Programm mit Geschichte - Das Deutsche Rundfunkarchiv

Foto © Peter Faust

Thomas Schmidt, einst begnadeter SWR-Moderator, antwortete vor einigen Jahren auf meine Frage, "Wie er seinen Beruf beschreibt":

"Radio-Moderator ist wirklich schwer zu erklären, vor allem wenn mich meine Kinder fragen: Papa, was hast Du heute gemacht? Andere Väter arbeiten z.B. in einer Schreinerei und können sagen, sie haben ein Möbelstück gefertigt. Oder sind Mitarbeiter in der Automobilindustrie. Diese Väter können stolz erzählen, dass sie bei der Fertigung eines Autos beteiligt sind. Doch was habe ich hinterm Mikrofon geleistet. Was hab ich produziert? Eigentlich nur Worte, welche versendet werden. Da ist nichts Greifbares durch meine Tätigkeit".

Und auch deshalb wurde das Deutsche Rundfunk Archiv ins Leben gerufen: Für das Erhalten wichtiger Tondokumente und anderer Schätze der Mediengeschichte.

Mitte Oktober 2023 besuchte FM Kompakt das Deutsche Rundfunkarchiv in Frankfurt. Die Räumlichkeiten befinden sich auf dem Gelände des Hessischen Rundfunks, also ebenfalls in der Bertramstraße. Im gleichen Gebäude beheimatet ist übrigens das "ARD-Wetterkompetenzzentrum". Das heißt, von hier aus wird die komplette Fernsehwetterberichterstattung für Das Erste, Tagesschau 24, den WDR sowie den Hessischen Rundfunk hergestellt. Hinzu kommen weitere Fernsehwetterberichte für NDR, SWR und RBB. Claudia Kleinert, Karsten Schwanke & Co sind hier zu Hause.

Das DRA hat zwei Standorte. Neben Frankfurt ist man auch in Potsdam-Babelsberg beheimatet. Der Schwerpunkt in Frankfurt liegt bei den Beständen vor 1945, am Standort Potsdam-Babelsberg dagegen konzentriert man sich auf die DDR-Bestände. Christiane Poos-Breir führte uns durch den Standort in Frankfurt am Main. Die Führung stand anfänglich unter keinem guten Stern, kurz vor unserem Besuch gab es einen Wasserschaden im Rundfunkarchiv. Trotzdem ließ es sich Frau Poos-Breir nicht nehmen, uns am Freitag, den 13.10.23 durch die deutsche Mediengeschichte zu begleiten. Der Wasserschaden hatte zum Glück keine Archivbestände zerstört. 

Fachleute unter sich: Christiane Poos-Breir vom DRA im Gespräch mit Andreas Knedlik (links) von www.digiandi.de - Deutschlands größtem privatem Radio-Mitschnitt-Archiv -Foto © Bernhard Fischer

Christiane Poos-Breir nennt sich laut Arbeitsvertrag "Dokumentarin mit besonderen Aufgaben". Diese stets wachsenden Aufgaben nimmt die Musikliebhaberin mit spürbarer Freude wahr.

Unter dem Motto "Für Programm mit Geschichte" ist das DRA die älteste Gemeinschaftseinrichtung der ARD. Hier werden seit 1952 historisch bedeutende audiovisuelle Medien archiviert und dokumentiert. Die Schwerpunkte der Bestände sind der Rundfunk vor 1945 sowie das DDR-Fernsehen und der DDR-Hörfunk bis 1991. Das DRA erschließt seine historischen Bestände mit wissenschaftlichem Know-how. Für die Nutzer von heute und von morgen stehen die Bestände unter bestimmten Rahmenbedingungen zur Verfügung. Die Archivinhalte sind im Programm der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und anderer Medien zu sehen und hören. Ebenso in Museen, Gedenkstätten oder bei kulturellen Veranstaltungen sind Bilder und Töne aus dem DRA-Archiv vertreten. So stammten anlässlich des Jubiläums "100 Jahre Rundfunk" viele veröffentlichte Dokumente, Hörproben und Szenen aus dem Bestand des Rundfunkarchivs. Am 29.10.1923 begann der Rundfunk mit den berühmten Worten von Friedrich Georg Knöpfke: "Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin, im Vox Haus. Auf Welle 400 Meter." Diese Ansage war zum Rundfunkjubiläum auf diversen Quellen zu hören, "allerdings handelte es dabei nicht um das Original", betonte Poos-Breir. "Im Jahre 1923 gab es praktisch keine Möglichkeit mitzuschneiden, deshalb wurden die Worte der Eröffnung einige Jahre später nachgesprochen".

