Im September 1983 mit seiner "Kurzwellenmusikstation" Radio Victoria (via Radio Milano International, Radio Time und über das legendäre Radio Benelux/Ostbelgien), bishin zum erfolgreichen Musikchef der Welle Untermain in Aschaffenburg, sowie beim Schwarzwald Radio in Freiburg........
Roger startete am 17.09.1983 die inzwischen legendäre Kurzwellenmusikstation Radio Victoria via Relay in Milano. Mit viel Beachtung und unerwartet langem Atem wurde er nicht nur in Hobby- und DXer Kreisen schnell bekannt.
Er war dann gleich von Anfang des Privatfunks on Air bei Radio 4 Rheinland Pfalz (Popstation). Seine weiteren Stationen waren u.a. die Welle Untermain, Antenne 1 Stuttgart, Schwarzwaldradio, Radio Kohlibri. Danach zog sich Roger lange zurück und tauchte erst zum 25. Geburtstag von Radio Victoria wieder in der Öffentlichkeit auf. Er präsentierte zu diesem Jubiläum im Jahr 2008 gleich mehrere Sondersendungen via Kurzwelle und dem Webradio Waveshape aus Zürich.
Die Reaktionen auf seinen einmaligen, unverwechselbaren Moderationsstil, aber auch seine Musikkenntnisse waren derart groß, dass Roger schnell wieder Blut geleckt hat........und sich wieder fürs Radio-machen begeistern konnte.
Roger war über lange Zeit bis zum Sommer 2012 für RNI aktiv. Dort war auch seine überarbeitete Offshore-Story zu hören.
In seiner letzten Mail Ende August verriet er mir, dass er aus gesundheitlichen Gründen eine Auszeit nehmen muss, um sich evtl. sogar ins Krankenhaus begeben. Nach dem Krankenhaus war er in Reha und dann sogar auf dem Wege der Besserung.......
Doch auch in den Monaten zuvor war er gesundheitlich angeschlagen und kämpfte tapfer gegen die Tücken seiner Krankheiten. Umso bemerkenswerter, dass er trotzdem Sendungen für RNI produzierte.
So schrieb er mir z.B. am 28. März 2012:
Mir geht es gar nicht gut, Erkältung wäre noch halb so wild.
Schwindelanfälle, mitten im toom-Markt umgekippt in einer lange Schlange
vor der Kasse. Plötzliche Taubheit in der rechten Hand. Vor einigen Tagen
vom Gaspedal abgerutscht und rückwärts "eingeparkt". Zum Glück über lange
Parkbucht hinweg plus angrendzedem Rasenstück... Millimeter an anderem
Wagen vorbei.
Ich habe mit letzter Kraft was produziert.
mfg rki
Mit Roger Kirk verlieren wir einen DJ, der all das erfüllt hat, was WIR Radiofans uns wünschen: 100 % igen Wiedererkennungswert - sowohl von der Präsentation seiner Sendungen, aufgrund der Jingles und natürlich gaaaaanz viel Gefühl für Musik.....
Roger Kirk links beim FMK Radiotag im Mai 2008 in der Nähe von Frankfurt
und hier meine ganz persönlichen Erinnerungen an Roger Kirk......
Nachfolgend einige akustische Erinnerungen an eine unverwechselbare Radiopersönlichkeit (aus dem FMK-Archiv) :
Band Nr. 210 aus dem FMK Archiv - Antenne 1 Stuttgart:
Der einstige KW-Betreiber von Radio Victoria, Roger Kirk, gab auch bei Antenne 1 Stuttgart ein kurzes Gastspiel und erwies sich in der Sendung "Weißt Du noch ?" als wahrer Oldie-Spezialist
FMK-Band Nr. 293 Radio Victoria:
Roger Kirk, Macher von Radio Victoria, lobt innerhalb der "Info-Show" (11/1984) die Beständigkeit seines privat auf die Beine gestellten Kurzwellen-"Piraten". Roger hatte während der Existenz von Radio Victoria viele Kritiker. Ich hatte einen angenehmen Kontakt zu ihm, erhielt ohne Schwierigkeiten die Seesender-Legende, versuchte die "Relais-Sendungen" via Radio Tirol in`s Leben zu rufen und lernte Roger persönlich anlässlich eines RV-Hörertreffens in Bonn kennen.
Nr. 596 Radio Victoria Testsendung via Radio Tirol>
Nachdem Roger Kirks Kurzwellenmusikstation Radio Victoria seine UKW-Relaymöglichkeit mit dem endgültigen "AUS" von Radio Benelux verloren hatte, suchte man nach Alternativen. Da ich zu Dr. Gerald Fleischmann/Radio Tirol während diverser Südtirol-Besuche einen netten Kontakt aufgebaut hatte, "vermittelte" ich zwischen Roger Kirk und Radio Tirol. In einer Sondersendung vom 20.07.1985 stellte Roger Kirk seinen Sender vor. Geplant waren regelmässige Sendungen via Radio Tirol ab Herbst 1985. Tatsächlich jedoch kam es niemals dazu, da Dr. Fleischmann ein erfolgreiches, bodenständiges Programm produzierte. Laut seiner Aussage passten die RV-Sendungen einfach nicht ins Programm des Südtiroler Senders. Somit ist nachfolgender Mitschnitt eine absolute Rarität.
Michelle und Roger Kirk von Radio Victoria via Radio Tirol>
Roger, ich danke Dir für Deine unzähligen (und doch viel zu wenigen) Sendungen, die Du uns geschenkt hast !
Thomas Kircher
fmkompakt
Schöne Erinnerung an eines von Roger Kirks Werken - die Serie HistoryRadio - nun, soweit vorhanden, dank Dr. Martin van der Veen online. Martin, danke, dass Du uns alle an diesem Werk online teilhaben lässt !
Und hier die Radio Vita von Roger........
release: jan 30, 2009 16:20PM
Kapitel 1
Hallo Fans...
tja, lange ist es her... und bevor alles vorbei ist, möchte ich an dieser Stelle ein paar Fragen beantworten (die sogenannten "FAQs"). Wobei "ein paar" schon ein mittlerer Witz ist, deutet sich doch eine unendlich lange Geschichte an. Nun, nehmen wir es in Angriff:
Der gute alte Roger Kirk... Nach recht dubiosen elterlichen Verhältnissen (väterlicherseits Niederlande, mütterlicherseits Deutschland) und wechselnden Nachnamen ("Kirk" ist nur die Verballhornung von "Vanderkerk") bin ich so Mitte der 60er Jahre im Rhein-Main-Gebiet gelandet (ich habe derzeit übrigens einen anderen Nachnamen, nachdem ich eine Russin geheiratet habe und die beim Würfeln um den gemeinsamen Nachnamen gewann... Schwamm drüber).
Die 60er: begeistert vom "DXen". Las da was in der HörZu über den Deutschlanddienst von Radio Afghanistan auf 15360 oder so... und wusste nix. Gar nix. Schraubte auf der Mittelwelle rum zu der angebenen Uhrzeit, weil ich 1536 kHz für 15369 hielt... so doof war man damals.
Zuhause: Friedberg, nette Kleinstadt, Augustinergymnasium. Mit der Zeit lernte ich dann den Unterschied zwischen Kurzwelle, Mittelwelle und Langwelle usw. Und hörte auf einem alten Siemens-Dampfradio, angeschlossen an die Hochantenne des Hochhauses in jenem Friedberg/Hessen rein. Erbat mir von Mami freie Nächte, wo ich dann bei Cola und Kaffee mühsam Frequenzen ablas und reinhörte...
Tja, und dann hörte ich plötzlich zwei Caroline nebeneinander auf der Mittelwelle (nachgerechnet: es war die Zeit, als Caroline North tagsüber noch auf der alten "1-9-9" war, aber abends bereits aus der "2-5-9" testete, auf der Skala eben direkt neben dem in Europa besser hörbaren Caroline South...).
Und das bedeutet: Als kleiner Pimpf schraubte ich schon am Radio und als wohl einer der wenigen Zeitzeugen habe ich noch IN ECHT Sender wie Radio Caroline North und Radio Caroline South (nebeneinander auf der Skala, 1187 South, 1169 North) sowie natürlich Radio London Big L (auf der Zwischenfrequenz 1137,5 kHz), das ständig auf der Skala wandernde Radio Scotland ("2-4-2"), Radio 270, die Testsendungen von Swinging Radio England (1322 nach Frequenztausch mit Britain Radio, was ich auch hörte), Radio 390 (vom Fort in der Themsemündung) als auch Veronica (1562 kHz vor Holland) gehört - aus den 60er Jahren habe ich den Klang von acht Offshore-Sendern noch genau im Ohr. Plus deren jeweiligen Nachfolgern - Radio 227/Dolphijn als holländischsprachige Konkurrenz zu Veronica auf der verstummten Frequenz von SRE-Swinging Radio England - und 355 als Ersatz für Britain Radio.
Blick nach vorn - der junge Roger Kirk
Was habe ich damals nicht alles gehört. Erstmals "Spicks And Specks" von den Bee Gees - und das war bei Swinging Radio England. Oder "Shutgun Wedding" von Roy C. - das war bei Caroline... Oder "Super Girl" von Graham Bonney - Platz 8 bei Big L. Graham Bonney wohnt(e) übrigens seit den Achtzigern hier ganz in der Nähe im Rhein-Main-Gebiet. Damals war er Postgehilfe oder sowas und vom Erfolg total überrascht. Er wurde dann - für Musikunwissende - deutscher (!) Schlagerstar und lieferte mit dem "Girl Mit Dem La-La-La" und den "Siebenmeilenstiefeln" doch einige Meilensteine der Schlagerära der 60er Jahre ab. HÖREN... Zu Besuch bei einer Freundin meiner Mutter in Bad Nauheim, Sommer 1966: Glasklar kam Radio London Big L auf einem kleinen Saba-Röhrenradio dort rein, an dem ich natürlich gleich herumschraubte... "Pamela, Pamela" von Wayne Fontana (der sich damals gerade solo gemacht hatte, nach Hits wie "A Groovy Kind Of Love" und seinen Mindbenders).
Oder 1967 im April: Deutschlands öffentlich-rechtliche Sender (und nur die gab es, und jeweils nur EIN Programm!): Konrad Adenauer war gestorben. 14 Tage lang wurde Trauermusik und Klassik ausgestrahlt. Überall!
Die einzige Lösung damals: AFN auf 872 kHz, die "fröhlichen vier Wellen" von Radio Luxemburg auf - am besten hörbar - Kurzwelle 6090 kHz oder gleich Radio Caroline South auf 1187 oder Big L auf 1137,5... beides auch tagsüber kein Problem und eine echte Wohltat.
Auch zur BBC, dem deutschsprachigen Service, hatte ich inzwischen als DXer Kontakt aufgenommen und pflegte einen freundlichen Briefwechsel. Die verschenkten damals an treue Hörer sogar Singles - an eine Rarität kann ich mich erinnern: "Boulevard De La Madeleine", ein leider "untergegangener" Hit der Moody Blues, circa zwei Jahre, bevor sie jeder mit ihrem "Nights In White Satin" kannte.
Und die "lokale" BBC habe ich damals auch gehört - den "light service" (das zweite Programm), was auf 200 kHz Langwelle brauchbar herein kam. Mit dem einzigen (!) Programm, mit dem die BBC damals gegen die Beliebtheit und Übermacht der Beatflotte anstinken konnte: der offiziellen britischen Hitparade sonntagnachmittags... Meine Erinnerung an diese Zeit war musikalisch "The Carnival Is Over" von den Seekers.
Zu meinen "Großtaten" in diesen Friedberger Nächten gehörte der Empfang von La Voz de la Victor aus Costa Rica auf 9615 kHz, von denen ich einen beeindruckenden Wimpel bekam. Eine Meisterleistung für so'n betagtes Dampfradio...
Die allererste QSL bekam ich allerdings von Caroline - in jener Nacht, als ich die beiden Programme nebeneinander auf der Mittelwelle hörte und ich wie elektrisiert war. Da hatte ich schon davon gehört und gelesen - und jetzt gehört. Unglaublich! Und ahnungslos, wie ich damals war, schrieb ich einen Brief an "Radio Caroline, somewhere at the British coast"... Kam an! Tage später hatte ich eine QSL-Karte mit dem Absender P.O.Box 3, Ramsey, Isle-of-Man in den Händen und wunderte mich... Isle-of-Man? Nicht Themsemündung. Dass es damals zwei Caroline gab, war mir noch nicht so ganz klar. Habe aber sehr schnell dazugelernt und die Mittelwelle ganz gezielt nach "Frequenzlücken" abgesucht - und siehe da, eine Station nach der anderen kam aus dem nächtlichen Störnebel heraus. So entdeckte ich z.B. Veronica...
Später - unvergessen morgens beim Rasieren (mitten in Frankfurt - gerade umgezogen, auf einem 10-DM-Minitransistorradio) glasklar auf 1562 dort den "Wichita Lineman" von Glen Campbell gehört. Auf der Toilette ging es nicht anders... Und nachts "Admiral" Robbie Dale in Englisch auf Veronica. Und Veronica war auch die erste (und vielleicht einzige...) Station, die damals die "schmutzigen" Songs wie "Wet Dream" von Max Romeo oder - bekannter - "Je T'aime Moi Non Plus" von Serge Gainsbourg & Jane Birkin spielte...
Leider ist alles im Laufe der Jahre verloren gegangen, aber wenn ich zurückrechne unter Berücksichtigung aller Daten und Chartnotierungen, so muss ich Mitte 1965 "so richtig" mit dem "ferne-Sender-hören" (DXing) und dabei mehr und mehr gezielt "Poppirates", angefangen haben.
Mitbekommen habe ich natürlich auch Anfang der 70er Jahre die Sendungen von RNI (Radio Northsea International), Capital Radio (inkl. dem Besuch in deren Erdgeschoss-Studios in Bussum...), Veronica 1562 und 557 kHz, der Rückkehr von Caroline 1972/1973, Radio Mi Amigo, Radio Atlantis. Schöne Zeit, viele Leute habe ich damals kennengelernt.
Mit Chef Tommy V. Shields von Radio Scotland hatte ich von 66-68 eine Brieffreundschaft. Der Macher der gezielt lokalen Popstation starb an Kummer über das Ende seines Senders und den Umstand, dass er keine Ausnahmelizenz für sein "Scotland-swinging to you on 2-4-2" bekam. Schade, im Laufe der Zeit sind seine Geschenke (ein Wimpel, eine LP mit allen Indikativen von Radio Scotland usw.) verloren gegangen. Sehr schade.
Auch die Geschenke von Radio Veronica, wo ich in den Landstudios in Bussum Norbert Jürgens (die deutsche rechte Hand) und Bul Verwej kennenlernte - einen gewissen Frank Leonhardt (Free Radio Capaign Germany) im Schlepptau... Übrigens jene beiden, die den Brandanschlag auf die Mebo 2 anzettelten, was wiederum (mit) zu dem holländischen Antipiratengesetz Herbst 1974 führte... Die Welt ist klein...
Als Minderjähriger (!) hatte ich damals wegen meines Faibles für Piratensender und Popradio plötzlich die Leitung der FRA (Free Radio Association, Rayleigh, Essex) übertragen bekommen und die mit wenigen Mitteln mehr schlecht als recht "geleitet" - Avantgarde hiess damals hochtrabend das Magazin. Versehen mit dem Sendemast der Comet von Radio Scotland (deren 2-4-2-Clan-Magazin) als Logo.
Die "Freie Radio Assoziation" - wie ich sie nannte. Nun ja, auf DIN-A4 kopierte Blätter, Schreibmaschine. Mühsam rangeschaffte Nachrichten. 1969 machte neben dem (ersten) Radio Nordsee-Projekt (MV Galaxy, Helgoland) auch ein "Channel Radio" Schlagzeilen, sollte auf 1332 kHz von einem Schiff aus senden. Entpuppte sich aber als Landpirat. Und als Landpirat machten dann "Free Radio London" und das spätere "Radio Jackie" richtig Schlagzeilen. Kann mich erinnern, dass ich in den 70ern Jackie tatsächlich nachts mehrmals auf 1322/1331 hören konnte... Jackie - für alle Unwissenden - sozusagen die Antwort auf Caroline: die Tochter von John F. Kennedy gab den Namen für den Seesender. Jackie (später: Onassis) war die Mutter... deswegen. Aha.
Und: laut meinen im Gedächtnis abgespeicherten Unterlagen war damals ein gewisser Thomas Koschwitz aus Marburg auch Mitglied der FRA - die Welt ist klein!
Was schwebte mir alles vor... von Protestmärschen "fight for free radio" bis zum eigenen Piratensender. Was dazu führte, dass ich von dem damaligen (wohl geistesverwirrten) "Chef" der österreichischen (!) Branche der FRA angezeigt wurde und bei der Polizei aussagen musste. Damals stand in meinen Polizeiakten "gilt als Spinner".
Nun, der bin ich heute noch. Selbst John Lennon besang in "Imagine" schon die "dreamer"... überaus positiv... "some say, I'm a dreamer". Als Wassermann ist man das eben. Nicht ohne Grund ist es "the dawning of the age of aquarius" (Hair, 1969). Wassermänner sind Lebenskünstler, Denker, Dichter, Träumer, aber auch Macher. Ich gebe nichts auf Astronomie und Horoskope (alles Humbug, bin recht gut informierter Astronom aus Leidenschaft... eines meiner Hobbies) - aber diese Beschreibung des Wassermanns scheint zu stimmen. Auf mich trifft sie 100%ig zu.
Zurück zu Ende der 60er / Anfang 70er : Damals war ich "nebenher" auch DJ und sehr schnell wurde mir von meinem Publikum nachgesagt, dass ich ein "angeborenes, ungeheures Gefühl für (gute) Musik und (zukünftige) Hits" hätte.
Als DJ war ich auch Mitglied der "DDO" (Deutsche Disc-Jockey Organisation) von Klaus Quirini in Aachen - jener legendären Figur, der die erste Disco in Deutschland mitgründete. Wir erinnern uns (oder auch nicht...) - erst Mitte der 60er Jahre schossen überall Lokale mit zwei Plattenspielern, Bassboxen und "meine Damen und Herren, als nächstes hören Sie eine Nummer der Beatles" moderierender Herren aus dem Boden. In Frankfurt war dies allen voran damals das "Penny Lane" und die Tanzschule Wernecke, die frühzeitig am Wochenende und sonntagnachmittags auf "Disco" umstellte. Lang ist's her.
Durch Quirini war ich auch in der engeren Wahl des ersten Radio Nordsee-Versuchs (von der Galaxy von ex-Radio London, das vor Helgoland Mitte 1969 senden sollte). Kam dann aber nicht zustande (Deutschland verabschiedete auch ein Antipiratengesetz), führte aber dazu, dass die schweizer Sendetechniker/-lieferanten Meister & Bollier dann "ihr" RNI Anfang 1970 von einem eigenen Schiff (Mebo 1, dann die Mebo 2) starteten.
Was gibt es noch alles an Erinnerungen "vor Victoria"?
Nun, unter einem ganz ganz anderen Namen war ich kurz an Bord der Mebo 2 (RNI), als diese durch Jamming gestört vor England lag (und da mal zwei Wochen lang während der Wahlen als "Radio Caroline" zu hören war). Die Versorgung von England (Canvey Island) aus! Da ich die schrecklichen deutschen Programme damals überhaupt nicht mochte ("meine Damen und Herren, Sie hören jetzt...") ich in - passablem - Englisch. Aber nur dreissig Minuten als Ersatz und mit einem vielleicht noch entsetzlicheren Programm als die deutschen DJs. Programmchef Larry Tremaine war damals schnell am "feuern" - so auch Roger "Twiggy" Day. Der tauchte nach einer Wahlkampagne pro Caroline/RNI/Conservatives nicht mehr via Canvey Island auf die Mebo 2 zurück. Andere auch nicht...
Was aber dazu führte - wieder zurück in Frankfurt - dass ich Kontakt zu Karl Grobe, Radio- und Chinaexperte der Frankfurter Rundschau bekam. Und am Tag des ersten Ablebens von RNI (24.Sept) erschien die FR mit einem "Nachruf auf einen Piratensender" - in der Nacht vorher eilends von mir geschrieben und auf der Feuilleton-Seite sieben Spalten breit und dreiviertel des Platzes... Brachte mir sowas um die 162,- DM ein, eine Menge Geld damals...
1971 nach der Rückkehr von RNI nochmals kurz, nur gibt ein anderer Roger Kirk (angeblich bereits verstorben...) da vor, an Bord gewesen zu sein. Programmlich genauso eine Katastrophe, seekrank ohne Ende. Ist nicht jedermanns Sache, von unten den Riesensendemast hinauf zu schauen, ohne kotzen zu müssen. Entsprechend das Resultat.
Was GANZ anderes waren da die Landstudios: in der Morgensendung von Klaas Vaak (Veronica) durfte ich die deutschen Hörer grüssen - da ging meine Stimme tatsächlich einwandfrei über den Äther... Muss März 1970 gewesen sein.
