Ich war einmal ein anständiger Mensch.
Eigentlich hätte ich ja ein ganz ordentlicher Kerl werden können. Ordentlich – so mit anständigem Beruf, anständiger Ehefrau, anständigen Kindern, einem anständigen Hund, einem a.... sie wissen schon Haus, Garten und so weiter...
Immerhin: So hat´s ja auch angefangen: Schule, Abitur, Studium 1 und Studium 2, ein anständiger Job bei einem nicht ganz so anständigen Reiseveranstalter (als der Pleite machte, hatten die Geschäftsführer ganz anständig daran verdient), ein weiterer, anständiger, Job bei einer Hotelgruppe. Tja und wenn da nicht dieser eine, dieser ganz besondere Tag, ich glaube es war ein Dienstag, gewesen wäre, tja dann, wäre diese, meine anständige Karriere wahrscheinlich – oder vielleicht auch nicht – anständig weiter gegangen. Doch es hat nicht sollen sein. An diesem ganz besonderen – vielleicht war es ja wirklich ein Dienstag – kam mein Chef in mein Büro. Es war ein insgesamt anständiges, aber ziemlich langweiliges, Büro in einem anständigen Bürogebäude im Frankfurter Stadtteil Hausen. Die Firma für die ich arbeitete war auch eine insgesamt anständige Firma. Die Unitels Hotelkooperation. Heute heißt sie Best Western Deutschland. Die beiden Chefs insgesamt sehr anständige, junge Menschen. Bernd Schwentick und Thomas Althoff . Bernd lebt seit Jahren in den USA und verkauft irgendwelche Hotelsoftware und Thomas besitzt eine ganze Reihe nobelster Luxushotels – der hat´s zu was gebracht. Der Bernd auch. Das obwohl er an diesem – ich glaube es war ein Dienstag – ganz besonderen Tag in mein Büro kam. Ich denke, es war so gegen 10:00 Uhr. „Herr Limpert, ich brauche Ihre Kreativität, wir müssen unsere Hoteliers (das waren damals so um die 100 Stück) dazu bringen, ein wenig extra Geld locker zu machen. Ich will die nach Daun ins Kurfürstliche Amtshaus (ein damals gerade neu eröffnetes 5-Sterne Hotel) einladen und dabei soll die Unterhaltung nicht zu kurz kommen. Sie kennen doch nen Haufen Leute aus der Showbranche. Schaun sie mal, dass wir irgendeinen bekannten Namen für wenig Geld engagieren können !“ sprach es und verschwand aus meinem, wie gesagt, langweiligen aber sehr anständigen Büro. So, sei mal kreativ Limpert, so lautete mein Befehl an mich in diesem anständigen, aber ziemlich langweiligen, Büro an diesem Dienstag. Ach ja, es war wohl so vor 30 Jahren. Ich glaube im Jahr 1982. Ein bekannter Name ? Billig !? Was heißt eigentlich „billig“? Bekannt ? Na ja, Udo Jürgens war damals ziemlich bekannt. Doch der wollte, zusammen mit der Pepe Lienhart Band so um die 70 Tsd. Mark für nen Abend. Dazu noch Reisekosten, Übernachtungen und so weiter. Also, „billig“ erschien mir das nicht. Dann gab es da noch so ne ganze Menge anderer „Schlagerfuzzis“. Aber die wollte niemand. Die warn ja auch nicht so teuer.
