40 Jahre RBI - Zirog/Flatsch 9/2019
„Das letzte große Abenteuer“ – Zirog und Flatsch 2019
Mitte September 2019 machten sich ein Dutzend Radiofreaks auf den Weg nach Südtirol. Ihr Ziel war die Zirog Alm, direkt hinter dem Grenzübergang am Brenner, auf einer Höhe von 1894 Metern gelegen.
Eines der letzten Abenteuer fand Ostern 1998 in Form eines Offshore-Projektes auf der Nordsee statt. Damals wagten sich Seesender-Fans noch einmal auf See, um vom Schiff aus Radio zu machen. Und nun war der 40. Jahrestag von Radio Bavaria International der Grund, um das letzte große Abenteuer der alpinen Radio-Freaks zu starten. RBI war im Jahre 1979 das erste deutsche Privatradioprojekt, welches von Südtirol aus gezielt in Richtung Norden sendete.
Auf der Brenner-Bundesstraße kurz nach der Ortschaft Brennerbad zweigt eine unscheinbare Straße links ab. Der Weg führt durch die Unterführung der Brenner-Autobahn, um zu unserem Ziel, der Enzianhütte zu kommen. Zu Beginn der Auffahrt ist die Straße geteert und gut befahrbar. Nach einigen hundert Metern wird der Weg jedoch relativ schmal und der Fahrbahn-Belag besteht aus Stein und Kies. Nach dem Motto „Augen zu und durch“ heißt es nun, möglichst ohne Gegenverkehr, zur Enzianhütte zu gelangen. Der abenteuerliche Anfahrtsweg dauerte knapp 30 Minuten und wurde mit einem herrlichen Ausblick und gutem Essen belohnt.
Enzian Hütte – Foto: Harald Zimmermann
Die Enzian Hütte wurde für zwei Tage zu unserem Quartier. Die Hütte steht im Südtiroler Wipptal auf der Sonnenseite der Zillertaler Alpen.
RBI-Antennenmontage am 10 Meter hohen Skiliftmast – Foto: Jürgen von Wedel
Im Mai 1979 starteten von hier aus Jo Lüders und Jürgen von Wedel ihr „Kind“ Radio Bavaria International. RBI war die erste Radiostation aus Südtirol, die gezielt in Richtung Norden sendete. Viele weitere Programme, wie Radio Brenner/Südtirol 1, Radio M 1, Radio Transalpin oder auch Radio C sollten folgen. Jo Lüders verstarb bereits im Jahr 2000 viel zu früh mit 60. Jo Lüders und Jürgen von Wedel hatten in Eigenregie und ohne große Geldgeber im Hintergrund auf der Zirog Alm ihre selbstgebastelte Antenne installiert. Anfänglich konnte RBI in Innsbruck, später, von einem ca. 150-Meter-höheren Standort in München, empfangen werden. Auf der Tour begleitete uns Jürgen von Wedel, der uns mit vielen Erinnerungen an die Anfangszeiten von RBI teilhaben ließ.
Jürgen von Wedel – Südtiroler Radiopionier der ersten Stunde – Foto: Peter Schwarz
Bereits am Ankunftstag machten wir uns von der Enzianhütte auf zur Zirog Alm. Noch heute erinnern Details an die Pionierarbeit der beiden Tüftler. So ragt immer wieder das vergrabene Stromkabel aus der Erde. Man sieht an einer eingestürzten Betonwand noch die Dübel-Löcher, an denen der RBI-Mast befestigt war. Teile des jetzt zersägten Mastes liegen hinter dem Betonfundament.
Von der Zirog Alm wurde, als letztem Radio M1-Standort, das legendäre Programm von Claus und Helga Führer bis zum Sendeschluss ausgestrahlt. Die M1 Antenne inklusive Container stehen noch unversehrt. Allerdings hat der Wind im Lauf der Jahre die Antenne in Richtung Süden gedreht. Wir ließen es uns nicht nehmen, die ursprüngliche Antennen-Position, nämlich nach Norden, wiederherzustellen.
Die M1-Antenne wird gedreht – Foto: Thomas Kircher
Aktuell sind von der Zirog Alm folgende Stationen auf Sendung:
- Radio 2000 102,80 MHz
- Südtirol 1 105,40 MHz über die ehemalige Radio Tirol-Antenne
Südtirol 1 von der Zirog Alm / früher von Radio Tirol genutzt – Foto: Thomas Kircher
Am Abend genossen wir den Sonnenuntergang und das gute Essen auf der Enzian Hütte. Hausmeister, gute Seele und Urgestein der Hütte zugleich, ist Helmuth Penz. Er hat die Zeiten, als die Goldgräberstimmung „Privatradio über die Alpen nach Deutschland“ aufkam, hautnah miterlebt. Er war für Radio C am Standort Hühnerspiel tätig und kann sich noch gut an die Radio Brenner Techniker entsinnen. „Damals war in unserer beschaulichen Gegend auf einmal unglaublich viel los. Hubschrauberflüge, von Radio Brenner ein unterirdisch verlegtes Stromkabel bis auf die Flatschspitze. Und immer wieder kamen feine Herren hier hoch, in, für die Bergstraße viel zu großen, Luxuslimousinen“.