1971 - da war ich mal in einer geheimen Mission unterwegs, im Umfeld von RNI. Da möchte ich nichts darüber sagen... noch nicht. Es führte aber dazu, dass ich mich eigentlich auf DJ konzentrieren sollte und wollte. Durch DDO und Quirini bekam ich den Draht zu Mike Leckebusch (!), der damals in und um Münster/Coesfeld eine Diskothekenkette managte. Und es war unglaublich, die gesamte Münsteraner Altstadt war voll von Discos... Oben eine, direkt darunter eine, nebendran eine, zwei Häuser weiter noch eine... sagenhaft. In der einen lief pausenlos das Livealbum von Johnny Rivers, das damals ein echter Renner war... Und als ich nachts in das gebuchte Hotel am Marktplatz einchecken wollte, erklärte mir die (noch nette) Empfangsdame, dass sie mir ausnahmsweise und weil es so spät sei, doch noch Einlass gewähren würde. Grund: Ich hatte das blauen RNI-T-Shirt (Rudermotiv mit "Radio NorthSea" aufgedruckt) an - und noch viel schlimmer: Ich hatte schulterlange dunkelbraune Haare. Auweia. Die 68er-Revolte hatte sich im katholischen Münster noch nicht durchgesetzt.
Moderativ war ich auch schon früher on air - ein gewisser Michael Bethge aus Bad Homburg (WWDXC, Worldwide DX Club) und ein gewisser Jürgen Durst (Studio Monica) aus Frankfurt-Ginnheim machten damals ein Programm über einen griechischen Privatsender: der "PBS" - Pyrgos Broadcasting Station. Der Sender war trotz vieler anderer kleiner Sender auf der damaligen Gleichwellenfrequenz (1484 kHz) und trotz nur 1 KW Sendeleistung erstaunlicherweise nach Mitternacht in Nordeuropa zu hören, wo er wie Phönix aus der Asche aus dem Gebrummel der überbelegten Frequenz drang. Michael Bethge suchte dann die frei hörbare 1351 kHz heraus, wo die Station noch heute zu finden ist. Nach der Übernahme durch das griechische Militär wurden die Sendungen allerdings von beiden Seiten eingestellt (Hinweis zu den Frequenzangaben: damals galt ein anderes Mittelwellenraster!).
Mit Michael Bethge (auch als damals recht aktivem DXer) ist die Verbindung bis heute eigentlich nicht abgerissen - von jahrelangen Unterbrechungen mal abgesehen. Es führte zumindest dazu, dass wir als Radio Victoria die damalige (und heute immer noch...) Postfachadresse benutzten.
DXer - da war ich auch recht aktiv. Mitglied in der ADDX (zunächst...) und dem SSWCI (auch) und eifriger Hörer und Contributor von "Sweden calling DXers". Immer ehrgeizig, immer darauf bedacht, soviele Länder und Stationen zu sammeln und, und, und. Erinnere mich noch an Heinrich Kobsch (erster Vorsitzender der ADDX), der tragisch irgendwie abgetreten ist. Oder Gunther Langweige mit seiner "miramo" (dem Monitorservice der religiösen Privatfunker), der allerlei technische Sachen anbot und später (insolvent?) auf irgendeiner spanischen Insel abtauchte. Und an Wolfgang Scheunemann aus dem Dunstkreis WWDXC/Michael Bethge, der Radio Victoria damals mit seiner "wwh-weltweit hören" doch tatkräftig unterstützte.
1484 kHz - da habe ich sehr viel reingehört. Genauer gesagt auf 1480 kHz... ich war besessen, damals Radio Hauraki (den Piratensender aus Neuseeland) dort zu hören. Und glaubte, diesen auch einmal "erwischt" zu haben. Von der Geographie her unmöglich, bekam auch nur eine durchgestrichene QSL von Hauraki zurück. Führte aber (vielleicht) dazu, dass ich Pyrgos entdeckte. Hab's vergessen, was zuerst war, das Huhn oder das Ei...
Die Pyrgos Broadcasting Station: wer ahnte, dass ein gewisser Jay Jackson, damals noch "Crispian St. John" (RNI und Caroline, 2002 leider verstorben) auch Programme für Pyrgos lieferte. Die Welt ist klein.
Und in Holland lernte ich einen gewissen Gerard van Dam mit seiner FRA kennen. Frank (Leonhardt) und ich erinnern uns sicherlich noch genau, dass wir ihn zum Sozialamt gefahren haben, um mal kurz seine Stütze abzuholen. Ein echter Lebenskünstler... Laut seinen Aussagen 66-67 der "Boss" und "Drummerboy" der Caroline-Fanorganisation. Er radebrechte in schlechtem holländisch-gefärbten Englisch mit uns, aber wir verstanden uns. Glühender Caroline-Fan und unkte damals schon, dass ER Caroline zurückbringen werde. Wir glaubten es oder auch nicht...
Aber genau jener van Dam war es, der die Legende vom Caroline-Museum unter die Leute brachte und das beschlagnahmte eine Caroline-Schiff (die Mi Amigo) kaufte und in Wirklichkeit 1972 auf die hohe See brachte - um am gleichen Tag, als Veronica die Frequenz wechselte (von 1-9-2 auf 5-3-8) und RNI seinen lange "verschwiegenen" zweiten Mittelwellensender auf der verlassenen Veronica-Frequenz testete, auch zu senden - nonstop mit der Rückseite von "Caroline" von den Fortunes, dem Caroline-Indikativ der 60er Jahre ("If You Don't Know Me By Now"). Lief rauf und runter auf der alten 1187 (2-5-9) und das Schiff lag in Sichtweite von der Mebo 2 (RNI) und der Norderney (Veronica).
Jener Gerard van Dam, der dann 1978/1979 sein "Radio Delmare" vor der holländischen Küste startete und damit seinen Traum "von einem eigenen Sender" verwirklichte. Die Welt ist klein.
Fast wäre es bei Radio Victoria auch dazu gekommen, aber das ist ein anderes Kapitel.
In seinem Umfeld und dem von Tim Thomasson (von Capital Radio - dem holländischen Piratensender, nicht dem viel später sendenden Londoner Privatradio!) lernte ich damals auch Paul Harris kurz kennen (schottischer Autor von "When Pirates Ruled The Waves"). Paul kümmerte sich in der Gründungsphase um Capital Radio, lieferte den Sender von Radio 270 für das Schiff, machte das Testprogramm und, und, und - war also "führend" mit involviert. Whow.
Ich hatte Visionen... Kirk an Bord der MV King David oder vorproduzierte Programme mit mir aus dem "Studio Monica" oder, oder. Au ja! Neuer Anlauf. War plötzlich alles im Bereich des Möglichen. Wir babbelten und babbelten, über BBC Worldservice (dem Testprogramm von Capital Radio), der kleinen Wassermusik (dem Indikativ von Capital Radio) und zukünftigen Programmen. Und der Antenne - eine ähnliche hatte der Deutschlandfunk damals gut sichtbar bei Rodgau-Weiskirchen in Höhe der Autobahnraststätte Süd stehen und sendete auf 151/155 kHz.
Nun, nach dem (ersten) Verstummen von RNI kam Capital Radio in den Äther zurück und ich machte mir Hoffnungen - trotz des "easy listening"-Programms. Viel Klassik, auch C&W, war nicht so meine Kragenweite. Die Hoffnung wurde zerstört, als nur einen Monat später das Sendeschiff wieder Probleme hatte, auf Grund lief und die Antenne zusammenklappte... Die Station kehrte nie mehr in den Äther zurück.
Unvergessen ist für mich aber der Eindruck vom Pier in Scheveningen... werde ich nie vergessen: Mit bloßem Auge erkennbar, lag da die Mi Amigo (Caroline) als schwarzer Fleck im Süden, die knallbunte Mebo 2 (RNI) so ziemlich in der Mitte und als schwarz-weisser Tupfer die Norderney im Norden. Schade, dass ich kein Foto mehr habe... War so 1972-1973.
Unvergessen auch eine andere Anekdote aus 1973: Damals fuhr ich einen (beeindruckend aufgemachten) weissen Ford Taunus und damals war Sonntagsfahrverbot und Geschwindigkeitsbegrenzung (100 km/h Autobahn - heute noch...) in den Niederlanden. Kaum war ich bei Emmerich-Elten über die Grenze gefahren, sah ich schon die "Rijkspolitie" mit ihren Porsches "fangbereit" am Autobahnrand stehen. Und es war ein Samstag - der Tag, an dem sowohl Veronica als auch RNI ihre Crew wechselten und die Tender unweit des Piers in Scheveningen anlegten. Und es war bereits Mittag. Eine schreckliche Verwechslung... die nette Polizei hielt mich für einen RNI-Mitarbeiter (es kamen dauernd welche aus der Schweiz oder Deutschland mal rüber...). Grund: Auf dem guten alten Taunus war vorn und hinten ein übergrosses rotes RNI-Symbol aufgeklebt (das rote Ahornblatt mit Schiff-Antennesymbol).
Was passierte ? Die Politie hielt mich an, deutete auf mein RNI-Emblem und setzten sich wortlos vor mich... und so rasten wir - die Politie im Porsche mit Blaulicht vor mir und ich mit knappen 180 km/h verdattert hinterher - die ganze Strecke nach Scheveningen hinunter, alles überholend und wegblinkend... sagenhaft.
Selten so gelacht. Wir waren wirklich rechtzeitig im Hafen. Habe mich dann artig bedankt, die haben mir noch einen Parkplatz zugewiesen (immer ein grosser Menschenauflauf beim Eintreffen der abgelösten Crew) und, und, und. Habe mich verkrümelt... wollte eigentlich nach Vlissingen/Oostburg zu Adriaan van Landschoot (Radio Atlantis). Tja...
Noch eine Erinnerung ganz zum Schluss dieses Kapitels : Der Besuch bei Radio Geronimo Mitte 1970 - damals haben besagter Jürgen Durst (in seinem klapprigen Renault 5 - "gib Gas...!") und ich eine Fahrt nach London unternommen. War vor dem kurzen RNI-Engagement, zu dem ich später nochmal anreiste, ehrgeizig und versessen, wie ich damals eben war.
Neben einem Besuch bei der damailigen "Free Radio Campaign" (die letztendlich glaubhaftere Freies-Radio-Bewegung, die FRA wollte eigentlich nur ihre Shirts & Badges verkaufen...) stand auch Geronimo "Europe's only progressive and legal musicstation" auf dem Programm.
FRC : Dort verbrachten wir eine nette Zeit mit dem Bekleben von RNI-Stickern. Da RNI damals dauernd seine Mittelwellenfrequenz änderte (1241 -1386 -1376 -1395 usw. usw.), wurde schon gewitzelt, den Bereich mit der Frequenz auf dem Sticker einfach freizuhalten.
Und "Geronimo" war 1970 - neben Capital,Veronica und RNI - sozusagen der vierte Pirat. Der mit angemieteter Sendezeit und viel Hippie- und Rockmusik nachts nach Mitternacht auf "2-0-5" über Radio Monte Carlo hereinkam. Aber eben legal und mit vorproduzierten Programmen.
Ein Besuch stand an - war ein Haus mitten im Zentrum von London. Ging über einen Hintereingang einige Stockwerke und eine wacklige Holztreppe hoch. Und dann standen wir im "Studio" - Kissen, Plüsch, überall waberten Joints... Werden wir nicht vergessen. Auch hier: Die Welt ist klein. Einige der Mannen dort haben später bei Caroline abends Programm unter dem Namen "Radio Seagull" gemacht - Barry Everitt zum Beispiel. Für alle, die es nicht wissen: In der zweiten Caroline-Phase ab 1972/73 gab es einige Monate, in der der Name "Caroline" nicht mehr auftauchte. Sondern aufgrund der neuen Ausrichtung als "LP- & Rockstation" unter dem Namen "Radio Seagull" gesendet wurde. Die heutige holländische Station gleichen Namens zollt diesem kurzen Radioevent mit (meiner Meinung) sehr guter Musik Tribut. Reinhören lohnt sich.
Das war alles Nennenswerte bis so circa Ende 1973.
Tot ziens
Roger Kirk
release: jan 30, 2009 16:20PM
Kapitel 2
Hallo... wer kann sich erinnern? Noch zu meiner Friedberger Zeit habe ich einen Film unvergessen im Hinterkopf, den ich dort in dem damaligen "Skala"-Filmtheater sah. Der muss Anfang 1968 gelaufen sein und trug den Namen "Das ist 1968" oder "Das ist die Jugend 1968". War so eine Art Dokumentarfilm aus drei Teilen. Ausgerechnet die 68er....
Um was es in den beiden anderen Teilen ging - keine Ahnung, habe es vergessen. Aber der mittlere Teil war der für mich interessante: Radio Caroline wurde vorgestellt - als Rebell im Äther, the "one and only continuing voice of free radio", das South-Schiff (die Mi Amigo) in Großaufnahme, Boss Ronan O'Rahilly auf dem Tender stehend - vor dem Radioschiff. Hat mich mächtig bewegt. Wie Radiofans sicherlich wissen, wurden kurz darauf wegen ausstehender Befrachtungskosten beide Caroline-Sendeschiffe durch die Tenderfirma Wijsmüller aufgebracht (früher Morgen des 3. März) und Caroline verstummte bis Ende 1972... Ich habe vergeblich alles im Internet abgesucht, ob jemand diesen Film "konserviert" hat und durch welche Verleihfirma (vielleicht schon lange konkurs?) der Streifen angeboten wurde - alles vergeblich. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich der EINZIGE Zuschauer war, der sich daran erinnern kann??
Nun, damals... 1973/1974 arbeitete ich tagsüber (u.a.) bei der O.N.S. - der Obersten Nationalen Sportkommission (für den Automobilsport in Deutschland) am Baseler Platz in Frankfurt. Und nachts war ich ein recht bekannter DJ in Sachsenhausen in der dortigen "Tenne". Jeden Abend zwei Jahre lang brechend voll, schon beim Aufmachen der Tür... Waren ganz andere Zeiten (die "Tenne" wurde später durch einen Gast übernommen, nach Bergen-Enkheim transferiert und in das Sachsenhäuser Gebäude zog einer der ersten fast-food-Ableger ein.) Damals meine (zweite) große Liebe - eine gewisse "Christine", wie sie sich erst vorstellte. Dann gab sie sich als Helga M. zu erkennen, Lehrling bei den Farbwerken Höchst und vom Vater dahin geschickt, um im elterlichen Farbenbetrieb in Bad Kreuznach später eine Funktion zu übernehmen. Kein Wunder, nach DJ- und heftigen, kurzen Liebesnächten blieb verdammt wenig Zeit für meinen Tagesjob. Oft kam ich zu spät und wurde irgendwann auch mal deswegen gefeuert... War eben ein wildes Leben...
Roger und Helga
Zu meinen "Großtaten" bei der ONS gehörte, dass ich dem AC Melle damals den angemeldeten ADAC-Slalom untersagte, weil die Versicherung der Veranstaltung nicht vorlag. Der gute Veranstalter musste am Samstag (!) die Papiere besorgen und nach Frankfurt donnern, um mich dort gnädig zu stimmen und die Veranstaltung dann doch noch zuzulassen.
Volles Haus - Kirk am DJ-Pult
Und der Veranstaltungskalender, der meine Aufgabe war. Weiß nicht mehr, ob es der 73er oder 74er war, aber ich habe alles damals im Büro bis unter die Decke gestapelt gehabt, weil ich nur vor mich hin schnarchte... Dann rückte der Abgabetermin des Kalenders näher. Ich habe fünf Tage und Nächte inkl. Wochenende durchgemacht, Aufputschmittel (Koffeinpillen, nicht das andere... habe ich zeitlebens nie angerührt!) geschluckt, abends Disco, mit dem Taxi ins Büro, zurück und nochmal und noch ein Tag und, und, und. Am Montag morgen war das Ding tatsächlich fertig. Ich verabschiedete mich am Nachmittag etwas früher, um mal auszuschlafen - und wachte tatsächlich rechtzeitig früh um 8 Uhr wieder auf. Aber nicht am Dienstag, sondern am Mittwoch... Glaube, das war mein letzter Arbeitstag dort.
Tja, 1974 kam das Ende der holländischen Ausgabe der "Beatflotte". Erinnere mich noch genau, wie ich nachts nach der Disco mit einem Kassettenrecorder ganz gezielt Radio Altlantis aufnahm und die trotz des schwachen Signals auf ihren ständig wechselnden Frequenzen wiederfand. Kurz vor Ende war Atlantis auf 1322 (vormals SRE), 1331 und 962 kHz (dem späteren "3-1-9" von Caroline in den 80er Jahren) sowie "off" auf 1317 kHz zu hören... In Nordeuropa unbemerkt - Atlantis wurde von der RAI auf 1322 "gejammt", weil durch die unsauber abgestimmte Frequenz deren Dienst gestört wurde, trotz maximal nur 5 Kilowatt Sendeleistung! Jamming war nur bei RNI 1970 vor der britischen Küste passiert. Und nur RNI (und Radio Antwerp 1962) waren mal auf Kurzwelle zu hören gewesen - jetzt auch Atlantis auf 6225 kHz. Vielleicht bin ich der einzige, der sich daran noch erinnert...
Leider, leider sind diese Mitschnitte auf Cassettenrecorder (damals gab's nichts anderes...) verschollen und verschwunden. An einige kann ich mich noch genau erinnern - beim späteren Abhören stellte ich fest, dass sie teilweise zu schnell oder zu langsam liefen, weil die Batterien während der Aufnahme "in die Knie" gingen.
Die Ankündigung von Atlantis, "legal" weiter zu machen, erfüllte sich nicht. Es gab einen geheimen Aufbau in einem der britischen Forts (die sowieso umstritten waren, wie weit stehen sie auf britischem Seegrund, wie weit reicht dort die 3-Meilenzone usw.) und es blieb bei einer oder zwei Testsendungen NACH dem 31. August 1974 (dem letzten Tag der "holländischen" Piratensender). Dann wurde das Fort von britischen Behörden in Abwesenheit der Atlantis-Crew ausgeräumt und das war's dann.
Ich stand vor einem Scheideweg. FRA nix mehr, Piratensender "off", Disco Schnauze voll. Fast hätte ich mit Helga in Bad Kreuznach ein "bürgerliches Leben" angefangen. Es kam alles anders - sie hatte plötzlich einen anderen Freund. Wie das Leben so spielt, ich passte da wohl nicht rein. Es hat mich tatsächlich einige graue Haare gekostet. Trotz meiner "Jugend".
Tja, so ab ca 1975 dann - notgedrungen - u.a. bei MGM-Fox (damals zusammen) tätig gewesen, direkt über dem damaligen Frankfurter MGM/Royal-Kino, was - damals - zur Creme de la Creme der Kinos zählte (Kinopolis, Cinemaxx usw. kamen erst Jahrzehnte später...). Und ab September 1974 dann nur noch Radio Mi Amigo tagsüber und Caroline abends auf - zunächst - "2-5-9" gehört. An zwei Songs erinnere ich mich noch genau : "Alle Porta De Sole" von Gigliola Cinquetti (Anfang 74) und "Yellow Sun Of Ecuador" von den holländischen Classics (1975), die damals bei Radio Mi Amigo und zwischen den "suzie-wafels"-Spots rauf und runter liefen.
In meinem Frust baute mir jemand einen ca. 5 Watt starken UKW-Sender, den ich aus dem Dachgeschoss meiner Kemenate in der Berger Strasse in Frankfurt in Betrieb nahm. Mit einer holländischen Adresse: Randenbroekerweg 137b, Amersfoort... die Privatadresse eines holländischen Gastes der Disco, wo ich damals auflegte. Nachts bin ich rumgefahren, um die Reichweite zu testen. Deckte gerade mal den Stadtteil ab... Beim dritten oder vierten Versuch und "mit mehr Power" verdampfte dann das Ding.
Also auch vorbei.
Alle Kontakte starben ab. Weder hörte ich Radio, Mi Amigo kotzte mich programmlich mehr und mehr an, auch wenn ich darüber froh war, dass es überhaupt noch einen Piratensender gab. Caroline - mal wieder wie Ende 67/Anfang 68 - allein auf hoher See und nur abends mit einem rocklastigen Programm. Nicht so ganz mein Geschmack, aber immerhin. Das "Flying To The Sun, Sweet Caroline" von den New Riders Of Purple Sage (das Indikativ von Caroline in den 70er Jahren - "On My Way Back Home") werde ich auch nicht vergessen und habe ich heute noch im Ohr. Auch das DXen stellte ich ein, das Radio war in der Ecke. Ich lebte in den Tag hinein... Ein letzter Besuch bei meinem Freund aus Amersfoort (Name leider vergessen) brachte auch nichts erhebendes: trotz des RNI-Emblems auf dem PKW kamen wir nicht dicht genug an die Mebo 2 und die Mebo 1 (Angela) heran, bzw. wurden nicht auf die Werft gelassen - das Sendeschiff von RNI und deren Tender lagen dort seit 1974 im Hafen von Slikkerveer und sollten angeblich als "Radio Nova" vor Italien - schon lange - senden. Aus dieser Perspektive (auf der Hafenmauer gelegen und gelauert und Fotos gemacht) sah man erst, welche "Nuss-Schalen" eigentlich beide Schiffe waren. Tristesse also angesagt und überall...
