Live on Air – Foto: Peter Faust


Viele von uns sind mit dem AFN der 1960 bis 80er Jahre aufgewachsen. Casey Kasems American Top 40 und der American Country Countdown mit Bob Kingsley waren Pflichttermine. Charlie Tuna, Gary Bautell oder Wolfman Jack sind nur einige der Radio-Größen, wie es diese im deutschen Radio nicht gab. Die Musik war weit vor den deutschen Charts, man hörte Klänge, welche bei uns lange fremd waren und die Moderatoren waren immer cool und gut drauf. Die US-Soldaten lebten in Deutschland in ihrer eigenen Welt. Dank AFN-TV, der Original Verpflegung wie zuhause und den importierten Autos war das Leben in der Kaserne wie in Klein-Amerika. Gegenüber der deutschen Bevölkerung öffnete man sich für die deutsch-amerikanischen Volksfeste mit Hamburgern, Country Musik und dem original Eis in der Pappschachtel. AFN-TV war mit deutschen TV-Geräten nicht zu empfangen, doch das Radio für die US-Soldaten war eine verbindende Brücke zwischen Deutschland und den weit entfernten Vereinigten Staaten.

So war es für uns schon immer ein Wunsch und lange Zeit auch Traum, einmal den AFN zu besuchen. Seit Jahren nahmen wir vergebens Anlauf, für eine Studioführung. Und dann kam der Zufall, dank eines Beitrages über die einstigen US-Soldaten in Heidelberg im SWR Fernsehen, auf den Historiker John Provan aufmerksam zu werden. Kurz darauf standen wir mit dem in Kelkheim im Taunus wohnenden John in Verbindung. Provan ist Sohn eines amerikanischen GIs, Historiker und Radiofan. Was läge da näher, als sich mit der Geschichte von AFN zu beschäftigen? In der Vergangenheit hat John bereits viel zu dem legendären Soldatensender und seiner Historie geforscht. Er ist ein echter Experte und hat einen sehr guten Draht zum AFN. Durch ihn erhielten wir die Genehmigung, dem Sender in der Kaserne einen Besuch abzustatten.

John Provan – Historiker präsentiert seine Sammlungen – Foto: Thomas Kircher


Als Einrichtung des US-Militärs ist ein Besuch bei AFN freilich nur unter gewissen Vorkehrungen möglich. So mussten wir etwa alle im Vorfeld unsere Personalausweisnummern an den Sender übermitteln, damit auch wirklich keine Unbefugten die Studios betreten. Diese befinden sich auf dem Gelände der Lucius D. Clay Kaserne im Wiesbadener Stadtteil Erbenheim. Bereits als wir dort ankamen, merkten wir, dass dies keine Senderführung wie jede andere werden würde. Wir mussten unsere Autos am Eingang des Kasernengeländes stehen lassen und wurden von amerikanischen Gis in deren Fahrzeugen zum Sender gefahren. Allein diese Fahrt ermöglichte uns schon seltene Einblicke in das Innere einer US-Kaserne. Rund um den Flugplatz in Erbenheim sind aktuell etwa 9000 Soldaten stationiert, die hier quasi in einer eigenen kleinen Stadt leben, mit allem, was dazu gehört. Supermärkte, Restaurants, ein Krankenhaus und so weiter, alles nach Amerikanischen Standards.

John Provan (links) im Gespräch mit dem AFN-Stationsleiter Jerry Griffis – Foto: Amos Schmidt


Im Studio selbst angekommen, wurden uns viele interessante Fakten und Anekdoten aus der langen Geschichte des AFN in Hessen erzählt. Bereits 1945 ging man in Frankfurt auf Sendung. Damals improvisierte man noch, so verwendete man etwa alte Wehrmachtsuniformen zur Schalldämmung. Doch spätestens, als das AFN-Headquater 1946 nach Frankfurt verlegt werden sollte, mussten natürlich bessere Räumlichkeiten her. Und in der Tat fand man ein mehr als repräsentatives Gebäude: Das Schloss im Frankfurter Stadtteil Höchst. Dafür wurde die damalige Eigentümerfamilie kurzerhand enteignet. Binnen vier Stunden musste sie das Schloss räumen, was immerhin mehr war als sonst bei solchen Aktionen üblich, wie uns John erzählte. Somit war also das Haus frei und AFN Frankfurt residierte fortan in einem der wohl prächtigsten Funkhäuser Deutschlands. Und das passte hervorragend zu einem Sender wie AFN. Denn dieser Sender war, obwohl an sich nur für Angehörige des US-Militärs bestimmt, prägend für Generationen von Jugendlichen. Hier liefen die neusten Platten direkt aus Amerika, die man sonst nirgendwo im deutschen Äther hören konnte, und das auch weit über Hessen hinaus. Mit der Mittelwelle 873 KHz vom Sender Weißkirchen bei Oberursel und der UKW-Frequenz 98,7 MHz vom großen Feldberg war ein Empfang auch in den angrenzenden Bundesländern möglich. Selbst in die DDR strahlte die Mittelwelle noch ein.