Am zweiten Tag starteten wir um 9 Uhr von der Enzianhütte zur ersten Rast auf der Zirog Alm. Danach ging es weiter, stets steil bergauf, zur Flatschspitze. Je nach Kondition, benötigten wir für den Aufstieg und die Überwindung der insgesamt knapp 700 Höhenmeter, zwischen etwas über einer, bis zu drei Stunden. Von der Flatsch sendete Anfang der 1980er Jahre u.a. Radio Brenner mit einem Millionen-Aufwand.
Radio Brenner-Werbeprospekt Frühjahr 1983 – RB ging Anfang der 1980er Jahre großspurig an den Start (man machte sogar die Flatschspitze um über 100 Meter höher )
Sendeanlage Flatschspitze im Jahr 2019 auf 2566 Meter – Fotos: Peter Faust
Besonders beeindruckt hat uns der Sendemast auf der Flatschspitze. Es handelt sich dabei um den Original Masten, welcher im Jahre 1981 von Radio Brenner errichtet wurde. Das Typenschild verrät neben dem Baujahr, die Masthöhe (18,2 Meter) und die Herkunft. Hergestellt wurde der Mast im österreichischen Perchtoldsdorf. Interessant auch die Plakette der nächsten Mastprüfung, welche im September 1982 fällig war
Erinnerungen an das legendäre Radio Brenner – Foto: Peter Faust
Über diesen exponierten Standort sind heutzutage, bis auf Radio Dolomiti, sämtliche Flatsch-Frequenzen in Betrieb und bis nach Bayern hörbar:
- Die Antenne 100,80 MHz
- ERF Südtirol 102,20 MHz
- NBC Rete Regione 104,50 MHz
- Radio Dolomiti 88,85 MHz
- Radio Maria Italien 98,70 MHz
- Radio Maria Südtirol 104,80 MHz
Die imposante Antenne von Radio Dolomiti ist etwas unterhalb des Mastes, direkt am Berg verankert und erinnert vom Aufbau stark an die einstige Radio C Antenne (vom Hühnerspiel).
Radio Dolomiti von der Flatsch auf 88,85 MHz – Foto: Harald Zimmermann
Der Abstieg dauerte genauso lange, wie der Aufstieg. Wir nahmen uns Zeit, blieben immer wieder stehen, um die unbeschreiblich schöne Aussicht zu genießen. Unter anderem den Blick zum nahegelegenen Hühnerspiel. Gut sichtbar, die Bauten der einstigen NATO-Anlage.
Blick auf das Hühnerspiel - Foto: Harald Zimmermann
Von hier aus hatte Radio C gesendet und demnächst wird das Hühnerspiel dank der DAB+ Versorgung durch die RAS als Senderstandort wieder reaktiviert.
Die Reste der Radio C-Antenne auf dem Hühnerspiel im Jahr 2019 – Foto: Maximilian Wild
Wir hatten den Termin unserer Bergtour bewusst auf die vermeintlich beste Jahreszeit, den Herbst, gelegt. Es lässt sich viel planen, doch beim wichtigsten Punkt hatten wir nur Glück: Wir hatten hervorragendes Wetter! Milde Temperaturen, fast windstill und eine faszinierende Fernsicht. Unter anderem in die Stubaier Alpen mit den alles beherrschenden Tribulaunen, zum Patscherkofel und zur Hohen Scheibe.
Zum Abendessen kehrten wir zur Enzianhütte zurück. Es gibt Zufälle, die ebenfalls nicht planbar, doch unvergesslich sind. Zum selben Zeitpunkt zu der unsere Gruppe auf der Hütte verweilte, war Maximilian Wild dort Tagesgast. Wild war ab Oktober 1990 Geschäftsführer beim legendären Radio Transalpin. RTA ging aus der Freien Südtiroler Welle hervor und sendete vom „Wilden Freiger“. Maximilian Wild erzählte uns über sein interessantes Medien-Leben. RTA wurde von Herbert Vytiska, Sekretär von ÖVP-Außenminister Mock, mit Geldgebern aus Wien, errichtet. Da am Wilden Freiger die Stromkabel von der Müllerhütte zum Sender am Signalspitz ständig durch den fließenden Gletscher gekappt wurden, war der Sendebetrieb immer wieder unterbrochen. „Mehr als drei Wochen war RTA deshalb nie durchgehend auf Sendung, weshalb das Projekt leider nicht kommerziell für einen kontinuierlichen Erfolg umsetzbar war“, resümiert Wild. Damals gab es sogar Verhandlungen mit dem deutschen Programm von Radio Luxemburg, um gemeinsam etwas ganz großes auf die Beine zu stellen. „Im Oktober 1992 habe ich dann jedoch mit fünf Bergrettern aus Ratschings die ganze Anlage (bestehend aus 8 Zirkularfeldern Kathrein mit Mast, 20 KW Rohde und Schwarz Sender, Klimaanlage und 3 Container) abgebaut. Grund war die Abbruchverfügung durch den Landeshauptmann Durnwalder“.