So 1978/1979 kam ich nach diversen Mini-Jobs (überall mal 3-9 Monate gearbeitet, dann wieder nix...) auf Telefonverkauf. Erst sollte ich "wir rufen an im Auftrag der Deutschen Bundespost" Leuten einen Telefonklotz mit Anrufbeantworter und allem drum und dran aufquatschen. Wobei man einen Text eingehämmert bekam, den ablas und den "Kunden" schon mit der Begrüssung anlog. Mit der Bundespost hatte es nichts zu tun.
Dann kam Telefonverkauf: Warentermingeschäfte. Waren damals ungeheuer "in". Und konnte man richtig Kohle machen. Kunden "kalt" anrufen, behaupten, man hätte eine Info-Broschüre irgendwohin geschickt (was nicht der Fall war) und dann Optionen auf Kartoffeln, Schweinebäuche, Gold, Kupfer, Zinn oder Zuckerrohr anbieten - fallende oder steigende Kurse, schnurz.
Ich kannte "Kollegen" von anderen Firmen, die richtig in Geld schwammen auf Grund derer Provisionen (20% von durchscnittlich 10.000 DM eine Option, und mehrere am Tag verkauft, gab ein heftiges Sümmchen am Monatsende) und dann am Ende des Booms aus dem Fenster sprangen oder finanziell so abgestürzt sind, dass sie nie mehr hochkamen.
Denn : Es wurden überteuerte Optionen verkauft; 500-1000% Aufschlag auf den Börsenpreis waren keine Seltenheit. Der "Kunde" hatte auf Grund des Kursverlaufs eigentlich nie eine reelle Chance, in die Gewinnzone zu kommen. Sondern blieb eigentlich immer in der Verlustzone hängen oder erlitt einen Totalverlust. So zynisch es klingt : Mehr als das eingezahlte Geld konnte er nicht verlieren, das war der "Schutz" dieser Optionen.
Aber dann wurde "nachgeladen". Immer. Wenn der Kunde mal gewann, sowieso. Wenn er mit zwei oder drei Optionen vom Kurs her in den Miesen steckte, auch. Nochmal 10 Mille schicken für irgendwas... Hauptsache Umsatz, Hauptsache Provision...
Ich war da - zum Glück - sehr zurückhaltend und verkaufte nur Optionen, von denen ich auch überzeugt war. Soviel Umsatz und Provision kam bei mir nicht zusammen. Und ich wies jeden Kunden auf das Risiko hin, während andere Kollegen am Telefon behaupteten "Sie können gar nicht verlieren, Gold, Mann, es ist Gold!".
Mancher Kunde, der nach einem 45-Minuten-Gespräch breitgeklopft wurde und dann seinen Scheck doch nicht schickte, wurde spätestens mit der Aussage "dann kippen wir Ihnen in drei/sechs Monaten (Laufzeit der Option) den Keller voll mit Kupfer, Kartoffeln (oder sonstwas)...." weich. Der schickte dann tatsächlich seinen Scheck...
Aber ich kann mit Stolz behaupten, dass meine wenigen Kunden mit Zuckerrohr, Gold (damals ein gesteuerter Boom) sowie Kupfer (ein Dipl.-Ingenieur aus Karlstein in Bayern) tatsächlich Gewinne machten, der Bayer etwas um die 570%!!
Dann kam die Krise. Denn mehr und mehr "gelinkte" Kunden verklagten die Warenterminfirmen. Denn so um die 80-90% von denen gingen mit den verkauften Optionen erst gar nicht an die Börse, sondern behielten das Geld und zahlten aus dem angeschwollenen Kapital aus ("Stillhalteroptionen"). Oder - was sehr häufig leider vorkam - sammelten viele Anleger, hoben alles ab, und verschwanden spurlos. Das Büro leergeräumt, nur die Telefonstränge ragten noch aus der Wand... Mehr als einmal mit eigenen Augen gesehen!
Logischerweise waren dann mehr und mehr (seitenlange) Artikel über die falschen Warenterminhändler zu finden, die ungefragt alles anriefen und Telefonbücher abtelefonierten - besonders gern Ärzte, Apotheker, Gewerbetreibende... Und besonders gern Geschäfte mit Leuten machten, die da etwas "Schwarzgeld" angesammelt hatten. Ich erinnere mich an einen Apotheker aus Bad Kissingen, der mir bar 20.000 DM auf den Tisch das Hauses legte. Gegen eine nichtssagende Quittung und dem Versprechen, sein Geld im Börsenhandel mit einem fetten Gewinn "reinzuwaschen". Diese Idioten gibt es heute noch - aber das ist jetzt (von 2008 gerechnet) dreissig Jahre her.
Und zum Glück kann ich sagen, dass "meine" Firma tatsächlich "seriös" arbeitete und auch tatsächlich Optionen an der Börse kaufte und auch korrekt abrechnete - auch wenn die Option eben naturgemäss teurer war als an der Börse direkt. Das half aber alles nichts: Bildzeitung, Fernsehen, der "Spiegel" - alles war voll mit warnenden Artikeln über die Warentermin-Abzocker.
So ging es auch mit "meiner" Firma bergab. So sehr, dass der eine Betreiber sich in die USA absetzte und ich von dem anderen Inhaber die Firma für "Appel & Ei" überschrieben bekam. Vielleicht hätte ich sogar durchgehalten und überlebt mit meinen wenigen (zufriedenen) Kunden. Aber eines Tages tauchte die Deutsche Bundespost bei mir auf und verlangte Geld. Neue Firma (auf mich registriert) hin oder her, aber die Anschlüsse waren gleich geblieben. Und da die Warenterminverkäufer tagtäglich wie die Wilden überall in Deutschland herumtelefonierten und teilweise 20-40 Minuten am Stück einen "Kunden" bearbeiteten, kamen da Unsummen zusammen. Ein einzelner Anschluss hatte da lockere 120.000 DM (!) in einem Monat auf der Rechnung.
Plötzlich sah ich mich einer Forderung von 1,2 Millionen (oder sowas...) gegenüber - und da habe ich hingeworfen, mich abgemeldet und bin "untergetaucht". Offiziell wohnte ich damals in Belgien. Mehrere Monate war ich nicht auffindbar, ich kann mich erinnern, dass ich mal drei Nächte nacheinander in meinem damaligen Ford Capri schlief, weil auch keine Wohnung mehr, Strom abgestellt usw. Es war alles ziemlich düster und ohne Perspektive. Lief tagelang in demselben stinkenden Cashmere-Pulli herum, abgewetzte Jeans, nur noch irgendwelche no-name-Turnschuhe an den Füssen. Auweia. Und die Versicherung für den Ford Capri auch nicht gezahlt. Bloss nicht auffalllen...
Ein Mini-Job als no-name-DJ in Kelsterbach ("Panoptikum") brachte mich einigermassen wieder auf die Füsse, auch wenn ich am Schluß von dem holländischen (!) Betreiber (Mister Vanderwolk) dann selbst gelinkt wurde - dem ging es auch nicht gut. Ich ließ meinen "Verdienst" auflaufen, damit etwas übrig blieb für den Getränkeeinkauf. In der Hoffnung, dass beim Verkauf der Mini-Disco, der anstand, ich einen Batzen auf die Hand bekäme. Ich war der einzige, der leer ausging... Wieder nix.
Irgendwie wurde ich als DJ wiederbelebt. "Coupe76" in Bad Soden/Ts., "Tiffany" in Sachsenhausen und das "Quo Vadis" in Mühlheim (am Main) wurden drei bekannte Stationen, wo ich auflegte. Und - siehe da - mein Name (wieder) recht bekannt wurde. Mein mir nachgesagtes Faible für gute Musik und gute Zusammenstellungen zeigte Erfolg. Vor dem Quo Vadis drängelten sich Autos mit Friedberger, Fuldaer, Büdinger und Frankfurter Kennzeichen - alles weiter weg... Auch Helga besuchte mich eines Tages und den einen Satz von ihr vergesse ich nie: "Du hast schon immer gute Musik gemacht". Es folgte ein Besuch bei ihr in München-Schwabing, wo sie damals wohnte,danach ein sehnsüchtiger Brief ohne Antwort, ...dann wieder aus den Augen verloren. Vergessen, vorbei. Scheisse, wie lange man einer tollen Frau nachhängen kann.
Ich wurde ein richtiges Arschloch... Habe damals gepoppt, was vor die Flinte kam (sorry). Und arrogant und überheblich. Mir kann keiner. Und so... alles wegen einem Mädchen. Aber, auf der anderen Seite, vielleicht wäre es mit "Victoria" dann nichts geworden - der Grund, weswegen wir überhaupt diese Internetseite haben und ich mich hier "ergiesse"...
So bekam ich dann irgendwie "Wind" davon, dass in Italien inzwischen eine recht lebhafte "private" Radioszene entstanden war, bzw. im Entstehen war. Und es gab erste Gerüchte, dass auch in Deutschland "bald" Privatradio zugelassen werde - nachdem es dies beispielsweise endlich in Großbritannien gab.
1979 belebte sich alles wieder... Radio Delmare von jenem Gerard van Dam mit den zwei bis drei Sendeperioden, gerade noch hörbar. Auch im September 1979, zusammen mit dem nach Unterbrechung zurückgekehrten Caroline: im April 79 war nach monatelangem Schweigen plötzlich Caroline wieder da ("fool if you think it's over" / Chris Rea - der Mann wurde durch Caroline dann zum Plattenstar!), tagsüber in holländisch, abends in englisch.
Das Schiff ein absolutes Wrack, aber per neuem Generator wiederbelebt. Sollte sich doch was tun? Mein Interesse an Radio wurde reaktiviert. Ich hörte in die Kurzwelle rein und "entdeckte" wochenends viele kleine Land-Piratensender, die dort ein, zwei oder drei Stunden dies, das und jenes ausstrahlten. Törnte mich alles nicht an, war aber interessant. Da gab es den (heute noch existierenden) "FRSH -Free Radio Service Holland" sowie auf 6910 kHz unterhalb des 40-mB-Amateurbandes aus Irland "Radio Dublin" und dort zeitweise (und auf anderen Frequenzen) auch mal ein "WMR - World Music Radio" zu hören. Klang alles hochinteressant.
Trotz "latenter Mittellosigkeit" hatte ich aber zum Glück, wie es meine Art eben war, neue Freunde gefunden. Und neue Einnahmequellen... Halb Frankfurt belieferte ich monatlich mit Musikkassetten, u.a. auch die Kette vom Friseursalon "Ochs". Und den grossen Meister lernte ich höchstpersönlich in seinem damaligen Salon im BfG-Hochhaus kennen. Und hielt Kontakt zu einem gewissen Peter "Caligula" Caligari, dem ich so circa 1977 das "Plattenauflegen" in einer Disco beigebracht hatte und der damals Friseurlehrling war. Von ihm werden wir bei Radio Victoria noch mehr hören.
Und ich bekam Kontakt zu einem der ersten führenden Videotheken und Videothekaren aus Frankfurt. Damals gab es fast keine Filme auf VHS, Beta oder Video 2000... irgendwelche japanischen Schundschinken waren schon eine echte Sensation. Welch' viel grössere Sensation, als ich plötzlich "unter der Hand" astreine (Erst-)Kopien von neuen Bondfilmen usw. bekam - geschah alles im Hinterzimmer dieser einen Videothek (deren Namen wir mal hier verschweigen...). Ich investierte in zwei Videorecorder (zum kopieren), kaufte dem Inhaber die Filme ab und rief frech Radiohändler und betuchte Privatleute an und belieferte 30 km rund um Frankfurt Woche für Woche jeden, der wollte, mit den Filmen. Tagelang war ich nur am kopieren und dann ging es auf die Piste.
80er-Outfit und Seiko am Handgelenk
Die Sache ist verjährt, deswegen kann man darüber schreiben... und viel blieb nun wirklich nicht hängen. Es reichte zum Leben. Und zu einer goldenen Seiko für'n knappen Tausender am Unterarm, die ich unbedingt haben wollte .Die "Ware" kam aus Berlin und aus dem Ruhrgebiet, von teilweise (echt kriminellen und im grossen Stil) operierenden Organisationen, die den Filmvorführern und den Kopierwerken die Filme für eine Nacht gegen Geld aus der Hand nahmen - und weitergaben. So stellte es sich heraus, als die Sache dann mehr oder mehr aufflog. Urheberrecht hin und her, Anfang der 80er Jahre war das offizielle Videoangebot in der Tat ein Witz und dürftig. Kein Wunder, dass man mit "Das Imperium schlägt zurück" - sechs Monate (!) vor Kinostart und deutsch synchronisiert, mächtig abräumte. Oder den drei Teilen von "Das Boot", die die Raubkopierer in der falschen Reihenfolge anlieferten.
Ich leistete mir Plattenspieler, Mischpult, ein kleines Cassettendeck, hörte wieder und vermehrt Radio. Es begann meine "schwarze Phase". Ich rannte als "Punker" durch die Gegend. Immer schwarze Jeans, immer schwarze T-Shirts oder Hemden, Nietengürtel.
Aber nur vom Outfit her, Punk mochte ich damals gar nicht. New Wave war aber gerade am Entstehen. Und das lief damals im Frankfurter "Cooky's", wo ich fast jede Nacht (!) als Stammgast zu finden war - zu einer Flasche Bacardi und einer Karaffe Cola langte es immer. Dann las ich eines Tages etwas von einem gewissen Dario Monferini aus Milano/Italien. Der habe eine Liste aller italienischer Privatsender. GEIL. Ich sah neue Chancen, hatte Radio plötzlich wieder im Hinterkopf. Aber wie?
Frech, selbstbewusst und entschlossen, wie ich war, wollte ich eben was versuchen - Deutschland sollte ja bald auch Privatradio bekommen, da konnte es nicht schaden, auch mal Präsenz zu zeigen. Oder?
Circa Anfang 1982 begann das alles mit einer zarten Kontaktaufnahme mit Radio Time in Florenz - ob sie Interesse an guter Popmusik und einem "internationalen" Programm hätten - denn die funkten irgendwie irgendwo auf Kurzwelle herum. Hatten sie und so entstand der "International Service of Radio Time". Mit "Time Has Come Today" von den Chamber Brothers (aus 1968) als Indikativ.
Und frech, wie ich war, bot ich es auch Radio Milano International an - es entstand ein wöchentliches 2-Stunden-Programm unter dem Namen "WMRI - World Music Radio International"... Kann mich noch an DX-Meldungen aus der damaligen Zeit erinnern, die herumrätselten, wer denn hinter dieser Station stecken könne - Milano testete damit auf einer Frequenz unterhalb des 31-m-Bandes... Und diese Sendung ging noch weiter: eine sizilianische Privatstation auf Mittelwelle (glaube, es war Radio Neptun), ein griechischer Privatsender aus Ierapetra/Kreta und sogar - damals - Radio Minuto (!) in Barcelona bekam diese Kassetten. Alles aus meiner Tasche finanziert, einfach so. Der mir im Gedächtnis verbliebene bekannteste Titel aus der Victoria-Vorphase war "December" (Hitmix) von den Waterboys.
Und nebenbei war ich eben "Capri-Fan". Fuhr den 2,3 Liter in Rot mit 109 PS und dann auch mal den 2,6 GT mit 125 PS, rundrum weiss und verspoilert, war schon ein echter Hammer. Nur konnte man bei Ford damals nach dem Tacho gehen, wann die Wasserpumpe oder ein Zahnrad verreckte. Bin nachts nur so zum Spass durch die Gegend gefahren, auf Autobahnraststätten eingekehrt und dann Vollgas zurück. Hat nur Benzin gekostet.
Dann war noch ein quietschgelber BMW 3.0 Si dabei, in der stärksten Version mit 205 PS. Und das war ein echter Donnerkeil, da hat es mich selbst bei 190 km/h nochmal richtig in den Sitz gepresst, als ich Gas gab. Unglaublich.
Nicht ohne Grund hat BMW damals bei diesem Typ die PS-Zahl reduziert, erst auf 200 und dann auf 195 PS... Ich hatte mir den stärksten Bolzen zugelegt und der litt unter Temperaturproblemen. Was mich den letzten Pfennig und zwei Zylinderkopfdichtungen sowie mehrere Pleuelstangen kostete. Seitdem bin ich von BMW geheilt...
Die Nächte im Cooky's: damals war Ralf Rainer Rygulla dort DJ (heute Inhaber 60311 in Ffm...), den ich mal eine Nacht vertreten durfte - übrigens sehr erfolgreich und mit mächtig Applaus am Ende. War stolz auf mich. Das Cooky's spielte - genau wie ich - damals eine recht elitäre Musikauswahl. Talking Heads, Marley, die frühen Depeche Mode, Visage, Gary Numan, Icehouse (die Gruppe sah ich dort auf einem "Aufwärm-Gig" live und kostenlos), Ultravox, Simple Minds...... aaaahhhhh. Endlich Musik! Neue Musik!
Also zusammengerechnet... Ende 1982, Anfang 1983 war meine Lage die, dass ich eigentlich nur (noch) von meinen Musikkassetten und den Raubkopierfilmchen lebte. Das ganze Geld ging aber für ständige Reparaturen am jeweiligen Auto, das Benzin für die Nachttrips und meine Flasche Bacardi im Cooky's drauf. Da gab es den unvergessenen steilen Zahn Elke hinter dem Tresen, der selbst in einer Band sang ("Nag-Nag-Nag"). Und Hauenstein (alias Supermax), der ab und zu reinschaute. Oder der Drummer von Trio sass am Tresen oder Steve Forbert war plötzlich ein Gast von vielen (hatte damals mit "Romeo's Tune" einen Hit)... Alles traf sich im Cooky's, es wurde mächtig gesiebt an der Tür. Ich war (noch) als DJ bekannt und kam immer rein. Unvergessen die wilden Nächte - alles traf sich nach 4 Uhr "nebenan" im "Wiener Wald" und frass halbe Hähnchen...
Und das Geld ging für Platten drauf. Ich war immer gut sortiert. Und wurde auch von Plattenfirmen bemustert, allen voran die (damalige) CBS sowie Ariola und Teldec. So war ein Grundstock gelegt.
Und unten in der Bahnhofsebene (Ffm Hauptbahnhof) gab es mit "City Music" ein Plattengeschäft von einem früheren Freund von mir, dem ich einst so ca. 73/74 als DJ in der Sachsenhäuser "Tenne" angelernt hatte (die Welt ist eben klein) Bei City Music trieb ich mich öfters zwecks Einkauf herum. Ein gewisser Andreas Tomalla dort hinter dem Tresen, elektronikbesessen - und er wusste von meiner Radioleidenschaft.
Kann mich erinnern, dass ich ihm eine Kassette mit Kurzwellengeräuschen und dem Homeservice von Radio Moskau brachte.
Fand sich alles wieder: auf seiner ersten eigenproduzierten (!) Platte unter dem Namen "Moskwa TV". Der Herr Tomalla ist heute vielen Leuten besser bekannt als Talla 2XLC...
Nur im Radio tat sich nichts - deutsches Privatradio nach wie vor nur eine Ankündigung. Nur SWF3 kam so einigermassen gut rüber... Ganz im Gegensatz zu den "Kollegen" von HR3... Ich war so richtig, richtig, richtig WÜTEND! Denn New Wave, Duran Duran oder mal Depeche Mode fand damals auf deren Wellen einfach nicht statt. HR3 hat und hatte - bis in die heutige Zeit - rocklastige und elitär denkende Musikredakteure. Man konnte damals (teilweise bis heute noch...) deutlich die Handschrift und Vorlieben gewisser Herren dort hören. 1980-1983 liefen eben dort die abgetakelten (sorry... haben gute Musik gemacht) Eagles und Steve Miller und ähnlicher rocklastiger Dauermüll. Gar nicht oder ganz, ganz selten und sehr verhalten mal New Wave. Einen Trend total verpennt...
Dafür aber wieder und immer wieder und wieder und nochmal "Crocodile Rock" von Elton John. Jahrelang. Zum Kotzen! Und nochmal... Und Selbstfahrerbetrieb: Fremdwort. Musikuhr, Einteilung nach current-recurrent-Deutschanteil, Musikformat : Fremdwort. Hatte ich alles bereits 1971 bei RNI gelernt und mitbekommen. Oder gar Radio London Big L, dem ersten europäischen Sender, der damals konsequent das "Top 40"-Format fuhr. Oder das easy listening-Format von Swinging Radio England 1966. HR3 lebte 1983 noch in der Zeit von vor 1966, was Formate, Musiksteuerung und Präsentation betraf. Unglaublich. Es war - damals meine Überzeugung - Zeit für Privatradio. Überreif! Hatte da was im Ohr...