Aber selbst als ich so nen „billigen“, weil nicht mehr so ganz bekannten Namen vorschlug und nachfragte, was die denn so für einen Auftritt kriegen, traf mich der Schlag. Egal wer dann da auf meiner Liste erschien, unter 5.000 Mark für einen Halbplaybackauftritt von 60 Minuten war da nichts zu machen. Doch dann, nach dem Mittagessen bei meinem Lieblingsitaliener kam mir die rettende Idee: Limpert sagte ich zu mir (ich sagte immer Limpert zu mir, wenn ich mit mir sprach – heute bin ich nicht mehr so förmlich. Heute bin ich per Du mit mir und außerdem habe ich doch ziemlich den Respekt vor mir verloren. Deshalb sage ich dann eher: Du Depp oder Rindvieh oder ähnliches zu mir. Aber damals, wie gesagt, damals sagte ich Limpert zu mir. Herr Limpert oder Sie oder lieber Herr Limpert, vielleicht sogar „sehr geehrte Herr Limpert“ hätte ja auch gut sein können. Doch das wäre in meinen Augen dann etwas zu viel der Ehre gewesen. Immerhin kannte ich mich zu diesem Zeitpunkt schon fast 30 Jahre. Warum, Limpert, warum veranstaltest Du nicht so etwas wie eine Künstlerpräsentation ? Immerhin sind die Eigentümer von rund 100 Firstclass und Luxushotels nicht irgendwer. Und immerhin finden in solchen Hotels regelmäßig große Galas statt und bei solchen Galas sind immer wieder einigermaßen bekannte Sängerinnen und Sänger aus der eher etwas preiswerteren Riege gefragt. Also muss es doch im Interesse dieser Künstlerinnen und Künstler sein, sich diesen, ihren potentiellen Auftraggebern einmal persönlich vorzustellen. Ich fand das eine grandiose Idee. Und diese Idee nahm langsam aber sicher Gestalt an. Gage war nicht vorgesehen für die Künstler. Spesen wollte ich ihnen zahlen. Spesen so für die Anfahrt und ein warmes Essen sollte es auch geben – so gegen den Hunger und das Lampenfieber. Mein Chef, Bernd Schwentick meinte: Da kommt doch keene Socke (Schwentick ist Berliner und gelegentlich – oder eigentlich fast immer – hört man das auch.). Also, schlicht – ich sei verrückt, so eine Idee könne nicht funktionieren, meinte Schwentick. Er irrte. Er irrte gewaltig. Im Laufe der nächsten 2 Wochen trudelten insgesamt 14 Zusagen ein. 14 Künstlerinnen und Künstler an einem Abend. Eine Riesenshow dachte ich mir. Jeder darf 3 Lieder singen. 4 Künstler die Stunde, das macht dann mal eben so knapp 4 Stunden Programm. Genial ! Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein Moderator – dachte ich mir. Aber wenn ich schon 14 Künstlerinnen und Künstler gefunden habe, die KOSTENLOS, nur um sich zu präsentieren auftreten, dann muss ich doch auch einen Moderator finden können, der kostenlos „durch den Abend führt“ - dachte ich. Ich dachte verkehrt. Mein erster Anruf galt dem Mann mit der tollsten Stimme im Radio und Fernsehen. Beim ZDF machte er den Wetterfrosch, mit meiner Tante, der Opernsängerin Erika Köth präsentierte er eine leicht verdauliche, aber sehr erbauliche Sendung zum Thema klassische Musik und im HR hatte er seine eigene Radioshow. Die Stimme, das Timbre, der leichte Wiener Schmäh - Elmar Gunsch erzeugte regelmäßig bei seinen , vorwiegend weiblichen, Fans heftige Schauer der freudigen Erregung. Dazu noch ein Junggeselle, ein ausgesprochen gut aussehender, einer der – wie man in einschlägigen Gazetten lesen konnte – auch noch kochen konnte. Ein Traummann schlechthin. Der musste her. So teuer konnte so eine Plaudertasche doch wohl nicht sein. Nachdem ich seine Telefonnummer heraus gefunden hatte, telefonierte ich zunächst mit seinem Bruder Rainer Gunsch. Der machte seinem Bruder die Büroarbeit – so blieb das ganze Geld in der Familie. Dann ruft er an. Er, der Meister persönlich. Mann Limpert, dachte ich, Mann der klingt ja tatsächlich genau so wie im Fernsehen oder im Radio. Ich gestehe, ich erstarrte vor Ehrfurcht. „Sie wolln mich engagieren ? Für eine Künstlerpräsentation ? In Daun in der Eifel ?“ „Ja, ja bitte, wenn Sie Zeit hätten, das wär toll. Ist nur für einen Abend, dauert etwa 4 Stunden“, stotterte ich in den Telefonhörer. „Nun, der Termin liese sich einrichten, haben Sie den schon mit meinem Bruder über meine Gage gesprochen ?“. „Nein, offen gestanden darüber haben wir nicht gesprochen. Ich dachte auch, weil die ganzen Künstler die da kommen, ohne Gage auftreten, weil das ja eine tolle Werbung ist, könnten auch Sie, oder ?“
„Neeeee, dös mach i net“, kam es in breitestem Österreichisch aus dem Hörer. „I kost für so ne Gschicht 15.000 Mark am Abend. Reisekosten, 5-Sterne-Übernachtung für 3 Begleitpersonen, meinen Dackel und mich und erstklassige Verköstigung kommen noch dazu, soll i iane den Vertrag schicken ?“ „Ne danke, des is mir zu teuer“, hörte ich mich sagen und schon hatte ich aufgelegt.
