Hühnerspiel-Revival-Tour 2022

 Das Ziel vor Augen 

 

Im Juli 2022 bestiegen einige Radiofreaks von FM Kompakt den legendären Senderstandort Hühnerspiel in den Zillertaler Alpen. Das 2748 Meter hohe Hühnerspiel wird auch Amthorspitze genannt. Der Berg machte sich in den 1980er Jahren unter den alpinen Radiofreunden einen Namen. Von hier aus sendete das legendäre Radio Rosengarten und ab Mai 1984 auch Radio C. Man strahlte gezielt von Südtirol in Richtung Norden, also nach Innsbruck und Bayern. Vor allem deshalb hat dieser Standort für uns noch heute eine magische Anziehungskraft.

 

Da auf der Hühnerspiel-Hütte keine Übernachtungen mehr möglich sind, bezogen wir unser Quartier in Wiesen, einem kleinen Ort nahe Sterzing gelegen. Unsere Gruppe von Radio-Enthusiasten war bereits 2019 anlässlich des 40. Radiojubiläums von Radio Bavaria International auf der Zirog-Alm und Flatschspitze. Unter anderem sendete von der Zirog Alm RBI (als erster deutschsprachiger Privatsender von Südtirol in Richtung Norden abstrahlend). Gegründet wurde Radio Bavaria International von Jo Lüders und Jürgen von Wedel. Von der Flatschspitze sendete einst auch Radio Brenner, bzw. Südtirol 1. Jürgen von Wedel begleitete unsere Expeditionen sowohl 2019, als auch jetzt auf das Hühnerspiel. Eigentlich wollten wir bereits 2020 die Amthorspitze angehen, doch die Pandemie machte uns einen Strich durch die Rechnung. Auch im Herbst 2021 klappte der zweite Anlauf nicht, da Schneefall die Tour zu gefährlich machte. Nach dem Motto „aller guten Dinge sind drei“ hatten wir am Freitag, 22.7.22 ideale Bedingungen. Im Tal gab es im Lauf des Tages über 30 Grad, doch auf dem Berg waren die Temperaturen angenehm. Ein erfrischender Wind sorgte für eine willkommene Abkühlung.

 

 

  

Hühnerspiel-Hütte  

Wir starteten in Wiesen um 7 Uhr. Mit einem geländetauglichen Auto kann man bis hinter die Prantneralm fahren. Kurz danach wird der Weg zu einer Forststraße, d.h. ein weiterfahren ist nicht möglich. Hier befindet man sich bereits auf 1.800 Metern. Etwas ärgerlich, dass die Tour vom Parkplatz erst einmal geschätzte 100 Höhenmeter nach unten verläuft, bevor es von nun an stetig aufwärts geht. Insgesamt sind vom untersten Punkt unserer Route bis zur Amthorspitze 1.000 Höhenmeter zu bewältigen. Die komplette Wanderung beläuft sich auf 16 Kilometer. Nach ca. 20 Minuten erreichten wir die Hühnerspielhütte (1868 Meter) oberhalb von Gossensass. Dieser Ort, kurz hinter dem Brenner, war übrigens die erste Anschrift von Radio C. Zu der frühen Uhrzeit unserer Ankunft hatte die Hütte noch geschlossen, so dass wir die Herausforderung angingen. Der Weg führt anfänglich durch einen kleinen Wald, danach geht es über Wiesen und Steine. Immer wieder kommen die Sendeanlagen auf dem Hühnerspiel zum Vorschein. Doch nach einer halben Stunde scheinen diese noch genau so weit entfernt zu sein, wie beim Start. Je nach Kondition fanden sich immer zwei Mann zusammen. Im Schnitt dauert der komplette Aufstieg etwa 3 Stunden. Wobei andere auch vier und mehr Stunden benötigen. Vollkommen egal, es gibt nichts zu gewinnen, lediglich ein unglaublich gutes Gefühl, eine sagenhaft schöne Aussicht, die Ruhe der Berge, herrliches Wetter und die legendären Antennen von Radio C und Radio Rosengarten nach 40 Jahren ganz nah zu sehen. Hier wurde Medien- und Zeitgeschichte geschrieben. Wie oft hörten wir in den 1980er Jahren Radio C auf 101,1 im süddeutschen Raum und nun stehen wir tatsächlich hier oben und können die Radio C Antenne sogar berühren.