(Allerdings - wie das ausging, dazu in einem späteren Kapitel mehr...)
Und Musikredakteure von HR3 machten bis vor kurzem auch bei HR1 das Programm - und da lief dann "How Long" (Original: ACE 1978, Sänger Paul Carrack) bis zum Erbrechen rauf und runter... HR1 ist derzeit (April 2008) hervorragend abgestimmt worden, bei HR3 unterliegt die "Stimmigkeit" dagegen starken Schwankungen. Da wird ohne Rücksicht auf Musikgenre und "passt aufeinander/nacheinander" einfach mit blinden Augen in irgendeinen Plattentopf gegriffen, geht es nahtlos von 1971 mit der nächsten Scheibe nach 2007 (das passt!) und, und, und. Und wer heute noch (selbst gehört!) um 5:30 Uhr im Morgenprogramm von "Pop und Weck" allen Ernstes mit "All Around My Hat" von Steeleye Span (1975) eröffnet, gehört eigentlich wortlos an die Wand gestellt... Oder Papiere und tschüss. *
Ganz nebenbei: Mit einem Programmleiter von HR3 führte ich zu Victoria-Zeiten direkt in der Bertramstrasse dreimal Geheimgespräche über Musikformate und wie man eine Zielgruppe erreicht - aber uns beiden war nach einigen Diskussionen sehr bald klar, dass das nicht mit der vorhandenen Mannschaft zu machen war. Man hätte, um meine Empfehlungen umzusetzen, die komplette Musikredaktion "entfernen" müssen. Hmmpppfff. Also kam es zu nix...
Tja, und dann kam jener denkwürdige Samstag, 17. September 1983, 9 Uhr morgens... eine "unabhängige deutschsprachige Kurzwellenmusikstation" namens "Radio Victoria" meldete sich zu Überraschung vieler KW-Hörer, aber auch zur Überraschung vieler kleiner Landpiraten-Schwarzfunker, die sich auch ab und an oberhalb des 49-mB-Bandes mit kleinem Signal tummelten...!
Und dieser Wahnsinnige dort, der in den ersten Stunden fast allein am Mikrofon sass, kündigte auch noch an, jeden Samstag und jeden Sonntag VIER (!) Stunden senden zu wollen. Um die Radiowelt mit seinem plötzlichen Projekt zu beglücken. Unfassbar. Und was hatte der WWDXC damit zu tun, dessen Adresse (Postfach) genannt wurde?
Fragen über Fragen...
Antworten in Kapitel 3. Freut Euch!
Euer Roger Kirk
* Beurteilung der hr-Wellen ist nicht mehr aktuell und entspricht dem Stand von April 2008. Hat sich einiges geändert seitdem.
Kapitel 3
Okay, Radio Victoria war / ist zurück im Äther - mit einigen Promotionsendungen vorher für die "grosse" Abschluss- und Jubiläumssendung am 21.09.2008. Warum erst jetzt, was war passiert? Bevor wir also beleuchten, wie es überhaupt zu Radio Victoria kam - dies:
Nach dem Ende von RV war ich dann - Monate später - endlich im bundesdeutschen Privatfunk tätig, den ich so herbeigeträumt hatte.
Nacheinander bei RPR in der Turmstrasse 8 in Ludwigshafen (damals noch auf nur drei Frequenzen in Koblenz, Mainz und Mannheim), dann bei der Welle Untermain in Aschaffenburg (der Tochter der lokalen Tageszeitung Main-Echo, dort mit Abstand die bekannteste Stimme im Äther), danach in der Planungsphase von Radio Ton (Bad Mergentheim) involviert, dann Schwarzwald Radio in Freiburg (dortige Großtat : In der Medienanalyse Frühjahr 1990: den Sender von 98.000 auf 134.000 Hörer "gestern" gebracht!) sowie später Antenne 1 Stuttgart, eine Gastsendung (Liveübertragung) bei Ruhrwelle Bochum und in der Planungsphase von Welle "T" (Thüringen) in Erfurt tätig gewesen. Abgesehen von dem letztendlich erfolglosen Versuch, eine "eigene" nichtkommerzielle Lokalstation namens "Radio Ko(h)libri" (1996/1997 ca. 2 Wochen Sendungen) zu etablieren, dann nicht mehr im Radio tätig gewesen.
Medientechnisch gesehen habe ich mich seit den 90er Jahren mit Printmedien beschäftigt - einige Hörer hatten aber sporadisch doch Kontakt zu mir. Und bedrängten mich immer wieder mal etwas "zu machen" - 1993, 2003 usw...
Das zwanzigjährige Jubiläum habe ich verpennt, auch aus technischen Gründen . Seitdem baue ich erst eine Musiksammlung auf, aus den gehorteten Schätzen meiner Privatsammlung und langem Suchen - derzeit ca 40.000 (!) Titel als mp3 vorhanden, fein säuberlich mit allen Daten versehen (Erscheinungsjahr/Monat) und nach Jahrzehnten sowie Musikgenres geordnet.
Damals arbeitete man mit Mischpult, Plattenspielern und Cassettendecks, heute mit mp3-Dateien, virtuellen Mischpulten und brennt alles auf DVD/CD. Diese technischen Voraussetzungen waren bei mir 2003 nur begrenzt gegeben.
Also 2008 zum 25jährigen... letzte Chance. Schließlich ist es 25 Jahre später (!). Eine ganze Generation und bevor wir alle wegsterben: wenn nicht jetzt, dann nie. Hat mich hunderte von Stunden gekostet, alles zusammen zu tragen und auszuwerten. Viel Spaß...
Heute? Mein Moderationsstil hat sich geändert. Ich setze auf Musik, Musik, Musik. Solche Musik, die ich für gut erachte und die (mal wieder!!) andere nicht spielen. Also nicht Gequatsche um des Gequatsches willen (wenn mir nochmal so etwas wie die Michelle über den Weg läuft, dann sicherlich auch gern mal wieder eine lustige Doppelmoderation), sondern heute eher ein nahtloser Musikteppich und emotionslose Ansagen - so wie damals bei dem zurückgekehrten Caroline ab 1983... Und die Zeilen mögen verraten, dass ich meinen Wiedereinstieg ins "Radio" gefunden habe. Es hat Gründe, weswegen ich nicht mehr "als Mitarbeiter bei einer Station" oder gar als der "Inhaber/Macher" (wie bei Radio Victoria oder Radio Ko(h)libri), sondern derzeit als Produzent und Präsentator von einem syndicated program mit Spezialmusik tätig bin (New Wave, New Romantic bis heute, EBM, dream-wave, dark wave, techno-trance, garniert mit Oldies, Italo-Pop, Pop und Softrock).
Da werden wir uns vielleicht "wiederhören". Irgendwo, irgendwie auf einer Frequenz.
Für Radio Victoria aber war es das. So ein Projekt kann man nicht wiederbeleben, war zuviel Arbeit, zuviel Sch(w)eiss und überhaupt... die Zeiten sind andere geworden.
Wie begann also alles, damals im Sommer 1983?
Ich hatte in drei Plattenspieler, ein Mischpult mit Equalizer, zwei Mikrofone und Kopfhörer, einem Billigcassettenrecorder (zum Zuspielen der auf Kassette gespeicherten "Jingles") sowie ein aufwendiges, hochwertiges Doppelcassettendeck mit Kopierfunktion (Einzelaussteuerung der Signale, Umschaltung auf Metall/Chrom, bias-Nachregelung, V-Meter) investiert. Damals, mehr gab die Situation nicht her, in einer Ecke eines möblierten Zimmers von knapp 20qm: das war das eigentlich nicht vorzeigbare "Studio" von Radio Victoria...!
Von da aus liefen bereits die Produktionen für Milano und Radio Time (Florenz). Und nach längerem "Reinhören" in die Kurzwelle und die dortige Hobbypiratenszene fand ich eigentlich nichts, was mich antörnte oder besser: auch EIN ZIEL hatte. Jeder wurstelte vor sich hin, machte mal sporadisch eine Sendung mit seinen sechs oder sieben Lieblingsscheiben und wartete auf Zuschriften, um seine eigenen QSL-Karten zu verschicken. Das konnte es ja nicht gewesen sein - jetzt, wo sich Privatradio in Deutschland irgendwo am Horizont abzeichnete. Da beeindruckten mich die italienischen Sender schon viel mehr, auch die vielen irischen Stationen, die man ab und an nachts auf Mittelwelle hörte, oder so Sachen wie WMR oder Radio Dublin auf Kurzwelle... Da steckte ein Konzept dahinter!
Finanzierung? Ich hatte da Kontakt zu einer kleineren Werbeagentur in Mühlheim (am Main), die mir einige Tips gaben. Zunächst mal das "Markenhandbuch" besorgen und die Firmen bzw. deren beauftragte Werbeagenturen anschreiben. "Zigaretten" und "Alkohol" standen da ganz oben auf der Liste der potentiellen Kunden. Zwar waren alle begeistert - erstes Privatradio in Deutschland?? Aber nur Kurzwelle, da wollte man doch vielleicht erst mal abwarten. Außerdem waren - wie branchenüblich - die Etats für 1983 bereits ein Jahr vorher vergeben worden... Also nicht entmutigen lassen und bis 1984 durchstehen. Und bald in den Äther kommen, bevor jemand anders die Idee wegschnappt.
Nach Geheimverhandlungen mit Dario Monferini in Italien, den ich regelmässig abends anrief, entstand der Plan, auch für die kommerzielle Verwertung des Kurzwellensenders von Radio Milano etwas zu tun: ein regelmässiges Programm als Untermieter auszustrahlen. Man kannte meine "Qualität" bereits von den WMRI-Testprogrammen, die vorher als "Teaser" liefen. Und war einverstanden. Es wurde ein Preis ausgemacht und ein Starttermin festgelegt.
Aber: ich war ALLEIN auf weiter Flur. Von Anfang an waren zweimal jeweils vier Stunden angedacht, um den Anspruch "regelmässig" und "Programm" zu untermauern. Zu der Hobbypiratenszene hatte ich KEINEN Kontakt und das, was ich da hörte, befand ich nicht geeignet (!), um bei Radio Victoria Programm zu machen. Mit "DJs", die ins Mikrofon brüllten und einem im Jahr 1983 "Black Betty" von Ram Jam und Kiss um die Ohren hauten, hatten meines Erachtens genau so den Trend verpennt wie die öffentlich-rechtlichen Popwellen und wollte ich nichts zu tun haben...
Also schaute ich mich in Frankfurt um: Bei meinen fast regelmässigen nächtlichen Besuchen im "Cooky's" fielen mir zwei süsse Schwestern auf - Denise und "Michelle" (sie hat einen anderen Vornamen...) - beide mit holländischem Nachnamen, was mich dann noch so ganz nebenbei faszinierte. Der Punker (der ich damals war), quatschte sie also an. Radio und so, einfach mitmachen, mit moderieren. Michelle sah nicht nur verdammt gut aus, hatte auch Ahnung von (guter) Musik, eine gute Stimme und war letztendlich einverstanden. Nur zum Sendestart war sie noch nicht verfügbar.
Blieb noch Pieter Caligula, jener Friseurlehrling, der abends bei mir in der Disco auch mal auflegt hatte und zumindest gute Musik mochte und sammelte. Und Michael Bethge, den ich wegen Adresse (des Senders) und DX-Nachrichten anging - man kannte sich ja noch seit 1969 oder so... Eine Kombination WWDXC/Radio Victoria hielt ich für gut und würde beiden Publicity bringen.
Dann die Suche nach einem Namen... von Beginn an wollte ich etwas "weibliches" haben - so wie Caroline oder Veronica. Da blieb nicht viel. Eleonore von den Turtles, das ich 1974 für meinen UKW-Piratensender benutzt hatte (dessen Endstufe wegen nicht angepasster Antenne dann verglühte)?
Ich sichtete meine Plattensammlung... "Victoria"! Ein kleinerer Hit der "Kinks" (die ich sehr mochte) aus dem Frühjahr 1970, warum nicht?
Die Kinks lieferten zudem noch ein Indikativ : Das der "Partyline", einem unserer Programme - ein fast vergessener Hit aus 1967...
Den Namen hatten wir also. Und "Victoria" stand ja auch irgendwie für "Sieg". Frei interpretiert - Radio Victoria bekommt eine Lizenz, siegt über das öffentlich-rechtliche Radiosystem oder was auch immer... noch etwas konfuse Vorstellungen. Vielleicht wären wir sogar so erfolgreich, dass wir als Alternative - nur auf Kurzwelle - auch überleben könnten?
Kurzwelle, warum nicht ? Damals wurde sogar versucht, die Kurzwelle salonfähig zu machen. Siehe der Versuch von Wolfgang Scheunemann, mit "wwh - weltweit hören" sogar kommerziell durch Abos und am Kiosk eine Fachzeitschrift für solche Hörer zu etablieren. Mit ihm verband uns eine (weitere) Freundschaft und wir bekamen auch von dort später viel Unterstützung. Michelle und ich besuchten ihn einmal in Köln, wo er sein Büro hatte und redeten über neue Pläne von Victoria und die Kurzwellenszene... (dazu später mehr).
Das Equipment stand, es wurden Billigsticker gedruckt und T-Shirts. Dazu eine kräftige Anleihe bei dem Mann von der Videothek, wo ich damals die "Raubkopien" abholte (verjährt...). Sonst wäre Radio Victoria nicht in den Äther gekommen, zu allem reichte das Geld eben nicht. Die Investition fliess durch die (wenigen) Einnahmen durch den Hörerfanclub und die verkauften Sticker und Shirts dann einigermassen zurück. So um die 800 DM dürften heute noch offen sein... verjährt. Und mit einer auf Zeitungspapier gedruckten neuen Musikzeitschrift namens "music news", die ich zufällig am Kiosk fand, schloß ich gleich ein Abkommen ab: sie waren einverstanden, unsere "Super 20" und die "Tip-Parade" abzudrucken samt Frequenz und Sendezeit - und wir machten in Spots umgekehrt Werbung für "music news". Das dürfte genug Publicity vom Start weg geben...
Insofern alles gut vorbereitet und durchdacht. KÖNNTE WAS WERDEN. SOGAR ERFOLGREICH WAR "DRIN".
Nur ich war dann ungeduldig, wollte nicht länger warten. Stimmen hin oder her, erstmal Musik. Nicht nur die trendsetting, sondern auch Oldies (als Musikfachmann, langjähriger DJ und Sammler kannte ich mich da recht gut aus) in der "Pophistory" und DX- und Free Radio-News, das würde am Anfang reichen...
Dann kam der denkwürdige Tag - die Sendungen wurden circa 14 Tage vorher produziert und auf dem Postweg nach Milano geschickt, an die Studioadresse von Radio Milano International direkt.
Und dann kam der Samstag, 9:00 Uhr, 17. September 1983, 7295 kHz.
Und da sass anscheinend so ein Irrer vorm Mikrofon und sprach von abgedruckten Charts, hatte eine Super 20 parat, sprach von regelmässigen Sendungen (!), jeden Samstag und Sonntag (!) vier Stunden und hatte auch gleich Sticker und T-Shirts und einen Hörerfanclub im Angebot. Volle Breitseite eben.
Trotz aller Unzulänglichkeiten: Es schlug ein wie eine Bombe. Bei aller berechtigten und unberechtigten Kritik - da war plötzlich WAS GANZ ANDERES im Äther. Und in den kommenden Wochen besonders von vielen Hobbypiratensender-Machern recht angefeindet, war der gute Roger Kirk doch in dieser Szene nicht verwurzelt (die Piratenfunker kannten sich alle untereinander und mit richtigem Namen...). Mit keinem von denen hatte ich Kontakt (und wollte es auch nicht). Die wurstelten da vor sich hin und machten ihren jeweiligen Ego-Trip im Äther. Und feierten sich gegenseitig. Kindisch, infantil, ohne Ziel und Perspektive. Da kam es dann unweigerlich zu einigen Verwerfungen zwischen Victoria und dem "Rest der Szene". Und ich betonte immer, dass Victoria legal sei und keine Hobbypiratenstation, wenn auch mit Sympathien für die Szene und besonders zu den schmerzlich vermissten Offshore-Sendern.
Aber gerade eben war nach drei Jahren Schweigen Radio Caroline mit einem neuen Schiff zurückgekommen, mit sattem Signal auf Mittelwelle, einem riesigen Antennenmast auf der "Ross Revenge". Ronan O'Rahilly hatte es doch tatsächlich wieder geschafft. Ich hatte "am Rande" und zur Verschwiegenheit verdonnert, die Anfänge im spanischen Hafen von Santander mitbekommen, die Streitigkeiten unter den amerikanischen Investoren (ergab später Laser 558) und glaubte schon gar nicht mehr daran. Ostern 1983 als letzter Starttermin war verstrichen... Aber Caroline auf 963 kHz ("3-1-9") war da. Einen Monat vor uns. Und auch die "Voice of Peace" vor Israel (dem bis dahin einzig verbliebenen Offshore-Sender) war plötzlich auf Kurzwelle zu hören - 6240 kHz.Und auch Victoria...viel, viel kleiner und unbedeutender, aber auch irgendwie, irgendwo ein Zeichen im Äther. So wollte ich es verstanden wissen.
Victoria bis zu einem gewissen Grad sicherlich auch ein "Ego-Trip". Wollte ich mir selbst da ein Denkmal setzen oder so? Genau weiß ich es heute nicht mehr, sicherlich ein bißchen von allem...
Aber die Erfahrung zeigt, dass ein Radioprojekt ohne einen "Macher", der es von "hinten anschiebt", ohne Chance ist. Einer muss lenken, denken und die Fäden in der Hand haben. Im Falle Victoria war ich es, Victoria war meine Idee, mein "Kind", meine Initiative und mein Aushängeschild. Was auch immer...
Hätte es meinen Ehrgeiz nicht gegeben, wäre Radio Victoria nie in den Äther gekommen. So hiess es eben: Sich durchbeissen... und zurückschiessen.
Ich wollte das Ding durchziehen, war stink- und stocksauer auf HR3 und 90% der öffentlich-rechtlichen Sender und wollte "meine Alternative" in punkto MUSIK im Äther sehen und hören.
Binnen weniger Tage boten drei Leute ihre Mitarbeit an: Wolfgang Werner aus Frankfurt, den wir mit seiner "Rockoverture" einbauten, Horst Garbe (plus Kuh Elsa) aus Bonn (damals auch bei BNL, was wir nicht wussten), dem wir sonntagmorgens "Musik-Musik-Musik" gaben sowie Frank Herbers. Pieter Caligula lieferte total zerfaserte Moderationen ab, er konnte sich einfach nicht konzentrieren und war der berühmte Schluck Wasser in der Kurve - wir haben's trotzdem ausgestrahlt. Und am 29. Oktober endlich, endlich UNSERE MICHELLE.
Im Nachhinein sei gesagt, dass ich mir Radio Victoria ohne Michelle nicht vorstellen könnte. Sie war die heimliche Seele des Senders, bezauberte mit ihrer Stimme und die Doppelmoderationen von uns beiden waren nur köstlich. Beim Anhören der alten Mitschnitte lache ich heute noch Tränen... Es wimmelte von eindeutigen Zweideutigkeiten - aber nie unter der Gürtellinie!
Nebenbei bemerkt: auch in punkto Doppelmoderation war Victoria der Zeit voraus - siehe Horst Garbe, der seine fiktive Kuh Elsa mit einbaute, oder eben Michelle & Roger. Sowas war damals auch nicht bei den ARD-Stationen zu hören.
Ich war jedenfalls stolz, so ein Talent wie Michelle "entdeckt" zu haben. Und um allen Verdächtigungen vorzubeugen: Wir hatten nie etwas miteinander... Ich habe Michelle als "zweiten Mann" sozusagen überall mit eingebunden, aber eine tiefere Beziehung hätte dem Projekt geschadet (wie die Erfahrung allgemein zeigt). Ich habe sie aber genauso angehimmelt und geschmachtet wie eigentlich alle unsere Hörer. Da trafen schon richtige Liebesbriefe und Nachfragen nach Fotos usw. ein...
Es ging rasant aufwärts... Hörerfanclubmitglieder über hundert (das reichte zwar bei weitem nicht), Berichterstattung von "HörZu" bis über jedes DX- und Radiomagazin, aus Holland meldete sich "FRM - Free Radio Magazine" von Jos (denen ich regelmässig Artikel schrieb). Der Name Radio Victoria und mein Name waren plötzlich in aller Munde und bekannt. Jeder Sender hatte (auch später) mal mindestens irgendwie was davon gehört. Sagenhaft.
Auch Radio Time, wohl etwas "eifersüchtig" geworden durch die neue Kooperation mit Milano, meldete sich. Dort zählten die Programme des "International Service" (nachts auf UKW) zu den beliebtesten Programmen (ich muss mich auch mal loben...!) und man wollte mich nicht verlieren (!). (Diese Produktionen sowie die "Soundmixture"-Programme für den UKW-Service von Radio Milano International liefen auch noch nebenbei mit... jede Menge Arbeit).