Modell des AFN Standortes in Höchst – Foto: Amos Schmidt


1966 erfolgte ein Umzug innerhalb Frankfurts. Man fand sich neben einem prominenten Nachbarn wieder, nämlich dem Hessischen Rundfunk. AFN zog nämlich in die Bertramstraße 6. Diese Nachbarschaft bot in der Folge Anlass zu gemeinsamen Aktionen, wie etwa der „German American Friendship Week“, bei der einmal im Jahr AFN-Moderatoren auf den hr-Wellen zu hören waren und umgekehrt.

Der Hessische Rundfunk war es denn auch, der das Funkhaus des AFN im Jahr 2004 übernahm, als letzterer Frankfurt verließ. Von dort waren die US-Soldaten bereits einige Jahre zuvor abgezogen. Das Headquater wurde nach Mannheim verlegt, das hessische Afiliate zog an seinen heutigen Standort um, womit wir nun wieder in der Gegenwart angekommen wären.

Willkommen beim AFN in Wiesbaden – Foto: Marcus Hett


AFN Hessen ist heute nur noch ein eher kleiner Sender, eben eines von vielen Afiliates. Das meiste Programm kommt heute via Satellit, es gibt von 14:00 bis 18:00 Uhr lokales Programm aus der hessischen Landeshauptstadt. Da wir aber gerade im passenden Zeitfenster dort waren, konnten wir der diensthabenden Moderatorin über die Schulter schauen. Hier werden lokale Informationen für die in Wiesbaden stationierten GIs gesendet, dazu gibt es Musik, die jedoch aus den USA vorgegeben wird. Wer beim AFN arbeitet, ist übrigens eher willkürlich. Alle Mitarbeiter sind Soldaten, die für den Dienst beim Radio eingeteilt werden. Auch das Empfangsgebiet ist wesentlich kleiner geworden. Die Mittelwelle wurde 2013 abgeschaltet, die UKW-Frequenz folgte 2017. Heute müssen nicht mehr Soldaten in Rhein-Main und ganz Hessen versorgt werden, sondern nur noch die Kasernen in Wiesbaden. Zu diesem Zweck gibt es heute die UKW-Frequenz 103,7 MHz, die aber nur noch einen kleinen Bereich in guter Qualität versorgt.

Foto: Bernhard Fischer


Dieser Besuch war für uns etwas ganz Besonderes. Zum einen natürlich, weil sich eine solche Möglichkeit wohl kaum ein zweites mal bieten dürfte, zum anderen und vor allem aber, weil der AFN ein so extrem geschichtsträchtiger Sender ist, der mit seinen Sendungen, obwohl das nie sein offizielles Ziel war, das Radio und seine Hörer zumindest im Süden Deutschlands massiv beeinflusst hat.

Entsprechend dankbar waren wir John, dass er diese Sonderführung für uns möglich gemacht hatte. Dieser wiederum hatte für uns alle noch Geschenke parat. Aufkleber, Flaschenöffner und Hefte zur Geschichte von AFN. Eine ganz besondere Freude hat er uns mit Schallplatten aus seiner AFN-Sammlung gemacht. Aber nicht irgendwelche Schallplatten: Es handelt sich hierbei um Sonderpressungen, die speziell für AFN angefertigt wurden. Um für die gespielten Musiktitel keine Urheberrechtsgebühren entrichten zu müssen, hatte AFN nämlich einen Trick ersonnen. Man ließ amerikanische Künstler ihre Musiktitel in eigenen Versionen extra für AFN einspielen, für deren Einsatz im Programm dann keine Gebühren fällig wurden. Diese Neueinspielungen wurden dann auf Platte gepresst, aber eben jeweils nur in sehr kleiner Auflage. Etwa 150 Exemplare gab es von jeder Platte insgesamt, eben so viele wie AFN-Afiliates. Und solche Spezialplatten bekam jetzt jeder von uns in die Hand gedrückt. Wir alle freuten uns sehr, dass nun solche Raritäten in einen Platz in unseren Sammlungen finden konnten.

AFN ON AIR – Foto: Thomas Kircher


Wer sich übrigens näher für John und seine Aktivitäten (nicht nur) rund um die Geschichte von AFN interessiert: Der SWR hat vor einiger Zeit ein sehr hörenswertes Feature über ihn produziert.

Es kann unter folgendem Link abgehört werden:
https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/broadcastcontrib-swr-28750.html


Weiterführende Links:


AFN Wiesbaden
https://europe.afn.mil/Stations/Wiesbaden/

AFN Wiesbaden auf Facebook
https://m.facebook.com/AFNWiesbaden/

Geschichte auf Wikipedia
https://de.m.wikipedia.org/wiki/AFN_Wiesbaden

Autoren:
Till Zipprich und Thomas Kircher –
www.fmkompakt.de

FMK besuchte 2023 den AFN Wiesbaden (Foto: Bernhard Fischer)

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