 Wilfried bereitet uns eine zünftige Südtiroler Brotzeit mit Speck, Käse, Gurken und Schüttelbrot 

 

Neben den beiden Antennen von C und Rosengarten gibt es auf dem Hühnerspiel viele Erinnerungen an die einstige Nato-Station. Dieser Stützpunkt wurde bis 1992 betrieben. Die US-Amerikaner hinterließen viele Spuren (zwei ungenutzte Sendemasten, Metall-Schrott, Stühle, diverse Gerätschaften uvm). Im vergangenen Jahr wurden durch die Domänenverwaltung zumindest diverse Ölfässer und Batterien abgetragen. Die einstigen Nato Gebäude sind seit Jahrzehnten verfallen und als Lost Place ein unschöner Anblick mitten in herrlicher Natur.

 

 

 Chaos am Berg  

Doch auch die einstigen Radiomacher haben ihre Spuren hinterlassen. Die Holzhütte, in der die Dieselgeneratoren für den Betrieb des Radios C-Senders standen, ist schwer mitgenommen. Im Fels sind die beiden Antennen-Anlagen fest verankert, wobei auch hier natürlich Föhnstürme und Witterung Schäden hinterlassen haben. Diverse Antennen-Felder sind abgefallen oder verbogen. Am Fuße der einstigen Sendeanlage lassen sich Zuführungsspiegel, Antennenkabel, Mastrohre und diverse andere stummen Zeitzeugen finden.

Zu den Zeiten, als das Hühnerspiel als Nato-Station, bzw. Sende-Standort genutzt wurde, war die Region noch ein Skigebiet. Das heißt, es fuhr ein Lift hinauf. Dieser ist ebenfalls längst Geschichte. Doch auch das Häuschen der Bergstation ist noch deutlich zu erkennen. Allerdings auch in einem zerfallenen und verkommenen Zustand.

 

Schandfleck Amateurfunk-Relais Hühnerspiel 

 

Einige hundert Meter oberhalb ist ein rostiger Container im Fels verkantet. Es handelt sich dabei um das ehemalige Amateurfunk-Relais. Sollte der Container nicht entsorgt werden, ist es eine Frage der Zeit, wann er einige hundert Meter in die Tiefe stürzen wird.

 

Ganz oben rechts: Die beiden DAB+ Antennen der RAS 

Der Standort Hühnerspiel wurde Anfang 2020 dank der RAS reaktiviert und im Oktober 2020 ausgebaut. Mit dem Ausbau wurde die neue DAB+ Sendeanlage mit den drei Sendeblöcken 10B, 10C und 10D in Betrieb genommen. Vom Senderstandort Hühnerspiel werden die Gebiete Brenner, Pflersch, Jaufental und das nordtiroler Wipptal bis Innsbruck besser versorgt. Über die drei Sendeblöcke werden insgesamt 35 Hörfunkprogramme ausgestrahlt. Die technische Wartung des Standortes findet über Hubschrauberflüge statt. Unterhalb des Tim-Geländes befindet sich ein Landeplatz.

 

RAS-Informationen zum Standort Hühnerspiel

 

Besitzer

Tim

Betreiber

RAS, Tim

Informationen

  • Meereshöhe: 2685 m

  • Längengrad: 11.4974 °

  • Breitengrad: 46.9445 °

  • Masthöhe: 17 m

 

 

 

Die Reste der einst stolzen Radio C-Kathrein-Antenne

Der Südtiroler-Radio-Experte Reiner Palma dokumentiert in seiner Recherche wie folgt den Werdegang von Radio C: 

Begonnen hatte die Geschichte von Radio C im März 1984. Das Hirschauer Elektronikversandgeschäft Conrad Electronic suchte damals nach einer Möglichkeit, in das südtiroler Radiogeschäft einsteigen zu können, um München und ganz Südbayern mit privatem Rundfunk zu versorgen. Als geeigneter Verhandlungspartner bot sich die Münchner Filmproduktionsgesellschaft Neue Constantin in Person von Bernd Schäfers an. Diese hatte sich bereits 1983 in die südtiroler Radioszene eingekauft und sowohl den italienischsprachigen Sender »» Radio Rosengarten von dem damaligen Betreiber Signore Mascalzoni als auch den Lokalsender »» Radio 104 des Kammerabgeordneten der Südtiroler Volkspartei DR. Hans Benedikter erworben. Man wurde sich schnell einig und so gingen beide Stationen in den Besitz von Conrad Electronic über. Am 15. April 1984 wurde Sperimentale Stereo Rosengarten als GmbH eingetragen.