Im Oktober/November 1983 war Victoria dann zusätzlich und parallel (wenn auch leicht zeitversetzt) via Radio Time/Florenz auf 7195 und 7105 kHz zu hören, sowie via Radio Milano International sogar - recht gut hörbar - auf Mittelwelle 1301 kHz. Victoria auf VIER Frequenzen gleichzeitig, das hatte es auch noch nie gegeben... Und via Milano wurde sogar noch auf Kurzwelle 9810kHz (31-m-Band) ausgestrahlt und getestet.
Die ersten Auseinandersetzungen und Konflikte gab es auch : In der Konkurrenz-Organisation "ADDX" (zur AGDX und dem dort vertretenen WWDXC) stand ein wenig netter Kommentar über einen "mittelmässigen Disc-Jockey, der um Geld bettelt", was in der Folgezeit zu Breitseiten von mir und einer tiefen innigen Hassliebe führte...
Und auch die Amateurfunker entgleisten: unsere Sendungen über 7105 kHz wurden - einmalig - massiv durch Träger und Zwischenrufe wie "was soll der Quatsch" gestört - obwohl wir nicht im Amateurfunkbereich sendeten (der damals bei 7099,9 kHz endete). Ein harscher Brief an den DARC (Deutschen Amateur Radio Club) auf diese unberechtigten Übergriffe wurde mit einem lapidaren Schreiben beantwortet, dass man von nichts wisse und es nicht glaube... Arschlöcher!
Hello again: Wolf Harranth und Roger Kirk bei der EDXC-Konferenz 2003
Nicht zu vergessen, Wolf Harranth vom DX-Programm von Radio Österreich International, der uns auch mit einer etwas süffisanten Berichterstattung begleitete. Ich wusste, dass er Kinderbuchautor war und zur Buchmesse in Frankfurt mit einem Stand anwesend... Ich also hin und direkt auf der Buchmesse ihm ein zehnminütiges Interview gegeben. Und überlegen, wie ich mich fühlte, dabei kräftig ausgeteilt. Harranth blieb etwas die Spucke weg und sicherlich hat er mich darauf in die Kategorie "was ein Irrer..." eingestuft. Vergeben, vergessen, vorbei. Beim EDXC-Treff 2003 in Königstein, wo ich eigens eingeladen wurde, traf ich ihn wieder - und die Stimmung war überaus freundlich. Man erinnerte sich alter Sünden und Aussagen und schmunzelte eben...
Tja, meine Breitseiten, mein Schreibstil und ich am Mikro, wenn es um Kritik ging : beim Lesen und Hören HEUTE mir überaus peinlich. Damals war ich eben überempfindlich und schlug zurück. Alles Idioten und Besserwisser. Hau drauf und Schluss... die meisten davon eben auch aus jener Hobbypiratenszene... die unter Hörerschwund litt. Viele Kurzwellenhörer und Popfans suchten eben nicht mehr die Kurzwelle ab, sondern schalteten gleich uns ein. Die Hobbypiraten sendeten vermehrt erst nach 13 Uhr... Und aus der ehemaligen DDR hatten wir hunderte von Fans, die uns auf Grund des guten Signals natürlich zuallererst hörten. Woche für Woche trafen fast waschkörbeweise Fanbriefe ein, die wir auch beantworteten. Was ein tiefes Loch ins Budget riss, denn die DDR-Hörer konnten bekanntlicherweise keine "IRCs" oder sonstiges Rückporto beilegen und waren permanent am Betteln wegen Stickern usw. Wir machten aber möglich, was möglich war.
Radio Victoria wurde von mir "fein justiert" - das Musikangebot mit etwas (besserem) Rock (Wolfgang Werner), den persönlichen Musikauswahlen der Gast-DJs, von denen wir plötzlich eine Menge hatten. Und konträr dazu UNSER Anspruch auf trendsetting music - mehrheitlich New Wave, New Romantic und so früh wie möglich auf unserem Plattenteller : In der Super 20, in der Tip-Parade, der Mittagsdiscothek, der Infoshow. So war die Balance gegeben. Und unser DX-Programm mit gezielten Infos und Mitschnitten über die Offshore-Sender (Laser 558 war nun auch vor der britischen Küste angekommen) und den anderen Hobbypiraten war bald überaus populär. Mit Radio Carousel aus Drogheda / Irland verband uns eine gewisse Freundschaft samt Programmaustausch und mit der neu gestarteten religiösen Privatstation KNLS Anchor Point aus Alaska, die auf Frequenzsuche waren (Sendungen in ukrainischer und russischer Sprache) hielten wir Kontakt und stimmten sogar Frequenzen miteinander ab... Unglaublich.
Apropos Frequenzen : in meinem möblierten Zimmer war kein Telefonanschluss. Damals gab es rote Telefonkarten bei der Bundespost zu kaufen, die man in das öffentliche Telefon reinsteckte und abtelefonierte (den Vorläufern unserer heutigen Prepaid-Karten für Handys). Solche kaufte ich regelmässig und fuhr zum Frankfurter Hauptbahnhof, um von dort Dario anzurufen und die neuesten Meldungen auszutauschen. Sonst hätten wir nie rechtzeitig erfahren, dass Milano auf 9810 (später auch 7145 und 7230) testet.
Und um nachzufragen, ob die Kassetten rechtzeitig eingetroffen wären. Es war immer ein Vabanque-Spiel - vierzehn (!) Tage vorher musste abgeschickt werden, entsprechend mussten alle zuliefernden DJs umdenken und sich die Daten der Sendung auch merken. Die Post war langsam, ein- oder zweimal kamen die Programme auch nicht rechtzeitig an und ein - in weiser Voraussicht - von mir vorproduziertes Ersatzprogramm mit nur Musik und sonst nichts musste ausgestrahlt werden.
Auf unserer Hauptfrequenz 7295, die ich ständig abhörte, war vor unserem Sendestart bis circa 8:30 Uhr Radio Free Europe aktiv. Oft liessen die einfach ihren Senderträger stehen, was unser Signal natürlich wegdrückte. Ich also in den Anfangstagen oft "aus dem Bett gefallen", zur nächsten Telefonzelle eine Strasse weiter und mich (am Wochenende...) mit der technischen Abteilung von RFE/RL in München verbinden lassen. Ich trieb sogar einen freundlichen US-Amerikaner auf... "would you please be so kind to switch off your carrier which is blocking our frequency...?" "There's no carrier, we're off"... "sure there is, I can hear it clearly."... "okay, I take a look".
Zurück in der "Kemenate" und reingehört - der Träger auf der Frequenz verschwand in der Tat. Die Zeremonie musste noch an einigen Wochenenden wiederholt werden ("oh, you again... what's your problem?"), aber dann hatten wir es einigermassen im Griff.
Überhaupt - wer da genau zuhörte, konnte u.a. auch russische (!) Panzerbesatzungen in USB miteinander kommunizieren hören. Nach dem bißchen, was ich verstehen konnte, offensichtlich auf Manöver irgendwo in der DDR... Nachmittags war plötzlich Radio Berlin International (DDR) bereits mit einem satten Träger - lange vor deren Programmstart - hörbar. Und, und, und. Im allgemeinen war die 7295 aber eine gute Frequenz, die Sendungen über Radio Time stellten wir bald wieder ein, weil deren Signal (abgesehen von der 7195) einfach zu schwach war und doppelte Kosten für Porto und Kassetten taten schon weh. Ich lag dauernd auf der Lauer, um gute, teure metallic 120-Minuten-Kassetten zu erwischen. Die 7195 von Radio Time störte zudem dann den RAI Due TV-Umsetzer auf dem Monte Mugello bei Florenz und musste eingestellt werden.
Die Kurzwellenaktivitäten von Radio Time, neben Milano dem einzigen relevanten Vertreter aus Italien auf Kurzwelle, kamen im übrigen von einem freien Mitarbeiter der Station: Stefano Manelli, der auch heute noch mit einer Station auf Kurzwelle aktiv ist.
Im Frühjahr hatte sich die Mitarbeiterzahl von Victoria sehr erhöht - und wir waren in aller Munde. Leute wie Volker Stenner, Roland Fischer, Bernd Schmellenkamp, Jürgen Poppe, Matthias Kropf, Thomas Lustig, Patrick Lynen (alias Tim Mix), Marcus Wöss, Herwig Macht verstärkten das Team und machten entweder Gast-DJ-Shows oder regelmässige Sendungen. Mit KNLS, Radio Carousel und der FRM aus Holland sowie wwh hielten wir engen Kontakt - und unsere Michelle war natürlich populär und beliebt.
Michelle sass dabei die ganze Zeit zwischen allen Stühlen. Zum einen bei einer Fluglinie schwer involviert und öfters mal kurz auf einem Trip nach Hawaii, Kairo oder Rom... als Freiflug, dann gesanglich (!) und moderativ : Ich hätte es gern gesehen, wenn sie später beim Privatfunk untergekommen wäre, Talent und Stimme hatte sie ja überaus reichlich.
Gesanglich? Ein gewisser Markus - bekannt noch von "Ich Will Spass, Ich Geb Gas" - war öfters Gast im Cooky's (und mit dem "besser etwas Deutschstämmiges aus dem Hintertaunus" in einer unserer Moderationen gemeint). Lang, etwas schlaksig, ich mochte ihn damals überhaupt nicht. Obwohl ausgerechnet sein "Ab Und Los" in unserer ersten Ausgabe der Super 20 sogar auf Platz 2 stand.
Ein paar Wochen später war aber - nachdem die Scheibe nicht so richtig lief - ein Karriereknick zu verzeichnen. Und vorher war die im gleichnamigen Kinofilm ("Gib Gas"...)von der Plattenfirma angedachte NDW-Liaison mit Nena auch nicht eingetreten - die hatte damals, was niemand wusste, den viel älteren Udo Lindenberg zum Freund. Und auf "Kleine Taschenlampe brenn" musste dann ein Mädel aus Rodgau im Duett mit ihm singen (hatte ich mal später bei der Welle Untermain in Aschaffenburg als Interviewgast).
Markus hatte damals weder Führerschein noch Auto und war auch noch Nichtraucher - die von mir sowieso als etwas abartige Menschen (damals) betrachtet wurden... (Michelle rauchte übrigens auch nicht). Die Zigarette auf der Hülle von "Gib Gas" hatte man ihm einfach ins Gesicht gesteckt, für's Coverfoto.
Nun, es wurden neue Wege gesucht - und da Michelle sowieso abends im Cooky's von allen umlagert wurde, blieb es nicht aus, dass die beiden sich auch kennenlernten. Und das war schon im September 1983 so, zum Sendestart. Man versuchte was Neues und damit bei der CBS zu landen: "Spionage" hiess die angedachte Band von Michelle & Markus im Duett, mit einigen überaus netten und interessanten Titeln (wir spielten mal exklusiv einen davon im Programm). Es gab sogar erste Auftritte in Discotheken (Idar-Oberstein).
Doch dann tauchte wenige Monate später ein gewisser Mark Jefferies an Markus' Seite auf, blondmähniger Brite, der damals in einem Edelbistro am Opernplatz kellnerte (!). Sah aber aus wie Nick Beggs von Kajagoogoo. Mit ihm zusammen wollte Markus nun ein anderes neues, englischsprachiges Projekt versuchen... Damals neigte sich die NDW dem Ende zu, und fast alle probierten sich dann mal auf Englisch - Hubert Kah, Robert Görl, Peter Schilling usw.
Das Ende vom Lied war, dass "T.X.T." entstand, und ich, etwas stinkig, deren eigentlich gute Scheibe "Girl's Got A Brand New Toy" vom Plattenteller verbannte. Später - beim ersten Sendeversuch von "meinem" Radio Ko(h)libri auf 94,2 MHz UKW im Raum Offenbach, war es dagegen fast die meistgespielte Scheibe im Programm. Die damals erschienene LP enthielt noch einige gute Titel, aber der Nachfolger "Cold As Ice" war bereits nur mittelprächtig in den Charts. Und Jefferies - so erzählte mir später jemand von der CBS - musste man dauernd ein Sauerstoffzelt nachschleppen, weil doch "etwas abhängig"... Zudem lief dann damals (so etwa Jahreswende 84/85) auch eine recht seltsame Promotionaktion für den Hit, die eigentlich aus Schmähungen und Warnungen á la "spielt die Platte von diesem Idioten nicht" per Post unterwegs war - sogar bei Radio Victoria im Postfach... Ich war überrascht, bei der CBS wusste man offiziell von nichts und man hatte u.a. sogar mich in Verdacht. Es war schon etwas undurchsichtig und seltsam und führte auch zu einer leichten Verstimmung zwischen Michelle und mir. Nun ja, auf der einen Seite hatte ich wirklich nichts mit den blöden Promobriefen zu tun und ganz andere Sorgen, Radio Victoria in der Luft zu halten, auf der anderen Seite mochte ich den Typ damals wirklich nicht. NDW spielte ich sehr gern, aber das waren dann Sachen von D.A.F, Joachim Witt, Ideal, Neonbabies oder auch Nena... Vielleicht war es jemand aus seiner ersten Band "Nyloneuter", die er damals wegen der NDW-Solokarriere verliess? Wir wissen es nicht und das Ereignis war auch nicht so bedeutend, um in die Geschichte einzugehen. Im Prinzip war Markus damals ein netter, etwas schüchterner und zu lang geratener Typ, der dann nach "T.X.T" einen der ersten Karaoke-Läden in Frankfurt aufmachte. Schwamm drüber.
Das Leben besteht eben nicht nur aus Freude, Friede, Eierkuchen...
Zurück zur Entwicklung von Radio Victoria: Im April gab es nochmal einen Ruck: Dieter Hermans von Radio Benelux (BNL) in Eupen/Ostbelgien meldete sich - ob wir nicht Lust hätten, unsere Programme dort auszustrahlen. Natürlich hatten wir. Was ich zum damaligen Zeitpunkt nicht wusste, war der Umstand, dass Hermans dem Besitzer der "Barraque Michel" (Sender und Studio von BNL) irgendwas versprochen hatte, um den Sender zu "übernehmen". Nachrichten über unzufriedene und ausgeschiedene Mitarbeiter erreichten uns zwar, aber wir standen da zwei Wahrheiten gegenüber und konnten aus der Distanz nicht beurteilen, was abging. Hermans nutzte im Prinzip unser Programm, um Sendelücken zu füllen. Und bekam im Gegenzug dann auch einmal im Monat Sendezeit mit einem vorproduzierten Programm über Kurzwelle.
Auch uns gegenüber war Hermans selbstsicher und überzeugend: man sprach von einer weiteren kommerziellen Verwertung - "BRAVO" plante damals, per Medien aktiv zu werden. Es wäre durchaus möglich gewesen, gegen "viel Geld" die Bravo-Charts zu produzieren, oder sogar einen gemeinsamen Sender "Radio Bravo" ins Leben zu rufen. Und, und, und... Ich war recht angetan, das war eine Möglichkeit! (Später entstand dann "Bravo TV").
Und die Zusammenarbeit mit BNL war dann doch nicht so schlecht. Sie brachte uns mehr als BNL die Kurzwelle; bis weit hinein nach Nordrhein-Westfalen waren wir zeitversetzt auf UKW (101,0 , später 103,3 MHz) jeden Montag und jeden Dienstag (ab 21 Uhr, entsprechend 9 Uhr morgens am Wochenende über Kurzwelle) dort im Äther zu hören. Und damit neue Fans... Zwar mehr Kosten und Arbeit für Kassetten, Porto und kopieren, aber warum nicht.
Die Zeit zwischen April und Ende Oktober 1984 darf man rückblickend als "Zenith" von Radio Victoria bezeichnen.
Viermal im Jahr erschien unser "Hörerfanclub-Fanzine", aus dem dann Anfang 1985 das Free Radio-Fanzine wurde. Was eine Arbeit! Jede Seite wurde auf einer Schreibmaschine heruntergehauen, fotokopierte (verkleinerte/vergrösserte) Illustrationen aufgeklebt, und dann die Seiten nebeneinanderliegend zusammengeklebt. Wehe, wenn man sich verrechnet hatte und die falsche Seite neben einer anderen lag - das galt dann auch für die Rückseite. Ich suchte mir einen Kopiershop irgendwo im Frankfurter Norden, der billig war. Dort vor Ort dann selbst alles verkleinert und auf die fertigen Kopien verkehrt herum reingelegt, dann die anderen Seiten draufkopiert. Und als alles fertig war, mit einem großen Klammeraffen die Klammern hereingehauen. Da ging ein halber Tag nur für den "Druck" drauf. Dann zig Umschläge selber beschriftet, zig Briefmarken abgeleckt und alles in den Briefkasten. War jedesmal eine wüste Arbeit. Mitglieder mehr als dreihundert...
Verkleckert übers Jahr doch so um die 6000 Mark Einnahme, das war schon was. Würde sich RV mit dem Konzept "Kurzwellenmusikstation" gar durchsetzen und überlebensfähig bleiben ? Ich kündigte zwar mehrmals an, nur bis Ende 85 senden zu wollen, die Weichen waren aber innerlich auf "weitermachen" gestellt, denn vom ersehnten Privatfunk in Deutschland war noch nichts zu hören. Nur reichte das Geld bei weitem nicht: der Druck verschlang so etwa 500 DM, das Porto für die Heftchen nochmals 1200 DM ingesamt, das Porto für die Kassetten (bzw. Transport, siehe unten) so um die 1000 DM, der Kauf der Kassetten ebenfalls über 1000 DM. Plus Sendermiete, da blieb nichts übrig... von wegen "um Geld betteln", bzw. "Taschen voll stopfen". Einige von der ADDX (besonders die...) konnten anscheinend nicht richtig rechnen.
Und die Post nach Milano... Damals wirklich unter aller Sau. Selbst 14 Tage Laufzeit für ein Mini-"Päckchen", immerhin teuer als "Brief" frankiert, waren oftmals nicht genug. Dario berichtete, dass die Dinger manchmal erst am Freitagabend vor der Sendung eintrafen...
Italien eben, das Land des liebenswürdigen Chaos. Ich suchte nach einer neuen Möglichkeit und fragte einfach mal LKW-Fahrer, ob die nicht einfach unser Päckchen mit Kassetten "so" mitnehmen dürften...? Sie verneinten, nannten mir aber den Namen einer besonders günstigen Spedition. Ein atemberaubend hübsche Sachbearbeiterin, ich war entzückt... und lieferte künftig meine Päckchen dort ab. Ganze zwanzig Mark kostete mich der Spass Woche für Woche, das konnte man noch verkraften.
Jetzt klappte es, wir konnten auch mal riskieren, nur 7 Tage vorher alles loszusenden. Nur mit Horst Garbe hatten wir Probleme, dass seine Bänder auch rechtzeitig bei uns waren, wir mussten öfters den "Fleck" auf der Kassette frei lassen und dann brutal hinterher aufspielen. Wir haben ihm dann mal in einem etwas geharnischt gehaltenen Brief vorgehalten, wie man richtig zurückrechnet, um das letztmögliche Datum seiner Abgabe zu berechnen... das hat er uns eigentlich bis heute nicht "verknust". Denn bei unserer - zufälligen - gemeinsamen Arbeit bei Schwarzwald Radio in Freiburg (1989/1990) herrschte zwischen uns eine etwas kühle Reserviertheit.
Aber Horst Garbe war es, der gekonnt den ersten (und einzigen) Hörerfanclubtreff in Bonn (ausgerechnet im örtlichen DARC-Clubhaus) arrangierte. Auf jeden Fall von Horst Garbe gut ausgeschildert fanden wir (Michelle und ich) mühelos den Weg in das Innere, wo Horst auch eine Discoanlage aufgebaut hatte (auf der dann dort sogar Sendungen produziert wurden, um zwei Wochen später am 11.11.84 ausgestrahlt zu werden). Plötzlich waren wir von auffallend vielen ex-BNL-Mitarbeitern umringt... was war los? Bei Radio Benelux hatte es wegen des Programms einen Aufstand gegeben und der Sender schwieg. Hermans war auch da, kündigte aber eine Fortsetzung an und hatte grosse Pläne. So wie er (immer) sprach, recht überzeugend. Auch von einem starken MW-Sender, den er irgendwo in einer Hütte stehen habe...
