Es sind keine inakzeptablen Schrammen usw. zu erkennen.

Das Magische Auge ist noch gut.

Nach einer Minimal-Instandsetzung läuft das Gerät auf UKW.

Die Tastaturkontakte sind verschmutzt bzw. oxidiert. Es gibt massive Kontaktprobleme.

Der Empfang auf Mittelwelle ist möglich,  jedoch ist der Drehkondensator schwer verschmutzt (müsste in die Ultraschallreinigungsanlage).

Die Langwelle ist defekt.

Kurzwelle habe ich nicht geprüft.

Die Lautsprecher sind gut.

Wie üblich sind in diesem Gerät viele Problem-Kondensatoren enthalten.

Diese sind Auslöser zahlreicher Fehler und können ernsthafte Schäden am Gerät und sogar einen Brand verursachen!

Daher darf das Gerät im momentanen Zustand auf keinen Fall betrieben werden!

Das Graetz Melodia 519 hat, wenn es instand gesetzt wurde, einen ausgezeichneten Klang.

Eine Instandsetzung ist auf jeden Fall lohnenswert. Ich würde den Abschalter für das Magische Auge umbauen, so dass nicht die Anodenbetriebsspannung, sondern die Heizung abgeschaltet wird. Damit kann die Röhre effektiv geschont werden.

Die Problemkondensatoren

Eines der wichtigsten Themen bei der Instandsetzung sind die „Problemkondensatoren“, wie sie Thomas Niebl bezeichnet. Deshalb empfiehlt er die „KondiKur“ anzuwenden (Kondensator-Kur, womit er den Austausch aller Problemkondensatoren dringend empfiehlt). „Nur durch die KondiKur ist sichergestellt, dass ein Röhrengerät alltagstauglich einsetzbar ist.

Foto © Thomas Niebl

In fast allen alten Röhrengeräten sind so genannte "Problemkondensatoren" enthalten. Besonders bei Geräten, die eine lange Stillstandzeit im Keller oder auf dem Dachboden hatten, sind diese Kondensatoren schadhaft geworden. Ein Kondensator hat normalerweise keinen Gleichstromdurchgang. Bei den Problemkondensatoren ist dies aber - mehr oder weniger - stark der Fall. Der Gleichstromwiderstand tritt oft erst auf, wenn der Kondensator unter höherer Spannung steht und lässt sich somit mit einem Widerstandsmessgerät nicht unbedingt nachweisen! Der Gleichstromwiderstand hat einen so genannten "Leckstrom" zur Folge, so dass z.B. der Arbeitspunkt einer Leistungsröhre (z.B. Endröhre EL84) derart verlagert wird, dass die Röhre "rote Backen" bekommt und zu viel Strom zieht so dass dadurch das Netzteil zu stark belastet wird. Das hat dann z.B. das Durchbrennen des Gleichrichters oder des Ausgangsübertragers zur Folge. Es kann sogar der Netztrafo (Anodenwicklung) zu heiß und zerstört werden! Problemkondensatoren befinden sich oft auch direkt am Netztrafo bzw. am Netzeingang als Entstörer. Hier können sie extrem heiß werden, aufplatzen und im schlimmsten Fall brennen.  Eine Überprüfung der Problemkondensatoren mit Hilfe eines gewöhnlichen Kapazitäts-Messgerätes ist praktisch sinnlos, weil beim Messvorgang völlig andere Zustände herrschen als im Betrieb im Gerät.

"Teeries" zeigen in der Regel einen viel höheren Wert an, als der angegebene Sollwert. Beispiele:
Ein 5000pF-Teerie von ERO zeigte 12nF (12000pF), ein 0.025uF von Hydra zeigte 0.041uF an. Grund dafür ist ein gravierender Messfehler, der durch den Leckstrom auftritt.
Bei alten Elkos ist eine Messung ebenso unrealistisch, weil sich der Kapazitätswert im Laufe des Betriebs im Gerät massiv verändern kann. Er steigt in der Regel nach einiger Betriebszeit im Gerät an, erreicht aber meistens nicht mehr den Sollwert.
Problematisch bei allen Problemkondensatoren ist auch die zulässige Betriebsspannung, die bei gealterten Kondensatoren niedriger ist als bei Neuen.