Ok, wer nicht will der hat schon. Und nachdem ich mich von meinem Schock erholt hatte, beschloß ich,es dem arroganten Herrn Gunsch zu zeigen. Es folgten Anrufe bei HR-Hitparadencrack Werner Reincke, dann noch bei Jungstar Martin Hecht und dem Shootingstar der Radioszene der frühen 80er Jahre Thomas Koschwitz. Das Ergebnis war immer gleich: Für 10.000 Märker wären die Herren bereit, sich den gewünschten Abend für meine Show zu reservieren. Endlich landete ich bei einem meiner Lieblingsmoderatoren des HR. Freche, weil Berliner, Schnauze. Immer eine bissige Bemerkung auf den Lippen und mit der seltenen Gabe gesegnet, sich immer und überall unbeliebt zu machen, gehörte Hanns-Carl „Atze“ Schmitt zu meinen Lieblingsmoderatoren. Er hatte es gerade erfolgreich geschafft, sich aus dem beliebten 3.Programm des HR in das Seniorenprogramm von HR 1 zu verabschieden. Hier durfte er „Guten Morgen allerseits“ und eine Sonntagssendung moderieren. Das störte den Atze nicht. Er lästerte fröhlich, bissig und manchmal ein wenig melancholisch weiter. Nach seiner Frühsendung rief ich ihn an. „Umsonst, ich glaub du spinnst, mach et doch selbst“ „Ich ? , ich kann das nicht !“ so meine Antwort. „Doch du kannst das - im Gegensatz zu mir selbst, dudste Atze mich von der ersten Minute an - du hast ne tolle Stimme, du sprichst ein sauberes, gut verständliches Deutsch – du kannst das. Morgen um viertel vor 6 bist du vor dem Funkhaus.“ Was ich da sollte, war mir gänzlich unklar. Aber ich war neugierig. Und Radio , he, das war ja was ganz besonderes. Einige Jahre zuvor war ich mal Gast in einer Radiosendung. Sonntags bei Christopher Sommerkorn. Das war was politisches. Doch das ist ein anderes Kapitel meine Lebens. Immerhin, ich wußte schon wie ein Radiostudio aussah. Auch die Atmosphäre fand ich toll. Jetzt also sollte ich bei meinem Lieblingsmoderator Studiogast sein.
Zitternd vor Aufregung saß ich neben Atze. Irgendwann, ich war noch wie betäubt, sagte Atze: Ich habe hier einen Studiogast, Rainer sag mal wer du bist, wo du herkommst und was du hier machst.
Er sagte das ohne jede Vorwarnung. Angstschweiß, Zittern, Sprachlosigkeit. „Guten Morgen, ausgeschlafen, Rainer hast du meine Frage verstanden ?“ So, oder so ähnlich jedenfalls versuchte Atze mich zum Reden zu bringen. „Ehm, also ich bin der Rainer Limpert, ich komme aus Gedern im Vogelsberg, man sagt auch Hessisch Sibirien dazu.“ Kaum ausgesprochen, leuchteten sämtliche Telefonlampen, wütend flackernd auf. Der Techniker, die Regisseurin, der Produzent und Atze – alle griffen nach je einem Hörer. Für die nächste Viertelstunde lief nur Musik. Der Techniker, die Regisseurin, der Produzent und Atze hatten alle Hände voll zu tun die wütend anrufenden Hörerinnen und Hörer zu beruhigen. „Was bildet dieser Rotzlöffel sich ein ? Unseren schönen Vogelsberg mit Sibirien zu vergleichen !“ So der Tenor der Anrufe. Wir haben dann während der restlichen 3 Stunden nur noch über Belanglosigkeiten – jedenfalls nicht mehr über Hessisch Sibirien gesprochen. Um Neun verließen wir das Studio. Beschämt verabschiedete ich mich, überzeugt davon, nie mehr etwas von Atze zu hören. Weit gefehlt. Schon am Mittag klingelte das Telefon: „Du kommst doch morgen wieder ?“ Es war Atze. Ich war sprachlos und pünktlich. Noch immer wusste ich nicht, was ich sagen sollte, ohne mich gnadenlos zu blamieren. Zwei Wochen später lernte ich Hans Verres kennen. Hans Verres, Chef der Unterhaltung des HR Hörfunks erschien, fragte mich, wer ich denn sei und was ich denn da in seinem Funkhaus mache. Und, das war das Wichtigste, ob ich denn überhaupt Geld für das was ich da tat, bekomme, wollte er wissen. Ich verneinte. Wochen später war dann plötzlich richtig viel Geld auf meinem Konto. Mehr als ich zuvor bei Unitels-Best Western je verdient hatte oder je verdienen würde. Kurz darauf war es zu Ende, das anständige Leben des anständigen jungen Rainer Limpert. Nach einem weiteren, selbstverständlich erfolglosen Versuch, in das anständige Leben zurück zu kehren, war er geboren – der Moderator Rainer Limpert. Mehr dazu das nächste Mal.