Mittelwelle war schon sehr interessant, hatten wir doch schon seit Monaten heftigen Brief- und Kassettenkontakt mit einem gewissen John England aus Texas. Der hatte uns (aus den USA!) gefunden und angeschrieben und berichtete von seinem Projekt "WRLI - Wonderful Radio London International", das als drittes Radioschiff vor die Themsemündung kommen wollte / sollte. Dort in Texas und über einen mexikanischen Mittelwellensender (XERF) und mit Programmen von Ben Toney (dem ersten Programmchef des legendären Radio London "Big L" Dez 1964-Aug 1967 vor England) wurde bereits ein Testprogramm ausgestrahlt. Wir berichteten, brachten Mitschnitte und verhandelten... Das Konzept war tatsächlich, durch viele Untermieter (und zwei Frequenzen auf Mittelwelle) sowohl einen Popsender als auch einen (oder mehrere) religiöse Anbieter aus dem amerikanischen "bible belt" die neue Offshore-Station in den Äther zu bringen (729 und 1566 kHz). Nun, gegen den erzkonservativen "bible belt" hatte ich etwas, denn meistens handelte es sich dabei um verzückte Einzelidioten, die ihre spezifischen Erfahrungen mit irgendwelchen Erscheinungen hatten und nun "bekehrt" im Äther um Spenden aufriefen. Aus dem Popsender sollte dann -zweiter Anlauf - eine Country-Station werden, auch nicht unser Geschmack. Und wenn, welche Frequenz? Viel war ja durch die vielen neuen BBC-Lokal- und ILR-Privatradiostationen nicht mehr übrig...
Wir entschieden uns für die eine "noch freie" 1566 kHz (192), einst von Veronica als Stammfrequenz bis Mitte 1972 benutzt (Achtung: neue Frequenz nach der Neujustierung der Mittelwelle auf ein einheitliches 9-kHz-Abstandsraster Ende der 70er Jahre - aus 1562 wurde 1566...).
Und wir sagten, ein kommerzielles Programm in Englisch/Deutsch NACH Sendeschluss - also ab etwa 20 Uhr - unter dem Namen "Radio Victoria" zu produzieren. Es wurden sogar schon erste Jingles hergestellt: in Erinnerung an meinen alten Brieffreund T.V.Shields von Radio Scotland als "swinging to you on one-nine-two, this is victoria". Nach RNI 1970 erstmals wieder ein Offshore-Sender mit deutschen (u.a.) Programmen, das war doch was!
Ich biss mir auf die Lippen - zum Glück - um nicht vorher etwas über den Äther zu verraten. Michelle war eingeweiht, aber von einem Leben an Bord eines Sendeschiffes nicht gerade begeistert. Beruhigte sich erst wieder, nachdem klar wurde, dass es sich dann doch wohl um vorproduzierte Sendungen handeln würde. Den Mann an Bord, der die Sachen in die Bandmaschine legte und die Sendermiete müsse man bezahlen. Alles klar also für Radio Victoria von 20:00 bis 02:00 Uhr auf 1562/192 metres...
Aber gewaltige Investitionen standen bevor: ein besseres Sendestudio musste wohl her, neue Behausung, Werbekunden... Und die Versorgung? Ich machte WRLI den Vorschlag, von der autonomen Insel Sark (im Ärmelkanal, neben Jersey, Guernsey) aus alles vorzunehmen - da gab es 1969/1970 bereits Versuche, von dort aus einen Offshoresender zu starten, von denen ich wusste. Die "Lady of Sark" war bekannt dafür, gegenüber der britischen Regierung ähnlich "resistent" zu sein wie die Isle-of-Man (wir erinnern uns: Caroline North vor der Isle-of-Man wurde erst 15 Tage nach dem 14. August 1967 "illegal", weil das Parlament der Insel sich weigerte, den Marine Broadcasting Offences Act anzunehmen).
Der Vorschlag wurde angenommen. Man würde einen Weg finden, unter der "Protektion" der Lady die Versorgung durchzuführen. Und das Sendeschiff sollte ein besonders hochseetüchtiger und breiter Trawler wie die Bevorratungsschiffe der Ölplattformen sein.
Insofern erschütterte es mich nicht weiter, dass wir ab November 1984 wieder auf der Kurzwelle allein waren, UKW war vorbei. Seltsamerweise bot uns kein anderer UKW-Sender aus Ostbelgien - wie Henri Radio z.B. - eine Mitarbeit an. Nun denn... sei es drum.
Dann kam ein Brief von Hermans mit einem Polaroid-Foto: Er bot uns einen 50-kW-Mittelwellensender an, voll durchstimmbar! Ob wir nicht Interesse hätten. 50 kW ? Das hatte Caroline auf der Ross Revenge auch, also gut geeignet. Die meisten offshore-Stationen hatten nie mehr als 10 kW im Einsatz und waren trotzdem gut hörbar. Ich betrachtete den grünen Klotz auf dem Foto - schon beeindruckend. Später stellte sich heraus, dass es nur der überdimensional alte und große UKW-Sender von BNL gewesen war, ein großes Trumm eben. War auf dem Foto aber nicht erkennbar.
Chefs unter sich: Kirk und Hermans(BNL). In der Mitte Michelle
Es löste bei mir ungeheure Aktivitäten aus. Ähnlich wie bei Caroline und WRLI musste da sicherlich ein Partner her - eine religiöse Organisation zum Beispiel. Denn bei WRLI kam man nicht vom Fleck, man sammelte Zusagen, um ein Programm zusammenzustoppeln, und offensichtlich auch Geld, das vorher zwecks Ankauf des Schiffs (die MV Sea Level oder später die "Four Freedoms") auf den Tisch gelegt werden sollte. Das hatten wir nicht, und es behagte mir auch nicht. Das Resultat wären zwar zwei Frequenzen und ein Programm aus vier Stunden dies, drei Stunden was anderes und vier Stunden jenem und viel "Religion" der sektiererischen Art gewesen ("Voice of Gospel"). Aber das "Wonderful Radio London" von damals (64-67) wäre wohl irgendwie auf der Strecke geblieben.
Aber jetzt der "eigene" Mittelwellensender. Ich vereinbarte mit Hermans ein Treff in Hotel Frankfurter Hof einige Wochen später, um alles zu bequatschen und unter Dach und Fach zu bringen.
Ich also aktiv... wer war damals bei RNI alles Werbekunde? Kent als Zigarettenfirma und "Kippenproduzenten" waren wegen der Werbeverbote auch potentielle Kunden. Vielleicht diesmal? Mittelwelle war ja attraktiver und besonders in England und Holland von der Beliebtheit her vor UKW (nur Skandinavien hatte sehr frühzeitig und direkt nach dem Ableben von Radio Mercur / Radio Nord auf UKW und die "dritten Programme" mit dem Popmusikersatz gesetzt. So kam die komplette Mannschaft von Radio Mercur dann bei Danmarks Radio 3 unter - und das war bereits Sommer 1962...).
Und da war noch IBERIA als Luftlinie. Damals auch Werbekunde bei RNI... Frech, wie ich war, rief ich an, erinnerte an alte Zeiten. Es war sogar Interesse da...! Mann oh Mann... Da braute sich was zusammen. Ich erwählte die Jungs von AWR (Adventist World Radio) als Partner. Deren Programm fand ich gut und hörte ich öfters - die hatten mit einem 10 kW-Kurzwellensender im italienischem Forli gerade begonnen und sendeten auf 7145 kHz. Also auf nach Darmstadt, in den Elfengrund, dort war der Sitz für Deutschland.
Ich war angenehm überrascht, wir sprachen nur englisch miteinander. Es gab - wie bei einer ganz normalen amerikanischen kommerziellen Station - einen richtigen Programmdirektor und ein "Format". Donnerwetter. Das Gespräch endete sehr freundlich, man wolle sich ernsthaft Gedanken machen, auch die Mittelwelle zu nutzen - gerade über einen "Seesender", mit dem durch die Wasseroberfläche verstärkten Signal was nicht zu verachten war...
Also wieder 1566 kHz und möglichst vor WRLI in den Äther kommen. Ich polte alle Vorbereitungen also um... Nächste Fahrt nach Holland, war das letzte Mal 1976 dort (und hatte die RNI-Schiffe im Hafen von Slikkerveer gesehen). Eine Wohltat, ich atmete wieder Luft... das "stickige" Deutschland mal hinter mich lassend. Und in Slikkerveer suchte ich nach einem Schiff (!).
Die "Gabrielle" hatte es mir angetan, zur Verschrottung freigegeben, aber mit Schornstein (!) und entsprechender Breite erschien sie mir als hochseetüchtig. Zwar eine Nuss-Schale, aber mit starken Motoren und mal als Schlepper eingesetzt. Allerdings :1901 bereits irgendwo in Brandenburg gebaut. Entsprechend rostig war das alles - aber hatte Radio Delmare nicht auch so angefangen damals?
25.000 Dutch Guilders war der Kaufpreis, die ich zwar nicht hatte, mich aber auch nicht umwarfen. Schon irgendwie durch Vorab-Werbevereinbarungen aufzutreiben... Man konnte sicherlich in Holland heimlich eine T-Antenne (wie Veronica und Laser 558) anbringen. Oder vielleicht sogar eine Langdrahtantenne mit Ballon, durch den diese in die Luft gehalten wurde und vielleicht sogar 150, 200 mtr in die Luft ragte - musste ein sattes Signal geben (wurde mal von der VoA-Relaisstation auf der MV Courier vor Griechenland erfolgreich ausprobiert, circa 1955, lange vor dem ersten europäischen Offshoresender... und wieder von Laser 730, den ersten Sendeversuchen auf diese Art. Dort waren die Ballons aber einfach weggeflogen... und wenn man dann den Sender nicht schnell genug abschaltete, flog dieser einem um die Ohren!).
Alternativ war für die Gabrielle auch ein sicherer Ankerplatz in der Nord-Adria angedacht; unweit von der (damals) jugoslawischen Isola De Rosoj, wo es 1969/70 einen Privatsender eines italienischen Kaufmanns hätte geben sollen. Frequenz wäre dann 773 kHz ("3-9-0") gewesen, mit Zielgebiet Südtirol, Österreich und Süddeutschland und in Anlehnung an das verhinderte RNI-Projekt "Radio Nova International".
Also Radio Victoria offshore - entweder als 4-Stunden-Programm nachts nach Sendeschluss der "Voice of Gospel" auf 1566 kHz/192 oder als 18-Stunden-Programm von der "MV Gabrielle" tagsüber, mit 1 Stunde Morgenprogramm und 4 Stunden Nachtprogramm von AWR auf 192... die Zukunft war rosig, ich voller Fantasien und Zuversicht. Ich hatte dicke Augen und Eier, eine stolzgeschwellte Brust und lief irgendwie gaga durch die Gegend... Spätestens dann würden die Freunde der ADDX sich schamhaft selbst auflösen und so mancher neidische Hobbypirat sich tief ein Loch buddeln und von oben zuscheissen lassen... (sorry). Dachte ich. Und behielt es diesmal für mich... Zum Glück, ich hätte mich bis auf die Knochen (und tiefer) blamiert.
Fast. Michelle und ich reisten zu Wolfgang Scheunemann nach Köln (wwh-weltweit hören) und weihten ihn ein. Der machte auch dicke Augen, schnappte nach Luft und versprach Unterstützung: "wwh" ging es gar nicht so gut, uns auch nicht, aber wir wollten "wwh" als Werbekunden gewinnen. Victoria offshore - Mann, das war doch was! Und hatte die Deutsche Welle nicht vielleicht noch irgendwo einen ausgedienten Kurzwellensender herumstehen, den wir auf der MV Gabrielle installieren könnten - um ihn dann an AWR unterzuvermieten? Hemmungen hatte ich keine und waren mir immer fremd. Und das deutsche, niederländische oder britische Antipiratensendergesetz war mir auch schnurz.
Das Ende vom Lied? Nun, weder kam WRLI noch der Herman'sche Mittelwellensender. Das avisierte Treffen im Frankfurter Hof platzte. Statt Hermans bekam ich am Empfang eine Depesche mit dem Inhalt "bin verhindert, Treffen irgendwann später". In der Folge blieben allerdings alle Briefe an ihn unbeantwortet und Hörer aus NRW teilten mir mit, dass Hermans fluchtartig irgendwo in der Versenkung verschwunden sei. Seine Adresse existierte nicht mehr, Hermans war offensichtlich auf der Flucht (und tauchte erst über ein Jahrzehnt plötzlich als Polizeiberichtschreiber irgendwo wieder auf)... Es war Ende November 1984 und tiefe Depression machte sich bei uns breit...
Immerhin, die Sendungen via 7295 liefen noch und regelmässig. Insofern trat ein "gewisser Trott" ein. Aus dem stationsgebundenen Hörerfanclub wurde nun (wiederbelebt) die "Free Radio Association Germany" mit zweimonatlichem Erscheinen. Ich hoffte damit an etwas mehr Einnahmen, mit einem Heft, das eben über Free Radio, erste Privatradios, Hobbypiraten, Clandestine und Offshore berichtete. Und wollte die Bindung an Victoria damit bewusst auflockern - Überlegung : Wenn die AGDX/ADDX so über tausend Abos hatten, würde mir das mit der FRA Germany sicher auch gelingen (blieb aber weit dahinter zurück...).
Dann die Legende der Seesender, die wir auf Kassette produzierten und ausstrahlten - und nie richtig fertig stellten. Ausserdem mit einigen Fehlern behaftet, wie ich erst hinterher feststellte.
(ANMERKUNG : Es gibt seit zwei, drei Jahren eine von mir richtig akkurat recherchierte und chronologisch aufgebaute Serie über Privat- und Piratenradio, beginnend mit 1929 (!). Diese Geschichte schlägt an Hintergrundinformationen und Zusammenhängen alles, was der geneigte Offshore-Fan gelesen hat. Versprochen... Allerdings schlummert das alles noch wegen - wiederum - Fehlerchen in einer Schublade. War mal als richtiges Buch geplant, werde ich aber bald kostenlos als gif.Datei(en) ins Internet stellen. Versprochen...)
Und dann war da noch Laser 558, im Mai 1984 in den Äther bekommen. Ich rief neben Dario in Milano sowie Time in Florenz auch öfters das MMI-Office in New York an und hatte Roy Lindau, bzw. eine seiner Sekretärinnen am Telefon. "USA today" berichtete groß über den "vollkommen legalen" Seesender, der mit rein amerikanischer Mannschaft und der Schiffsregistrierung in Panama also Radio Caroline Konkurrenz machte. Und es war wie damals 1964/1965: history repeated itself.
Wieder war es Caroline als Bahnbrecher für Free Radio und zuerst im Äther - und mit Laser 558 als "beliebterem" Konkurrenten (wie damals Radio London Big L) einige Monate später direkt daneben, und deren Top-40-Format. Und Top 40 erwies sich selbst im Jahr 1984 als so erfolgreich, dass - wiederum wiederholte sich die Geschichte - die gute, alte BBC dramatisch an Hörern verlor.
Die 80er Jahre waren in vielen Punkten nichts anderes als eine Neuauflage der revolutionären 60er Jahre, auch in puncto Musik. Die "music explosion" von 1964 war 1984 eben New Wave, New Romantic...
Wir vereinbarten eine "Zusammenarbeit". Ich betrieb Monitoring für Laser 558 (deren Hörbarkeit auf Mittelwelle war in Deutschland doch etwas durch den Deutschlandfunk "nebenan" auf 549 kHz in Mitleidenschaft gezogen). Vielleicht kämen via 558 dann mal einige nette Erwähnungen der independent shortwave musicstation victoria... Das ging wochenlang so. Bis ich Ende Januar 1985 dann statt Roy Lindau einen gewissen John Moss an der Strippe hatte. Wollte gerade loslegen und mich auch mal beschweren, weil keiner der US-DJs mal den Namen "Victoria" hatte fallen lassen, da kam von John Moss, der nicht durchblickte, warum ich anrief, die bedeutsame Frage zurück: " ...so, what do you want. Money ?"
Mir verschlug es den Atem. Und ganz plötzlich war mir klar, Laser 558 ging es auch nicht so gut, wie sie immer vorgaben (über Konflikte und Probleme hinter den Kulissen haben die Offshore-Stationen eigentlich nie etwas herausgelassen, wen man auch fragte, es war immer "alles okay". Auch wenn man als "Insider" allgemein wusste, dass man beispielsweise von O'Rahilly nie, nie, nie einen Scheck akzeptieren solle, sondern immer nur "cash". Und Laser 558 wurde so langsam pro Bevorratung durch eine holländische Organisation namens - zufällig? - auch "MMI - Music Media Internationa" von "hinten" aufgefressen. Denn bei jeder (unbezahlten) Bevorratung erhöhte sich (statt Geld) der Anteil an der Deka Overseas Ltd., die das Sendeschiff MV Communicator besass. Wusste damals aber offiziell niemand).
Wir wurstelten bis in den Sommer 1985 weiter. Plötzlich waren wir ohne Vorwarnung über Radio Milano International nicht mehr zu hören. Warum? Gerade eben hatten wir doch die letzte Rate spät, aber immerhin geschickt! War ein Brief samt Geld verloren gegangen?
Ein besorgter Anruf bei Dario.... und der erzählte uns, dass unsere Sendungen zwar immer rechtzeitig ankamen, aber Stationschef Angelo Borra (oder sein Bruder) mussten jedesmal eigens zur italienischen Spedition fahren, um die Kassetten dort abzuholen (!). Und dort - EWG hin oder her - wurde das kleine Päckchen wie ein Staatsgeheimnis behandelt, begutachtet und bewertet. Kassetten, "ncv-no commercial value"...?? Konnte es ja gar nicht geben. Und so musste Milano jedesmal zusätzlich so um die 60 Mark (!) für Zoll berappen - was wir nicht wussten und uns niemand bis dahin gesagt hatte. So war plötzlich eine Summe von etwa 2200 DM (!) aufgelaufen, die Herr Borra berechtigterweise erst mal haben wollte, bevor er den Spass mit Victoria fortsetzte. Überhaupt waren die Träume von Radio Milano hinsichtlich der kommerziellen Verwertbarkeit der Kurzwelle auch nicht eingetreten - Strom und Diesel für den Sender auf Mittelwelle (1301 kHz) und Kurzwelle (7295 kHz) verschlangen ein Vielfaches als die spärlichen Einnahmen. Wir als Radio Victoria konnten das alles nicht ausgleichen. Zwar war Milano als Relaisstation durch uns wirklich in aller Munde (und wurde vereinzelt auch von "befreundeten" Hobbypiraten wie "Radio Tutenchamun" oder von "Radio Joystick" - durch den abtrünnigen ex-Radio Victoria-Moderator Jens Hofstadt alias Charly Prince aus Mülheim/Ruhr - genutzt), aber das machte den berühmten Bock nicht fett.
Also schnell umpolen. Die Freunde von Radio Time reaktivieren. Die Sendungen kamen jetzt nachts - auf 7110 kHz und - zunächst - nur noch vier Stunden. Zusätzlich über alle UKW-Frequenzen in der Toskana. Und irgendjemand stellte einen Kontakt mit Radio Tirol in Südtirol (dem Dr. Fleischmann) her.
Südtirol... wir erinnern uns noch an einen Kontakt mit der Juniorchefin von Conrad Electronics, wegen Störungen von "Radio C" (aus Südtirol) im Raum München durch einen militanten UKW-Piratensender, der dazwischen funkte. Derart massiv waren wir trotz aller Schwierigkeiten im Gedächtnis der beginnenden Privatradioszene verankert, dass wir sogar um Hilfe gebeten wurden... Ich glaube, dieser verlängerte UKW-Rücken in Raum München war sogar Mitglied bei uns und wir schrieben ihm einen netten Brief... Die Störungen durch "Radio 64/Radio Uferlos" auf der Frequenz von Radio C hörten tatsächlich auf. Ich glaube irgendwo gelesen zu haben, dass der Betreiber geschnappt und zu einer saftigen Strafe verurteilt wurde. Von mir kam der Tip allerdings nicht, ich hätte nie jemanden an die Wand genagelt, auch bei aller unterschiedlicher Auffassung nicht.
Deutsches Privatradio begann im Kabel. Für Alexander Wiese und seine "tav - tele audio vision" schrieb ich bissige Kommentare über die örA (öffentlich-rechtlichen) Sender und die nun beginnende Privatradioszene (hört, hört - er haut wieder drauf!). Jemand aus Frankfurt machte stundenweise als "Radio Petticoat" und Rock'n'Roll-Musik im Berliner Kabel Programm - alles ein Flop, der nur wenige Monate dauerte... auch wenn das Kabelnetz in München derart "undicht" war, dass man die ersten vier Senderchen problemlos auch im Autoradio empfangen konnte.
Victoria verlor dramatisch an Hörern. Die 7110 war zwar hörbar, aber nicht soooo gut. Und von Radio Tirol gab es zwar Reaktionen durch Hörerbriefe, aber wir hörten es nicht. Und einer schrieb uns, dass es massive Proteste von Werbekunden gegeben habe - unser Programm war wegen der Musik (gnadenlos der Zeit voraus) nicht kompatibel zu dem Gedudel von Südtirol. Ich schrieb daraufhin im FRAG-Magazin "nächstes Mal werden wir Kuhglocken läuten und irgendeine Tussi laut Hallelujah rufen lassen". Wochen später rief ich mal an und jener (zwischenzeitlich verstorbene) Dr. Fleischmann muffelte nur herum und gab nur ausweichende Antworten. Nöööö - er wisse von nix und so. Ja was denn? Hatte er die Kassetten erhalten oder nicht, strahlte er aus oder nicht? Arschloch (sorry)! Also wieder mal Schwamm drüber. Wir stoppten jedenfalls die Post nach Südtirol (in dieser Zeit liefen die Programme sporadisch auch über Radio Eisack - wie sie dorthin kamen, war mir schleierhaft).