Thomas Niebl ist übrigens noch heute Verfechter der Hörfunkübertragung auf Mittelwelle. Unter anderem stand er bis zur Abschaltung des letzten Senders mit dem SWR in engem Kontakt. Niebl hat zu diesem Thema folgendes Statement auf seiner Webseite veröffentlicht:

Die Mittelwellenqualität ist besser als ihr Ruf!


Zugegeben: Die Tonqualität auf der Mittelwelle erreicht keine HiFi-Werte. Dennoch wird die Mittelwelle zu Unrecht verspottet! Schuld an diesem schlechten Image sind hauptsächlich die heutigen Empfangsgeräte. Der Mittelwellenbereich wurde zum Teil so sehr vernachlässigt, dass manche Geräte wirklich keine zumutbare Tonqualität mehr liefern. Die in den moderneren Geräten enthaltenen Quarz- bzw. Keramikfilter erhöhen zwar die Trennschärfe, schneiden aber unweigerlich die Höhen sehr stark ab, so dass die Qualität oft unterhalb 2,5 kHz (statt mindestens 4,5 kHz) liegt. Da kann ich nur ein gutes, altes Röhrenradio empfehlen! Gerade die Geräte aus den 1950er Jahren haben meistens einen guten Klang, weitaus besser als ihre Nachfolgemodelle aus "billigem Plastik"! Einfach mal ausprobieren. Für die Sprachübertragung, wie z.B. für Nachrichten und Informationssendungen, reicht die Mittelwelle allemal aus!

Selbstgebaute Rahmenantenne auch für den Empfang des Telegrafie-Senders Grimeton/Schweden (Foto © Thomas Kircher)

Die Digitalisierung der AM-Bereiche war ein Irrweg
Um dem AM-Bereichen einen besseren Klang zu geben, hatte man sich entschlossen, den Lang-, Mittel- und Kurzwellenbereich zu digitalisieren. Damit hätte der AM-Rundfunk eine Renaissance erlebt. Aus dem Heftchen "Radio-Welten" vom November 1998 der Deutschen Welle in Köln ist zu entnehmen, dass Anfang 1998 das Konsortium "Digital Radio Mondiale" gegründet wurde. Mitglieder sind/waren Rundfunkanstalten, die Geräte-Industrie und Forschungsunternehmen. Ein weltweiter Standard wurde ausgearbeitet. Von DRM ist nicht mehr viel übriggeblieben.

Was bedeutet die neue Sendetechnik?
Wie es bei digitalen Übertragungen üblich ist, wird die Tonqualität wesentlich sauberer und der Empfang gegen Störungen weniger anfällig sein. Außerdem kann die Sendeleistung gegenüber der normalen AM reduziert werden. Dies spart Strom und damit Kosten für den Betrieb der Sender. Es besteht die Möglichkeit,  mit einem Sender ein größeres Gebiet zu versorgen, bzw. mit einem Gleichwellennetz, bestehend aus mehreren Kleinsendern, auf der gleichen Frequenz eine globale Versorgung zu gewährleisten.
Schon vor Jahren sagte Peter Senger von der Deutschen Welle: "Die Digitalisierung wird sich innerhalb von 10 bis 15 Jahren auf allen AM-Bereichen durchsetzen". Dem war aber nicht so.

Mittlerweile wurden in Europa die meisten leistungsstarken Mittelwellensender endgültig abgeschaltet. Sollte es irgendwann keine geeigneten AM-Sender mehr geben, sind die Bastler wieder gefragt und es bleibt nur noch der Selbstbau eines kleinen Senders. Dieser soll dann mit einigen Milliwatt z.B. auf der Mittelwelle - ganz normal AM - senden.

Und wie sieht es bei DigitalAudioBroadcast (DAB) aus? Seit seiner Einführung führt DAB ein Schattendasein. DAB/DAB+ sollte ja 2015 den UKW-Bereich ablösen. Zum Glück ist dies auf unbestimmte Zeit verschoben worden.

Thomas Niebl bietet übrigens für Interessenten auch „Bastelkurse“ an, die immer gut besucht und nach kürzester Zeit ausgebucht sind.

Zum Glück gibt es doch noch genügend Technikbegeisterte, die die analoge Qualität schätzen.

Thomas Niebl präsentierte uns seine analogen Schätze (Foto © Thomas Kircher)

 

Linktipp: Magisches Auge

Autor: Thomas Kircher - FM Kompakt

Mitarbeit: Jörn Krieger – newsinfo

 

 

 

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