Parallel zum Kauf von Radio Rosengarten und Radio 104 hatte die Neue Constantin bereits das Projekt Radio C geplant. Durch den Erwerb der Sender durch Conrad Electronic wurde dieses Vorhaben wieder aktiviert. Da auch Conrad mit einem "C" beginnt, war der Name Radio C passend. Entscheidend für den Kauf von Radio Rosengarten waren vor allem die Nutzungsrechte Radio Rosengartens für einen rundfunkstrategisch wichtigen Senderstandort, dem Hühnerspiel, einem 2.749 m hohen Berg östlich des Brenners bei Gossensass. Dieser Gipfel bot zwar nicht die optimalen Voraussetzungen, um Südbayern störungsfrei mit einem Radioprogramm zu versorgen, hatte aber den Vorteil, daß man über einen Sessellift den Gipfel mit Material versorgen konnte. So waren zur Versorgung und Wartung des Senders keine kostspieligen Hubschrauberflüge notwendig, die bei schlechter Witterung nicht möglich wären. Das Diesel, das zum Betrieb der Stromgeneratoren für die Sender benötigt wurde, beförderte man ebenfalls mit der Seilbahn nach oben.

Aufgebaut wurde Radio C von Werner Conrad, einem Sohn des Versandhausbesitzers Klaus Conrad, und Gerd Rippl, zweiter Geschäftsführer des Hirschauer Unternehmens. Als Live-Studio wurden Räumlichkeiten in der Bozner Italienstraße 20 benutzt, von wo auch bereits Radio Rosengarten und Radio 104 sendeten.

Ab Frühjahr 1984 wurde dann die alte Sendeanlage von Radio Rosengarten auf dem Hühnerspiel benutzt und zu Testzwecken Radio Rosengarten ausgestrahlt. Aufgrund der Sendeleistung von 1 kW war Radio Rosengarten auf der Frequenz 101.1 MHz im Großraum München hörbar.

Um in München gut hörbar zu sein, erwarb Conrad Electronic bei der Rosenheimer Antennenbaufirma Kathrein acht zirkulare Antennenfelder. Mit dieser Sendeanlage war man in Südbayern und auch im Stadtgebiet Münchens sogar im Autoradio in recht guter Qualität zu empfangen.

 

Zu den Glanzzeiten war Radio C von Südtirol bis weit hinter Nürnberg hörbar – u.a. wurde der Sender auch in das Kabelnetz von Weiden! eingespeist 

Im Sommer 1984 wurde das Programm von Radio Rosengarten durch Non-Stop Musik abgelöst. Ab August 1984 wurden dann wochentags die ersten Sendungen als Radio C moderiert.Zunächst lief die Sendung "Power Pac" mit Much, anschließend die "Rush Hour" mit Armin. In einem nächsten Schritt wurde die Frühsendung "Muntermacher" von 6 bis 9 Uhr eingeführt.Auch einige bekannte Moderatoren waren zu hören, u.a. Claus-Dieter Weninger, Willi Zwingmann und Michael "Much" Pichler. Vom Münchner Kabelsender M 1 kam Stefan Schneider nach Bozen.

 

 

 Die Radio C Antenne – abgebildet in einem Sonderdruck der „Funkschau“ 1985

Die Zielgruppe von Radio C waren junge und junggebliebene Hörer zwischen 14 und 35 Jahren,die gerne gute Rockmusik hörten. Pure Rock lautete das Format, welches konsequent umgesetzt wurde. Der Erfolg gab Radio C recht. Laut Medienumfragen war Radio C gerade bei der Hörerschicht jungen Erwachsenen einer der meistgehörten Sender Südtirols, hatte aber auch und gerade in Südbayern eine treue Hörerschaft. 1986 wurde sogar auf Kurzwelle auf der Frequenz 9810 kHz gesendet. Angeblich mit einer Sendeleistung von 1 kW. Standort des Kurzwellensenders war der Virgl nahe Bozen. 

Anfang 1986 gab es dann die ersten Probleme für Radio C. Der Bayerische Rundfunk nutzte plötzlich die Radio C-Frequenz 101.1 MHz für sein Programm Bayern 4 Klassik. Daraufhin wechselte Radio C die Frequenz auf 104.5 MHz. Sehr viel einschneidender für die Existenz von Radio C war jedoch, dass wenig später die Sendeanlage auf dem Hühnerspiel durch die südtiroler Landesregierung versiegelt und der Betrieb des Senders eingestellt wurde. Radio C wurde nach und nach aus den bayerischen Kabelnetzen herausgenommen. Daraufhin stornierten viele Werbekunden ihre Aufträge.