Alles löste sich unter meinen Fingern auf. Irgendein netter Hörer, ich glaube, es war Roland Fischer, schickte sogar einen Umschlag mit 300 DM (oder so) Spende, damit wir unser Radio Time-Relais ausbauen konnten. Aber das Geld reichte einfach nicht. Ich muss gestehen, dass ab Ende 1985 dann einige vergebens auf das vorausbezahlte FRA Germany-Fanzine oder die Kassetten der "Geschichte der Seesender" warteten. Andere wiederum bekamen alles, was fertig wurde, es funktionierte nach Zufallsprinzip und der Anzahl der Briefmarken, die ich mir leisten konnte.
Michelle hatte auch beruflich nun soviel zu tun und setzte weder auf eine Gesangskarriere noch auf einen Job als Moderatorin im kommenden Privatradio. Sondern auf die Luftlinie - ein Einsatz nach Berlin stand an... Die vorerst letzte Sendung mit ihr lief am 29. Juli 1985 - und blieb auch zufälligerweise die letzte.
Ich schaute mich nach "Ersatz" um und der kam dann tatsächlich mit einem anderen Mädel, das ich in der damaligen "Batschkapp" kennen lernte - eine gewisse Leta Mokkri (Finnin, 20 Jahre, Modedesign-Studentin) mit einer allerdings etwas heiseren Stimme (so wie ich mich erinnern konnte). Es blieb bei ein, zwei Sendungen. Für Michelle gab es eben keinen Ersatz! Und mit Victoria hatte ich die Schnauze voll.
Denn: Das Konzept Ende 1985, für jeden Tag eine Stunde Programm aufzunehmen und diese Stunden nachts ab Mitternacht auszustrahlen, möglicherweise sogar bundesweit als "fmtrend-radio" (oder, oder, oder) ging nicht auf.
Mit Radio Time klappte zwar die Zusammenarbeit, der International Service lief weiter. Man bot mir sogar Geld (!) an, um weiter zu machen. Ich unternahm einen letzten Versuch, wieder hörbare Regelmässigkeit hinein zu bringen - Radio Delmare. Das Überbleibsel des ehemaligen Seesenders war ein Kurzwellensender, der relativ unbeeinträchtigt von "postalischen Überfällen" meist auf 6206 kHz recht gut hörbar sendete, Leistung so um die 1-2 KW und Standort in Südholland oder Nordbelgien. Johan Rood war der Betreiber, der Mann, der bis zuletzt auf dem letzten Sendeschiff von Radio Delmare ausgehalten hatte und fast verhungert und verdurstet wäre, weil niemand eine Bevorratung vornahm bzw. wegen lauernder Behörden vornehmen konnte.
Und ich nahm Kontakt mit der (damaligen) CSSR auf - da war ein Mittelwellensender auf 1080 kHz nachts problemlos in ganz Europa hörbar.
1080 nachts und 6206 wochenends Delmare, das war besser als der bisherige Zustand. Ich hörte zwar Victoria ganz schwach mit einer Testsendung im Tropenband (3975 kHz) sowie auf 6208 via Radio Time durchdringen, nur war es kein Hörgenuss und eher was für richtige DXer, aber nicht den "Normalhörer", der eben mal sein Empfangsgerät auf eine gut hörbare Frequenz auf Kurzwelle einstellt - die BBC in deutsch etwa oder oder...
Schwer zu schaffen machte (uns allen) auch die Störsender. Wir erinnern uns : damals war Kurzwelle etwas ganz anderes als heute. Damals war noch kalter Krieg und aus dem "Ostblock" kamen jede Menge Störsender herüber. Das Hintergrund-Grossflächenradar der UdSSR prasselte praktisch über den gesamten Frequenzbereich. Und sobald Radio Liberty, Radio Free Europe oder die Deutsche Welle sendeten, kam wenige Momente später ein Störsender mit Pieps- und Klackgeräuschen sowie rückwärts gespieltem Programm-Mischmasch auf gleicher Frequenz in den Äther. Wie wir heute wissen, sassen damals Hausfrauen (!) in stillgelegten (!) Fabriken entlang des Urals und drückten zu einer bestimmten Zeit einen bestimmten Knopf, um einen der etwa hundert (!) Sender - nur für Kurzwelle - in Betrieb zu nehmen, die gezielt Störungen ausstrahlten. Diese Sender wurden dann grossteils ab 1989 nach und nach verschrottet, andere verkauft und kommerziell genutzt für erste private Senderprojekte in der untergegangenen UdSSR. Wer heute reinhört in die Kurzwelle, wird wohltuende Ruhe und Stille auf fast allen Frequenzen feststellen. Kein Vergleich zu damals - wer es nicht gehört hat oder noch im Ohr hat, wird es nicht glauben. Aber es war so.
Aber... aus der CSSR kam eine Absage, und als wir das Programm für das Delmare-Relais produzierten, war dies wegen plötzlich eingetretener "rechtlicher Probleme" (die Behörden waren aufgewacht) dann monatelang off air. Das Programm, was wir aufgenommen hatten, wurde als allerletztes Lebenszeichen dann etwa sechs Monate später auf 6206 Khz ausgestrahlt - wir wussten von nichts, weil wir es nicht gehört hatten.
Radio Victoria war sozusagen sang- und klanglos untergegangen. Trotz heftigster Bemühungen nicht wieder zu beleben. Ich war restlos pleite. Konnte gerade noch die Miete für das möblierte Zimmer zahlen, das Auto war weg... keine Versicherung, Plakette irgendwann mal abgekratzt... Es war übel. Bis Anfang 1986 hielt ich die FRA Germany mit den Ausgaben noch am Leben. Ich weiß nicht mehr, wie ich mich über Wasser gehalten habe. Irgendwie eben. Ich produzierte wieder Musikkassetten und die berühmten Kopien der Kopien der berühmten Kinofilme. Aber auch hier ging es bergab und stockte - eine nach der anderen der "Kopieranstalten" flog auf, teilweise durch Konkurrenzneid untereinander. Anonyme Hinweise halfen Ermittlern auf die Sprünge. Die Szene war damals schon richtig durchtrieben...
Da gab es einen mit Elektrostrom (!) gesicherten Keller in Essen, wo auf Teufel-komm-raus kopiert wurde. Und ein Kioskbesitzer (!) aus Koblenz entpuppte sich als einer der grössten "Anbieter" jener VHS-Filmchen. Den schnappte man und verdonnerte ihn zu zwei Jahren Gefängnis und 200.000 DM Geldstrafe. AUWEIA.
Kapitel 4
Aber damals wie heute : Piraten bleiben Piraten. Die Offshoresender hatten durchaus ihre Lebensberechtigung, gab es doch nur ein sehr dürftiges Angebot an entsprechenden Sendern "an Land". Und das galt - damals - auch für das Angebot der Videotheken mit ihren Uraltschinken. Damals war ich auch von der Berechtigung, das "Gesetz zu brechen" überzeugt. Heute denke ich da etwas anders darüber: Urheberrecht zum Beispiel. Wenn auch von der "Gema" und anderen m.E. recht weit ausgelegt. Niemand hat aber das Recht, sich einfach Kinofilme zu kopieren und dann schwunghaften Handel damit zu treiben. HEUTE. Raubkopierer zerstören die Film- und Musikindustrie und hindern - unbewusst - neue Talente / Filmproduktionen finanziell daran, überhaupt auf den Markt zu kommen. Und wenn das alles dann auch noch "kommerziell" betrieben wird, bin ich sehr dafür, da auch mit harten Strafen zu reagieren.
Eingeschränkt bin ich auch bei Musiktiteln dafür (und den schwunghaften Musiktauschbörsen wie einst "Napster"). Dass sich die Kids heute für "lau" ihre Affenmusik (sorry) und neuesten Hip-Hop-Titel herunterladen und dabei keinerlei Unrechtsbewusstsein entwickeln, ist schon verblüffend. "Ich habe nicht genug Geld" darf kein Argument sein, die Musikindustrie praktisch auszuhöhlen. Aber das ist den - Schreck lass nach - geistigen Tieffliegern von heute kaum beizubringen. Wie hat sich die Jugend verändert! Ich spreche schon so wie meine Eltern damals. Wie die Zeit vergeht. Und die meinten damals mit der "Affenmusik" die Langhaarigen, Beatles, Rolling Stones... etwas, was keinen heute mehr aufregt, damals aber eine Revolution war.
Ich akzeptiere Musiktausch nur, wenn es um ältere Titel und Raritäten geht, die es nirgends mehr auf LP, geschweige denn CD, gibt. Und wie verzweifelt suche ich beispielsweise "There's No More Corn On The Brazos" von den Walkers aus 1971... Oder "Old Dom Is Dead" von Hans van Hemert... Ich würde ja gerne die CD mit diesem Titel kaufen - nur gibt es keine! Ich hoffe, ich habe mich klar genug ausgedrückt!
Die Schöne und das Biest - Roger mit charmanter
Begleitung in 2004
Nun, 1986 war angebrochen. Tschernobyl war gerade hochgegangen... So eines der letzten FRA Germany-Fanzine behandelte den Sendestart von Privatradio in Rheinland-Pfalz. Damals hatte man drei Frequenzen: 100,6 in Mainz, 103,5 in Koblenz und 103,6 in Mannheim (Baden-Württemberg) und vier Anbieter auf Programm: den LR-Linksrheinischen Rundfunk mit 1-2 Stündchen, ein undefinierbares "Radio 85", "PRO Radio 4" vom FDP-Mann Hoffie und als grösster Anbieter RPR mit Sitz und Studio in der Turmstrasse 8 in Ludwigshafen.
Ich schrieb, wie es so meine Art war, einen kritischen Kommentar. Und schickte das Heft auch zur RPR. Und bekam Post von Dieter Mauer, dem damaligen Programmchef von Radio RPR. Er lud mich zu Gesprächen ein...
Nach Victoria und dem tiefen Fall in die Ratlosigkeit und Leere kam mit der RPR das erste Engagement in deutschen privaten Rundfunk. Die Senderkette von Radio85-LR Linksrheinischer Rundfunk-ProRadio4-RPR war gerade gestartet. Ohne Auto dahin zu gelangen, war etwas schwierig – ein erstes Treffen mit dem damaligen Chefredakteur Dieter Mauer fand auf der Frankfurter Musikmesse statt. Ein Freund lieh mir immer dann einen Wagen, wenn ich einen Termin hatte- und so funktionierte es einigermaßen...
Dort anwesend auch MIKE HAAS, erste direkte Bekanntschaft unter den „Formatikern“ sozusagen (er kümmerte sich später um den Aufbau der Antenne Bayern) – und lange Diskussionen und ein durchaus guter Gedankenaustausch schloss sich an.
Einige Tage später in der Turmstrasse 8 in Ludwigshafen – Langes intensives Gespräch mit Mauer : „Wir bekommen hier tausende von begeisterten Briefen und Reaktionen....aber darauf gebe ich nicht soviel. Das ist immer so bei einem Neustart. Wir brauchen ein Profil....“
Wir kamen überein, zunächst einmal einige voice-over-jingles zu produzieren und das ich mich zuerst um die Abendschiene kümmern sollte.
Es sei nicht unterschlagen, das ich bei der RPR -also so „richtig im Radio“ pötzlich mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen hatte. Das größte Problem war, das alles nur mit Technikern funktionierte – als alter „Selbstfahrer“ kam man einfach nicht an das Mischpult heran. Und sie ließen auch keinen heran, denn es gab da ein schriftliches Abkommen – die Technik war eine eigene Abteilung und musste bezahlt werden.
Die ersten dicken Schweißperlen....!
Bei der Jingle-Produktion lief ich dann mal so durchs Haus und lernte einige Mannen kennen – Wolfgang Rositzka bei ProRadio4 (später rpr2, sammelte gerne morgens die Handtaschen der Damen vor seinem Bett auf, wie er sagte...) und Rainer Schauberger (später rpr2, war mal kurz mit ihm zusammen bei Antenne1 Stuttgart) aus Frankfurt. Und auch Bodo Henkel, der sich um eine Neuauflage des „Goldenen Schuss“ kümmerte – in einem separaten Studio wurde dies aufgenommen.
Und noch während ich ich bei RPR werkelte, kam die zweite Anfrage : Radio Arena aus Nürnberg – zusammen mit dem späteren Charivari auf einer Frequenz – ich sollte mich um Übergänge, eigenes Profil und Durchhörbarkeit kümmern. Nach einem Tag dort in den beeindruckenden meterdicken Mauern (Sendestudio am Dutzendteich - noch aus der NSZeit....) war die Sache eigentlich „geritzt“. Also eher Nürnberg als Ludwigshafen ?
UND DANN GING ALLES SCHIEF.
Erste Sendung an einem Samstag im Abendprogramm von RPR – hatte Platten mitgebracht und vorausgesucht und saß nun hilflos der Technik gegenüber und sollte was sagen.... Ich schwitzte Blut und Wasser und bekam keinen Ton heraus – erst nach 20 Minuten (!) krächzte ich mal irgendwas ins Mikro. Aber dann kamen erste Anrufe, der Pförtner in der Turmstrasse wunderte sich schon .... Alte Fans aus der Disco in Bad Soden (Coupe) riefen an, Freunde aus Frankfurt („wir hören dich-gib Gas!“) usw usw. Ich taute langsam auf.
Die zweite Sendung an einem Mittwoch war dann schon ganz lustig – ich hatte sogar selbst akquirierte Werbung mit eingebracht – wenn schon, denn schon. Was allerdings wiederum auf -so erfuhr ich später – auf Unmut der lokalen Sendungen von RPR (in Mainz, eigenes Studio und anteilige Sendezeit ) stieß – Rhein-Main sei ihr „Gebiet“ und ich solle da nicht „wildern“.
Tja, und die dritte (und letzte) Sendung bei RPR war dann seeeehr lusitg – zig Hörer nahm ich auf den Sender, fuhr eine Partysendung und lud zum Vorbeikommen ein... Was dann auch geschah – am fassungslosen Pförtner vorbei ergossen sich 20-30 Hörer ins nächtliche Studio, einige hatten Kartoffelsalat und Würstchen mitgebracht – eine jüngere Anruferin wollte mich unbesehen sofort heiraten, weil sie meine Stimme so gut fand.
Unglaublich....
Und dann war noch ein Anrufer in der Leitung, der von einer wilden Party berichtete und das man doch unbedingt hinkommen und einiges an „Stoff“ mitbringen sollte. Ich IDIOT gab das dann auch noch ungefiltert und nicht nachgeprüft über den Äther.....
Die nächste für Mittwoch geplante Sendung fiel dann ins Wasser.... weil ich am Montag einen Anruf erhielt : RPR hat sich bei der genannten Adresse mit einem dicken Blumenstrauß entschuldigen müssen. Weil der Mensch unter der angebenen Adresse gar nichts von einer Party wusste und nachts von einigen grölenden Menschen wachgebimmelt wurde, die im in den Teich pinkelten und seine Gartenbeet niedergetrampelt haben. Stundenlang war da Tohuwabohu in der Strasse – so vor und nach Mitternacht....
Da hatte ich einen schönen Scheiß angerichtet !
Aber ich hatte ja noch Radio Arena in Nürnberg– mit Mike Haas wahrscheinlich auf der „Gegenseite“ bei Charivari – und die „BCI“ war ja auch nicht weit....
Nur dann der zweite KO.... – Arena verzichtete auf die eigenen Sendestunden und ging als Gesellschaftergruppierung in Charivari auf. (Und ich hatte keine Lust, dann dort als nobody anzufangen und mich neu zu bewerben).
Also wieder nix. Gleich beim ersten Anlauf unrühmlich gegen eine Wand gerannt. Aber da war ja Bayern direkt in meiner Nähe – Aschaffenburg. Von den dortigen Bewerbern erschien mir die Radiosparte von „Main Echo“ am vertrauenswürdigsten – denn was sich da unter dem Oberbegriff „Primavera“ zusammenbraute, war nur der örtliche Charivari-Ableger. Dazu hatte ich keine Lust, von dem neu entwickelten „Euro-AC-Format“ hatte ich gehört und es war eben nicht meine Musik – und wenn, wollte ich da was dagegen setzen. Bevor die 91,6 auf Sendung ging, wurde viele Monate vorher bereits geprobt und gelernt und aufgebaut.... und es gab ein Hauen und Stechen um Sendezeiten und Anteile – mit beteiligt waren anfänglich ein „Radio A“ aus Elsenfeld (Verleger Philipp mit einem eigenen Werbeheftchen – ging in Primavera auf), Radio Gong „aus der Ferne“, das Main-Echo hatte zwei Bewerber am Start „Bote vom Untermain“ für die südlichere Gegend um Miltenberg und „Welle Untermain“ für Aschaffenburg/Alzenau und die Vereinigung „Mittelstand“ (später Radio „Ara“). Irgendwie kam man nicht unter ein Dach und auch der Versuch, mit Gong und Mittelstand da 70-80% der Sendezeit zu bekommen, scheiterte. Es waren eben die üblichen Planspiele wie auch anderorten...
Mitte 1987 ging es dann endlich los. „Welle Untermain“ als Ableger der örtlichen Zeitung hatte nur 33% der Sendezeit bekommen (mehr war auch nach den Vorgaben der BLM nicht möglich, um Wettbewerb zuzulassen), Radio ARA hatte sich für ein eigenes Studio
und Sendezeit entscheiden (10-11 Uhr, 12h30-13h30,17-18h !) und aus Radio A und Primavera wurde einheitlich „Primavera“. Vorausgegangen war ein Musikarchivaufbau – noch ohne Musikcomputer (die gab es noch nicht!) , Schulung der Moderatoren, Voranfertigung von Beiträgen, Beibringen der Selbstfahrertechnik usw usw. Einige von den Leuten, mit denen ich bei der Welle Untermain war, haben es weiter gebracht : Axel Mugler, Stimme der ersten Stunde und später mal kurz am „radio ko(h)libri“-Projekt 1996/1997 mit beteiligt, arbeitet für das hessische Fernsehen. Volker Schaeffer, immer schon kulturlastig, war lange zeit bei hr2, jetzt WDR5. Uwe Fischer, Nachfolger als Musikredakteur, hat heute eigene Musikproduktionen am laufen. Geschult, aufgebaut und beigebracht habe ich aber vieles dem CARLO KÖCHEL, der lange Zeit Moderator und später Programmchef bei Radio Regional in Heilbronn war (jetzt irgendwo in der Werbebranche verschwunden). Das ich ein „Format“ bei Welle Untermain gefahren habe, wäre eine Übertreibung. Aber ich habe – mit einem entsprechenden Deutsch- und Oldiesanteil versucht, soviel wie möglich an lebendiger Musik aus den jeweiligen Sendestunden herauszuholen. Alles war „handpicked“, nachdem man sich von den verfügbaren Titeln darauf geeinigt hatte, welche in welches Format gehören). Und auf jedem Cover farbige Aufkleber, gelb für current, grün für Oldie, weiß für „neu“ usw usw.... mit handschriftlichem Vermerk über Länge des Titels und „ramp“-Zeit. Eine monatelange Abhörerei mit der Stoppuhr....
Welle Untermain von mir also deutlich auf „durchhörbar-flott“ einjustiert und mit einem eigenen wöchentlichem „powerplay“ (Hit der Woche) versehen - es wurde „draußen auf der Strasse“ auch allgemein anerkannt und gehört... Meine Handschrift war schon deutlich. Unter den powerplays dann Sachen wie „Wild horses“ von Gino Vanelli (der erste powerplay bei Sendestart) oder „When Smokey sings“ von ABC.....
Ich lebte auf, fast wäre ich in Aschaffenburg hängen geblieben. Wieder mal ein bezauberndes Mädel kennen gelernt – Stefanie R. Arbeitete bei einer Bank und wollte zum Flughafen. Eine Traumfrau, hübsch, intelligent, resolut („die Schuhe ziehst du jetzt an!“). Mit hr englisch geübt für die Aufnahmeprüfung und und und. Uns kannte jeder, denn meine Stimme war – das darf ich ungestraft behaupten- die bekannteste und beliebteste im Äther. Egal, wo ich hinkam, freundliche Begrüßung. In und um Aschaffenburg war ich über Nacht schon ein kleiner „Superstar“.
Ich kümmerte mich besonders dann auch noch um die Wochenend-Reisesendung und den Sport, der meist mittendrin -um 17h- aufhören musste. Da spielten die meisten eben noch auf dem Platz. Trotzdem war „Anpfiff“ recht erfolgreich und die Sportredaktion dankte es mir, das ich die Sendung ganz gezielt mit kurzen Oldies flott machte und Platz machte für viele Wortbeiträge. Wolfgang Staab, der Leiter der Sportredaktion, ist heute ein hohes Tier bei der Jugendförderung des DFB.