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Fotos von Radio Transalpin / RTA am Wilden Freiger dank Maximilian Wild
Als 1998 in Tirol das Privatradio startete, war Maximilian Wild Geschäftsführer und Mitgesellschafter aller „Welle Radios“ und ab 2002 Geschäftsführer und Gesellschafter des Funkhauses Tirol, in dem alle sieben Privatradios vereinigt waren. Heutzutage ist Wild Center-Manager des bekannten „Brenner-Outlet“ direkt am Grenzübergang zwischen Österreich und Südtirol. Aber auch dem Radio fühlt er sich noch verbunden. So betreut er die Radio 2000 Anlage auf der Zirog Alm.
Mit der Dunkelheit wurde es empfindlich frisch und es ging für uns in die Hütte, wo die nächste Überraschung wartete. Stefan und Robert, Radio Bavaria Fans der ersten Stunde, hatten eine Silvestersendung von 1980 mit Axel Ricken digitalisiert. Wir lauschten der Party und die Stimmung stieg. Die anderen Gäste der Hütte staunten nicht schlecht, als wir um kurz nach 22 Uhr auf ein gutes „Neues Jahr 1981“ anstießen. Aber auch, als wir Jürgen von Wedel zum 40. Geburtstag gratulierten
Stefan erinnert sich: „Damals hat mich der Österreichische Rundfunk nie angesprochen. Das war ein Programm, das von oben herab gemacht wurde und mich nicht mitnahm. Anders als dann RBI wie ein Freund in den Äther kam. Die hatten dieselbe Sprache wie wir, man konnte anrufen, sich Titel wünschen und war „per Du“. Irgendwie fühlte ich mich mit RBI verbunden, als Teil einer Familie“.
Besondere Erinnerungen an einen unvergesslichen Ausflug
An dem geselligen Abend verloste Jürgen von Wedel Radio Bavaria International-Kaffeetassen, welche speziell zum 40. Geburtstag hergestellt wurden. Ebenfalls mit einem extra angefertigten Logo schenkte Hubert Lindner allen Teilnehmern je eine Weinflasche und zusätzlich selbst aufgesetzten „Zirbelen“-Schnaps.
Natürlich nutzten wir das Wochenende zum UKW- und DAB+ Scan. So konnten oberhalb der Enzianhütte auf DAB+ diverse deutsche Bouquets eingelesen werden, unter anderem empfangbar: DR Deutschland/Herzogstand, Voralpen-, Mittelfranken-, Ingolstadt- und der BR Bayern-Mux.
Scan oberhalb der Enzianhütte – Foto: Michael Wundrak
Da wir einige Amateurfunker dabei hatten, wurden von der Zirog Alm natürlich auch Tests mit einem portablen Amateurfunkgerät im 2m und 70cm Bereich durchgeführt. Direkte Verbindungen wurden mit Augsburg und Ulm hergestellt. Sendeantenne war eine vertikale HB 9 CV Antenne mit ca. 10 Watt Sendeleistung.
Wie wir erst nach unserem Ausflug erfuhren, war während unseres Aufenthaltes tatsächlich ein Piratensender in der Region auf UKW aktiv und im nördlichen Südtirol bis nach Innsbruck, aber auch darüber hinaus hörbar. Zufälle gibt’s. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, oder „Auf der Alm, do gibt’s koa Sünd“
Nach dem Treffen hatte natürlich jeder, der in Richtung Norden fahrenden Teilnehmer, die Zirog/Flatsch-Frequenzen im Autoradio eingestellt und verfolgt, wie weit diese Standorte reichen. Absolut beeindruckend, dass von diesen Südtiroler Punkten das Signal bis nach Ulm, auf Teilen der Schwäbischen Alb und an exponierten Lagen in Bayern hörbar ist. Ein unvergesslich schönes und beeindruckendes Wochenende, das letzte große Abenteuer, war zu Ende. Und jeder nahm für sich das gute Gefühl mit nach Hause: „Ich war dabei und habe noch einmal etwas von der abenteuerlichen Pionierzeit gesehen und einen Hauch davon in mir gespürt“.
Weiterführende Links rund um Radio Bavaria International:
- Jürgen von Wedel im Interview
- Radio Bavaria International-Erinnerungen
- Videofilm der Tour dank Jürgen von Wedel
Autor: Thomas Kircher – www.fmkompakt.de
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