Später klagte Radio C gegen das Land Südtirol auf Schadensersatz in Höhe von 774 Millionen Lire. Im November 1986 hatte der Staatsrat den Einsprüchen von Radio C gegen die Versiegelung stattgegeben, da es für die Errichtung von Sendeanlagen keiner Baugenehmigung bedurft hätte.

Durch den rechtswidrigen über zweijährigen Stillstand sei ein Teil der Hörerschaft verloren gegangen und Werbekunden abgesprungen.

Im Herbst 1986 wurde Radio C in Südtirol mit Radio 104 zusammengelegt und nannte sich nun Radio C Südtirol. Das Rockmusikprogramm wurde beibehalten und Radio C Südtirol war bei den 18 bis 34 jährigen Hörern wiederum Spitzenreiter.

1996 beschloss Conrad Electronic aus internen Gründen den Sender abzustoßen.

Conrad Elektronik verkaufte Radio C an eine britische Radioholding,. Diese Gesellschaft (GWR) hielt nun 60% von Radio C und ebenfalls an »» Radio Zirog/Radio Edelweiß, das man gleich mit übernahm. So hatte man mit einem Schlag sowohl in Südtirol als auch in Nordtirol Fuß gefaßt. Die Station wurde schnell umformatiert. Unter dem Namen "Radio T 1" sendete man nun Schlager und Volksmusik.


Ehemalige von Radio C schalteten noch eine Todesanzeige für Radio C. Dort stand: „ Trauernd nehmen wir Abschied. Du bist von uns gegangen, kurz aber schmerzvoll erlagst Du der deutschen Schlageritis. Wir werden in unserem Herzen stets einen Platz für Dich haben. Die gute Musik war Dein Lebensziel und zugleich Dein Ende.

Die Trauergottesparty feiern wir in dunkler Kleidung (für Nichtchristen).Es trauern: Mitarbeiter, Ex-Mitarbeiter, Freunde, Musiker usw.

Radio C war Geschichte.

 

 

Radio Rosengarten Antenne reaktiviert 

Die Betonung liegt auf „WAR Geschichte“. Bis zum 22.7.2022! Denn dieser traurige Abschied sollte so nicht stehenbleiben. Deshalb entschloss sich eine kleine Gruppe an technisch versierten Hobbyfreunden, tatsächlich einen 25 Watt Sender, Antenne, Kabel, Batterie, mp3 Player und sogar ein Mikrofon auf das Hühnerspiel zu schleppen. Zuerst wurde über eine 5-Element-Antenne in Richtung Norden gesendet. Einige Monitoring Standorte bestätigten mittleren bis schwachen Empfang im Wipptal und im Großraum Innsbruck. Und dann kam der Clou, die Gruppe war tatsächlich in der Lage, die ehemalige Radio Rosengarten Antenne anzuschließen, um diese nach 40 Jahren zu reaktivieren. Nach leichter Korrektur und Ausrichtung der Antenne nach Norden, war der Empfang bis weit über Innsbruck hinaus möglich.

 Beim Ausrichten der einstigen Rosengarten Antenne 

Dank des Mikrofons wurden immer wieder Hörergrüße und Live-Moderation über eine Testsendung vom Hühnerspiel durchgegeben. Als Höhepunkt der Aktion wurde der Stream von Radio C aus Luxemburg übertragen. Nach etwa 4 Stunden live vom Hühnerspiel ging es wieder abwärts. Gegen 19 Uhr kehrten wir zu einem zünftigen Abendessen und gemütlichen Ausklang in der Hühnerspielhütte ein, um einen unvergesslichen Tag Revue passieren lassen. Was lange ein Traum war, wurde tatsächlich Wirklichkeit: Es gelang die legendäre Antenne auf dem Hühnerspiel noch einmal wiederzubeleben. Danke an alle Teilnehmer für diese unvergessliche Aktion, die uns mit unglaublich viel Freude und Stolz erfüllt hat.

 Was für ein Abenteuer – Ausklang in der Hühnerspiel-Hütte 

Dank Hubert Lindner: Südtiroler Wein mit dem passenden Etikett  "FMK 40 Jahre Hühnerspiel"

Bilder-Copyright: Peter Faust, Jürgen von Wedel und Thomas Kircher

Weitergehende Informationen und Erinnerungen rund um Radio C mit Bildern, Soundfiles und Zeitungsartikeln auf FM Kompakt.

 

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