Da, wo einst das Studio der Welle Untermain war, steht heute das „Kinopolis“. Gegenüber die „City-Galerie“ (Einkaufszentrum). Die hat drei Monate nach Sendestart dann eine Umfrage in Auftrag gegeben, was den Hörern zu 91.6 einfällt. 91,6 (die Frequenz) – so war unter den drei Anbietern vereinbart worden, sollte gemeinsame Kennung sein, mit dem Stationsnamen im Anhang. Nicht alle hielten sich daran. Aus dem Blickwinkel der Abgrenzung und der Durchsetzung des Namens kam es wochenlang zu „hier im xyzStudio ihr xyz-Moderator, die xyz-Zeit ist ...Uhr,“ Und es gab die xyz-Nachrichten, das zyx-Wetter, das xyz-Land (für das man sendete). Mitgezählt bis zu 26x in einer einzigen Sendestunde fiel der Name „Primavera“ und wurde den Hörern so eingehämmert, das von vielen unwissenden Hörern alles als dieser Sender gedeutet wurde.Kein Wunder, das bei dieser Umfrage „Primavera“ dann zuerst genannt wurde – so um die 80% aller Befragten. Und, das machte mich besonders stolz, auf dem zweiten Platz dann mein Name (so um die 67%) ! Wow, DAS war doch was....
Aber die Krise kam hintenrum. Gegenwehr aus dem eigenen Hause, denn die „Zeitung“ war dagegen, ein so teures Radio zu betreiben. Man gab an Personal und allem Drum und Dran 1 DM aus, um 50 Pfennig an Werbung wieder einzunehmen – und Werbung war schwer genug bei gleich drei Konkurrenten um den gleichen neuen „Kuchen“. Der erste Programmchef, Thomas Volk (später in Freiburg wieder getroffen), musste gehen. Später auch Moderator Lambert Liesenberg (dito, heute eine eigene Werbeagentur in Stuttgart) auch. Und der erzählte mir was von einem „Radio Drops“ und anderen Sendern aus dem Elsass, die ungeahnte Möglichkeiten boten, den deutschen Markt von französischer Seite her zu knacken – obwohl alles noch irgendwie, irgendwo „mehr Pirat als legal“.
Für die Welle Untermain stellte ich auch Berechnungen wegen einer besseren Frequenz an – die 91,6 kam -durch Reflektion- zwar wunderbar im Vordertaunus mit Ortsqualität an (alte Fans aus Victoriazeiten wie DXer Norbert Marschang hörten da regelmässig zu) und war mitten in Frankfurt auch noch gut aufzunehmen – nur reichte die 100-Watt-Funzel eben nicht. Berechnet wurden -und vorgeschlagen- die 90,8, 99,4 und 100,8 – und alle von der BLM abgelehnt ! „Geht technisch nicht durch“, auch eine Sendeleistungserhöhung auf der 91,6 war nicht möglich. Witzigerweise wurden genau diese Frequenzen dann JAHRE SPÄTER für das einzig übrig gebliebene „Radio Primavera“ in Betrieb genommen. Und sind es noch....
Ich war heftig am Nachdenken, und dann kam der Moment, wo ich mich zu entscheiden hatte – entweder ich hätte die Führung der Welle Untermain übernommen – oder ich hätte kündigen müssen. Ich entschloss mich zu keinem von beiden, sondern wartete eine Kündigung im gegenseitigem Einvernehmen samt Abfindung ab. Und machte mir zunächst keine größeren Gedanken, denn ich war wieder mobil – ein weißer Toyota Celica Supra stand jetzt „vor der Tür“ - so ein heißes Geschoss mit Schlaf-Klappaugen und einem ordentlichen Bums unter der Haube. Und ich hatte was übrig behalten. Ende 1988 war also Schluss mit der Welle Untermain, aber ich blieb in Aschaffenburg wohnen – direkt über dem legendären „Klimperkasten“ der Gebrüder Berninger, die die lokale Szene mit Konzerten beglückten (heute: Colos-Saal nebenan. Freund Günther Berninger ist Ende 2007 leider plötzlich verstorben). Und wartete – die Zeitung war mit 1% auch an Radio Ton in Bad Mergentheim beteiligt, und dort, so öffnete man mir die Türen, sollte ich hin. Ein wesentlich größerer Sender, wenn er mal senden würde : Und vielleicht auch noch in Aschaffenburg hörbar - Mindestens zwei oder drei Frequenzen, und mit 20/25 KW im Schnitt.
Ich hatte meine Freundin Stefanie und die Wohnung und wartete und ließ es mir erst mal gut gehen, es war noch genug Geld vorhanden. Die Zeit nutzte ich, um an einer eigenen Broschüre zu tippen „MUSIKFORMATE – was ist das“. Gedruckt bei meinem alten Freund Michael Bethge, der in Neu-Isenburg bei einem Kleinverlag arbeitete, von mir per Schreibmaschine auf A4-Papier gebracht und verkleinert, so wie einst das Free-Radio-Fanzine .... Die Broschüre erregte Aufmerksamkeit, denn hier erklärte erstmals ein Insider, was AC,Hot-AC,UC,AOR,MOR ist - anhand praktischer Beispiele. Wie ich viel später gehört habe, war diese Broschüre dann beim WDR und in Hamburger Kreisen (OK-Radio usw) heftigst im Umlauf....Ich selber besitze leider kein einziges Exemplar mehr.Und ich plante für Radio Ton..... Meterlange Listen mit Scheiben für das Musikarchiv, ich machte eine Analyse über die Zusammensetzung der Bevölkerung im Taubertal und im „Sibirien“, dem badischen Norden zwischen Wertheim, Buchen-Walldürn und Tauberbischofsheim. Zu tun hatte ich genug, um einem Radio Ton einen schnellstmöglichen Start zu ermöglichen. Dort mit daran beteiligt die örtliche „Vereinigung Mittelstand“ um einen Wolfgang Vosseler herum, mit dem ich mich -bezeichnend- im „Hotel Victoria“ in Bad Mergentheim traf, um die Sache zu besprechen. (Vosseler war 20 Jahre später verantwortlich für „Radio Wilantis“, das Wissenschaftsradio). Dann kam mal eine Einladung zur Vorstellung als Programmdirektor : Ich fuhr zwar auch hin (wollte aber der Musikchef und beratende Formatiker werden) – und hier zeigte sich, wer da alles an dem neuen Radio beteiligt war. Auch die „Medien-Union“ aus Ludwigshafen, verantwortlich für die RPR.... So traf man sich wieder.
Aber alles blieb in der Luft hängen. Ich hatte meine Listen wohl umsonst gemacht, es tat sich monatelang nichts. Kein Starttermin, wohl Probleme hinter den Kulissen.... Ich machte mir langsam Sorgen, denn eine Bezahlung von Radio Ton für die Vorarbeiten gab es nicht.
Dann hörte ich, das die alten Welle-Untermain-Mannen Volk & Liesenberg „unten in Freiburg“ zugange waren. Ich also telefoniert und dann einfach nach Freiburg gefahren, zu Schwarzwald Radio. Der Tag, als FJS, Franz-Josef Strauss, starb, war mein erster bei Schwarzwald Radio. Werde ich nie vergessen, und es machte mir gleich klar, das der Freiburger Sender da unter der Führung von Investoren aus dem bayerischem Raum stand..... Bis auf die örtliche Zeitung (wo der Sänger der Yankees arbeitete – Hit „Halbstark“ 1964- hatte ich mal zum Interview da) waren aus der „Region“ nur einige kleinere Unternehmen und der ADAC Südbaden mit im Boot.
Ich hatte eine Sysiphos-Arbeit vor mir – ein gewisser Bernd Schumacher (vorher mal bei „Radio Andernach“ als einzige Stufe der Vorkenntnisse gewesen, später „Radio Ladies First“ - hatte für die Musik gesorgt. Dort stand ein freundlicher Mensch mit einer riesigen Plattenkiste (Material aus einer leergeräumten Discothek) und gab eine ziemlich unpassende Musik handverlesen ins Programm. Da liefen Maxis im Morgenprogramm, dreimal weiblich gesungene Titel hintereinander, es rockte und knackte zur Kirchensendung und mehr.... ein einziger Graus ohne Sinn und Plan.
Ich redete also mit Geschäftsführer Wulf Benning und dessen „rechte Hand“ Patrick Bohn, der sich um die Promotion rund um den Sender kümmerte. Aufgabe : Ein eigenes Musikarchiv aufbauen, dem Sender ein Format verpassen, die Zahlen zur nächsten Medienanalyse (MA) erhöhen. Und das alles im VERBORGENEN, denn man wollte nicht riskieren, plötzlich ohne Musik dazustehen, wenn es publik wurde. Offiziell wurde ich als „Moderator“ eingestellt und fuhr eben alle möglichen Sendungen – und wurde recht bald wieder „bekannt“ und „beliebt“.
Ich traf – welche Überraschung- HORST GARBE aus Victoria-Tagen wieder .... über den man sich wilde Sachen erzählte. Er konnte blind Pepsi von Coca unterschieden und war jedes Wochenende in irgendwelchen Höhlen im Elsass unterwegs und schaute nach den Sternen oder sonst was. Unser Verhältnis war -wie bereits erwähnt- damals etwas unterkühlt.
Und dann war da die Redaktion/das Moderatorenteam. Geführt von einem Rainer-Maria Schroedter, mit dem mich später eine gewisse Freundschaft verband und der sofort mein Talent entdeckte, sowie Elvira Kronast (seine spätere Frau, später bei Radio Ton und Ruhrwelle Bochum), deren Art der Redaktionsleitung von Teilen der Redaktion angefeindet wurde – also mittenrein in ein Wespennetz geraten....
Ich also Radio Ton, die immer noch nicht sendeten, abgehakt und die Ärmel in Freiburg hochgekrempelt. Studentenstadt, ziemlich „grün“ eingestellt und immer warm. Aber nirgends eine Wohnung zu bekommen – ich wohnte in einer kleinen, netten Pension draussen im Ortsteil Kappel. Nette Stadt, hat mir sehr gefallen, auch wenn ich am ersten Tag gleich mit dem Vorderrad meines Flitzers in einen Abwasserkanal geriet, die es dort entlang der Bürgersteige überall gibt....
Also Ärmel hochgekrempelt..... die ersten (!) Musikcomputer tauchten auf... aus der Schweiz kamen ein gewisser Hofer und sein Kollege von der Firma THT / BSS mit einem solchen Gerät. Innerlich war ich GEGEN Computer eingestellt, denn ich wusste, das jeder (fähige !) Musikredakteur einem solchen doch bei weitem überlegen war. Aber dann fand ich doch Gefallen an dem Ding, nachdem ich nach einem ersten Test die Mängel festgestellt hatte. Ich entschloss mich, wenn Computer, dann nach „meinen Vorstellungen und Vorgaben“.
Rückblickend lässt sich sagen, wir brachten das Ding gemeinsam ins Laufen (und DIESER Musikcomputer ist auch heute noch anderen Modellen WEIT ÜBERLEGEN, sorgt er doch für Musikfluss und hörbare Zusammenstellungen !).
Von mir gab es Vorgaben wie eine Tempi-Bewertung, ein Zugriff auf den jeweiligen Plattenbestand war nur in +1/-1 (oder gleichbleibend)-Sprüngen erlaubt. Zusätzlich führte ich Tag für Tag (also auch Sa/So) Stundensperren ein, wo der Titel erst gar nicht vorgeschlagen wurde. Plus männlich/weiblich (schloß sich meist gegenseitig aus) und melodisch/rhythmisch. Zusätzlich eine Sprachkennzeichung (fr/engl/span/instrumental) und mehr dieser Feinheiten. Damit gelang es mir, die Musik stundengenau (vormittags andere Musik als morgens) zu steuern und einen wohl hörbaren „Fluss“ mit Übergängen hinein zu bringen. Dies zusammen mit der Musikuhr (Anzahl welcher Titel aus welchem Untergenre in einer Stunde) machet das Ding auch zu meinem Erstaunen fast perfekt. (Ein Lauf unter „Vollast“ mehrere Tage hintereinander Anfang 1991 bewies die Qualitäten DIESES Musikcomputers – heute noch anderen Systemen weit überlegen !).
Es waren also MEINE IDEEN, wir machten sozusagen weltweit Pionierarbeit, denn überall arbeitete man noch mit handverlesenen Platten und hatte von Computern gerade mal „was gehört“. Nicht vergessen : Es war Ende 1988 !!!!!!!!!
Zum Programmieren war ich natürlich zu blöd, ich hatte noch nie was Computern gehört. Mächtig viel geholfen hatte mir damals URS MANSMANN, eine Koryphäe für Amiga, IBM und Windows (das erste, schlimme Windows vom Gates damals....), der heute beim c´t-Magazin arbeitet.
Also wochenlanges Arbeiten im Verborgenen – neben der Moderation. Im Sender selbst durfte niemand etwas offiziell wissen : Ich fuhr oft in das leerstehende ADAC-Gebäude am Stadtrand (eigener Schlüssel,. Zugang und so...) und baute dort das Muskkarchiv auf.
Plattenkauf bei WOM und Saturn-Hansa in Frankfurt, ellenlange Bestell-Listen, alles ins Auto gepackt, von Schallplatten-Spezialversandhäusern Raritäten nachgekauft, Raritäten aus den USA, Holland und England bestellt – Riesenarbeit. Zehn Aushilfskräfte waren mit Stoppuhr am Erfassen, ich tippte alles in den Computer ein....
Tag X rückte näher .... Wir überlegten uns eine Werbeaktion im Äther, und pünktlich zwei Wochen vor der MA (Medienanalyse) sollte Montag morgen ab 5 Uhr dann „mein“ Programm laufen.
Mit Wochenende war nix .... der Computer war abgestürzt und ich musste das ganze Wochenende mir um die Ohren hauen und per Hand und Gedächtnis die Musiklisten für die nächsten Tage erstellen – mindestens vier Tage musste ich so überbrücken. Habe Blut und Wasser geschwitzt.
Aber der Erfolg war mit mir .... von 98.000 Hörern auf 134.000 Hörer hochgeschraubt (letzte 14 Tage). GF Benning schüttelte mir die Hand, fast hätte er mich geküsst. Vertrag um ein halbes Jahr verlängert, er wollte „mein Genie“ in diesen Computer laden. Ich machte ihm klar, das die „currents“ ständig ausgewechselt werden müssten – und die Neuerscheinungen auch von irgendjemanden erfasst werden sollten (und richtig bewertet !). Also darüber hinaus Beratervertrag...
In „meine“ Zeit bei Schwarzwald Radio fielen dann auch -mal wieder- powerplays wie „Das Omen“ (Mysterious Art), „No more boleros“ (Gerard Joling), „Hey Matthew“ von Karel Fialka oder „If only I could“ von Sydney Youngblood.
Und discomässig war ich plötzlich auch wieder „in“ - machte nebenbei Programm in der nahegelegenen Kultdisco „Atlantis“. Mächtig viel Leute drängelten sich, um mal den „Kirk“ zu sehen und zu hören. Eine Wohltat, auch mal „gefeiert“ zu werden.... auch der alte Freund Frank Leonhardt, der jetzt in Offenburg stundenweise einen eigenen Sender hatte, ließ sich blicken.
Hinter den Kulissen ging es dann hoch her – Thomas Volk, Elvira Kronast und dann schließlich auch Rainer Maria Schroedter (einem fähigen Nachrichtenmann und Journalist) hatte man irgendwie geschasst – die Praktikantenriege löste sich auf (Martin Busch ging zunächst zu radio NRW, heute ist er wohl bei Radio Dortmund. Rolf Kuhlmann ist heute bei Radio Essen, Uli Blöing macht Fernsehen beim NDR Hamburg). Ein fähiger, lustiger Kollege sei noch genannt, der mit mir in der Musikredaktion arbeitete : Lothar Engel, ein begnadeter Moderator aus irgendwo im Saarland. Hat immer rumgealbert in seinen Moderationen, hatte aber auch eine gewisse Narrenfreiheit.
Meine Zeit in Freiburg ging zu Ende.... auf zu neuen Ufern. Die Rede war von einer Privatradiokette entlang des Rheingrabens in deutsch-französischer Moderation –sozusagen ein „EU-Projekt“. Schroedter war da dran und ich berechnete -mal wiedermögliche Frequenzen, um auf beiden Seiten des Rheingrabens gehört zu werden.
Aus dem Projekt wurde aber nichts....
Ich holte als meinen „Nachfolger“ den Musikmann von Radio Charivari in Würzburg nach Frankfurt, weil ich zu ihm wegen des Formats das meiste Zutrauen hatte. Ein gewisser Jeff mit holländischem Nachnamen, was ihn mir auf den ersten Blick vertrauenswürdig machte.
Das er sich dann aber als erstes MEINE Zahlen ans eigene Bein band, war dann doch eher unschön.
Mit Schwarzwald Radio also mal gezeigt, was ne Harke ist. Dafür war meine Freundschaft mit Stefanie aus Aschaffenburg zerbrochen – immer nur jedes zweite Wochenende dort gewesen, alles schlief ein oder ging wegen übermäßiger Arbeit einfach zugrunde.
Scheiße. Wieder eine Klassefrau verloren.
Ich schaute mich nach neuen Aufgaben um....
Wie es in den 90ern dann weiter geht, im Kapitel -5-.
Und solange vielleicht mal einen Blick auf www.radiodimension.de werfen .....
Fortsetzung folgt...
FMK-Anmerkung: Soweit die Original-Memoiren von Roger Kirk. Leider gibt es kein radiodimensions.de mehr, aber auch keine Fortsetzung dieser Radio-Vita. Roger Kirk verstarb am 04. Dezember 2012. Ich möchte die Worte von Radio 30Plus wiedergeben, für die Roger (neben RNI) bis zum Sommer 2012 on air war. Seine letzte Sendung wurde am 26. August 2012 ausgestrahlt.
Wir trauern um Roger Kirk |
Geschrieben von: Administrator | |
Montag, den 14. Januar 2013 um 21:32 Uhr | |
Unser langjähriger Mitarbeiter Roger Kirk ist nach langer, taper ertragener Krankheit verstorben. Bis zuletzt steckte er voller Pläne. Seine Leidenschaft für die Musik und sein Medium Radio sind für viele der heutigen Kollegen fast unbegreiflich. Roger war ein Radiomann durch und durch. Kompromißlos immer auf der Suche nach der perfekten Sendung. Zuletzt war er für den Hörfunkpreis der LfK vorgeschlagen. Zum Einreichen des Beitrages kam es leider nicht mehr. Wir werden Roger vermissen. Kein Lexikon kann sein Fachwissen und sein Gefühl ersetzen. Roger hinläßt auch menschlich eine nicht zu schließende Lücke. |
Radio Victoria
Roger Kirks Radio Victoria - Die NULLNUMMER des FANZINES exklusiv auf FMK !
Die Kurzwellenmusikstation RV startete am Samstag, den 17.09.1983 - aus aktuellem Anlaß gab es vom RV Hörerfanclub eine Sonderausgabe "WIR sind DA DA DA. ......" - Die Macher von RV und "jeremias Nörgel meint...." Neues von der Ätherkonkurrenz (Voice of Peace, Caroline, World Music Radio.....) + DAS RV Statement : Was uns von anderen unterscheidet .... + TEIL II des RV-Statements (Geboren aus einer Idee, die wir schon seit Jahren verwirklichen wollen, betrieben mit einer ungebrochenen gehörigen Portion Idealismus und Enthusiasmus in der Hoffnung, gehört zu werden. HIER SIND WIR ! inkl. Hörerfanclub-Infos und RV-Popquiz !!!!
In TEIL II des o.g. Statements die Gründe von Roger Kirk, welche ihn auf die Idee KurzwellenMUSIKstation brachten !
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Neben viel Eigenkapital wurde dieses Projekt auch durch einen Hörerfanclub finanziert. Premiere feierte RV am 17.09.1983. Im Hörerclub-FANZINE Ausgabe 1/1984 berichtete man stolz über die ersten Reaktionen auf den Sendebeginn von RV:..." Radio M 1 stellte den Sendebetrieb ein.....Radio 24 wurde verkauft.... .." - Das RV-Programm und die "RV-Story": Start und Probleme, Probleme.... . Die ersten Reaktionen auf RV, u.a. Wolf Harranth berichtete über Roger Kirks Station - WEITER mit der ausführlichsten RV-Story überhaupt, u.a. Bild von Michelle
Und hier lest ihr, was nach RV kam.....
Radio 4 Rheinland Pfalz startete am 30.04.1986 - innerhalb der TELE-audiovision 37/86 gibt Roger Kirk eine erste Programmkritik - kurz nach dem Sendestart - und hier das Fazit von Rogers Meinung
FMK-Anmerkung: Roger Kirk war wenige Wochen später, ca. ab Juli 1986, auf Radio 4 mit seiner Samstag-Abend Show "Popstation" on air !!!!
Preis: 19,60 Euro
Die Ausgaben stammen übrigens aus den Sammlungen von Josef Theobald und FM Kompakt