Das DRA ist eine gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts. Die Stifter sind die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten und das Deutschlandradio. Der Etat des DRA liegt seit 2005 fast unverändert bei 12 Millionen Euro jährlich.

An Ton- und Videodokumenten wird im DRA zwar viel gesammelt, aber bei Weitem nicht alles. Zum Beispiel werden keine Aufnahmen von privaten Radio- und TV-Sender archiviert.

Es kommen immer wieder außergewöhnliche Funde in den Bestand – wie zuletzt eine größere Anzahl von Schellackplatten mit Wortbeiträgen aus der Zeit des Reichsrundfunks, die an einem Straßengraben in Nordhessen gefunden wurden. Frau Poos-Breir vermutet, dass der Vorbesitzer durch die Aufschriften auf den Platten verunsichert wurde und sich anonym davon trennen wollte, denn die Polizei hatte einen Hinweis auf die Platten erhalten und zum Glück das DRA informiert.

Analoge Zeitgeschichte wird Digital - Foto © Thomas Kircher

Die Archivierung und Erhaltung von Kulturgut, welches die Mediengeschichte widerspiegelt, ist die Hauptaufgabe des DRA – keine leichte. „So zum Beispiel, wenn wir Bandmaterial erhalten, das schon sehr betagt ist“, verrät uns Frau Poos-Breir. Dieses lasse sich vielleicht nur noch ein einziges Mal abspielen. Für solche Zeitdokumente hat das DRA spezielle, schonende Abspielgeräte. Und was man dann nicht abgegriffen hat an Informationen, an Ton, an Wort, das ist für immer verloren.“

Große Probleme macht dem DRA mittlerweile die seit Jahren verschärfte Lage rund um das Urheberrecht. "Nicht selten müssen historische Schätze abgelehnt werden, wenn diese nicht im Rahmen des Stiftungszweckes aufgrund fehlender Herkunftsquelle nicht nutzbar sind.

In den nächsten Jahren wird der Standort Frankfurt nach und nach aufgelöst und komplett nach Potsdam-Babelsberg verlegt. Erste Bestände sind bereits nach Babelsberg ausgegliedert.

Ein ganz besonderes Highlight präsentiere uns Frau Poos-Breir zum Abschluss der beeindruckenden Führung durch die deutsche Zeit- und Mediengeschichte. Es handelte sich um einen Original-Mitschnitt in arabisch, der von den Nazis im 2. Weltkrieg gezielt in Richtung muslimische Welt ausgestrahlt wurde.

Deutsche Zeitgeschichte zum anfassen - Bildmitte Christiane Poos-Breir präsentiert Historisches

Foto © Bernhard Fischer

Die digitalisierten Files des Archivs sind gleich mehrfach gesichert. Für uns war besonders interessant, dass es "ARD-Mitschnitt-Tage" gibt, mit dem Ziel, bestehende strukturelle Lücken in der Überlieferung des Sendegeschehens durch eine gezielte, exemplarisch gebildete Überlieferung  zu schließen. Dazu wurden seit 1989 vier Mal 24-Stunden-Mitschnitte sämtlicher Hörfunkwellen und Fernsehprogramme der Landesrundfunkanstalten und der Gemeinschaftsprogramme der ARD erstellt und an das DRA zur Aufbewahrung und Bereitstellung für wissenschaftliche Auswertungen übergeben. Bisherige Mitschnitt-Tage waren: 28.9.1989, 12.6.1996, 18.9.2001, 18.9.2008. Dazu gibt es Mitschnitte einzelner,  später fusionierter Sender aus den Jahren 1991 bis 1993.

DRA- VISION

Menschen entdecken sich in audiovisuellen Medien, erforschen und erzählen deutsche Geschichte, übernehmen Verantwortung für die Zukunft der Gesellschaft.

MISSION

Das DRA erhält bedeutende Teile des audiovisuellen Erbes Deutschlands für jetzige und zukünftige Generationen. Es ermöglicht Menschen und Institutionen, Zugang zur deutschen Geschichte zu finden.

KERNWERTE

erhalten - erneuern - ermöglichen

DRA-Eingang - Foto © Amos Schmidt

Quellen:

DRA mit vielen audiovisuellen Inhalten und weiterführenden Informationen 

SR.de: Deutsches Rundfunkarchiv – das audiovisuelle Erbe Deutschlands

Autor: Thomas Kircher - www.fmkompakt.de

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