Ab ins private Mediengeschäft......
Das Kapitel Unitels / Best Western endete kurz nach der, immerhin sehr erfolgreichen, Gala mit den 14 Künstlern und Rainer Limpert als Moderator. Mit von der Partie war der Mann dessen Zug nach Nirgendwo gefahren war und der mit einem neuen Album (Zusammen sind wir stark) nach einigen Jahren in Spanien und geprägt durch dramatische Erlebnisse, ein Comeback versuchte. Chrstian Anders war zu diesem Zeitpunkt ein völlig durchgeknallter aber irgendwie liebenswerter Zeitgenosse. Sein Frühstück bestand aus einem Brötchen vom Vortag und einem Glas Milch. Vom vertrockneten Brötchen brach er ein kleines Stück ab, führte es in den Mund, lutschte von einem Teelöffel etwas Milch und begann das Gemisch stunden- oder zumindest minutenlang zu kauen. „Das musst Du solange machen bis es richtig süß schmeckt“ erklärte er mir. Wozu das gut sein sollte erklärte er mir sicher auch, aber als bekennender Vielfraß und überzeugter Gourmand, war ich von derlei uncooler, kulinarischer Entgleisung nicht zu überzeugen. Ich blieb bei Bacon, Lachs und Rührei zum Frühstück. Genoss weiter köstliche Croissants, exotische Säfte und dann und wann auch gerne mal ein schönes Glas Champagner. So muss ein Frühstück aussehen in Limpert´s Welt. Na ja, ich fand den Christian Anders trotz der vertrockneten Brötchen einen ganz netten Kerl und sein Manager, der Hubert G. Feil, das war auch ein Netter. Aber ganz besonders nett war die Jolanda. Jolanda hatte auch einen Nachnamen: Eggers. Jolanda Eggers war nicht nur nett. Jolanda Eggers war auch eine Schönheit. Und Jolanda Eggers war eine ganz besondere Schönheit. Die war so schön, dass sie den Leuten von einem bekannten „Männermagazin“ es wert war, zum Playmate des Jahres gemacht zu werden. Na ja, und Frauen, ganz besonders schöne Frauen – also Frauen wie die Jolanda Eggers haben die Eigenschaft, dass Limpert unkontrollierbare, psychische und physische „Erscheinugen“ bekommt. Die Wahrnehmung wird ausgesprochen einseitig. Merkwürdige Träume, die auch am Tag anhalten, bemächtigen sich meines Unterbewusstseins. Aus dem sonst so „coolen“, beherrschten, sachlichen Limpert wurde ein degeniertes, leicht sabberndes, hilfloses Etwas mit glänzenden Augen die unkontrollierbar zuckten sobald eine schöne Frau, zumal eine Schönheit wie Jolanda Eggers, den Raum betrat. Heute ist das natürlich anders. Heute bin ich verheiratet. Heute bin ich alt. Schöne Frauen interessieren mich nur noch wenn sie auch mindestens über einen IQ von 135 verfügen, die Allgemeinbildung einer Literaturprofessorin besitzen und die Herzenswärme einer Mutter Theresa. Wie gesagt: ich bin verheiratet. Dazu noch mit einer Frau die all die vorgenannten Eigenschaften besitzt. Damals – vor mehr als 30 Jahren – war das noch anders. Damals – vor mehr als 30 Jahren – hatte ich allerdings nicht die geringste Chance, das Herz der Jolanda Eggers für mich zu gewinnen. Nicht weil ich so ein hässlicher Gnom mit Vollbart, Glatze und Bauch war. Das war ich zwar, aber der eigentliche Grund war die Tatsache, dass Jolanda Eggers an Christians Rockzipfel hing. Und weil Liebe nun mal blind macht, sah sie mich nicht. Blinde können nun mal nicht sehen. Derart übersehen zu werden, ist etwas was ich nun so gar nicht vertragen kann. So endete meine gemeinsame Zeit mit Christian Anders schneller als ursprünglich – zumindest von mir – geplant.Was blieb war ein etwas länger anhaltender Kontakt zu Hubert G. Feil. Der war auch nicht mehr lange Manager vom Christian. Dessen Comeback floppte. Grund: Alle – meist weiblichen - Fans wollten nur den Zug nach nirgendwo hören und nicht die neuen Song. Die hatten ja auch etwas mehr Tiefgang. Und Tiefgang war und ist im Schlagergeschäft wahrlich nicht gefragt. Sonst hätten geistige Tiefflieger wie der Wendler und all die anderen Barden deren IQ kaum Zimmertemperatur erreicht und deren Tralala gedudele an überquellender Sinnlosigkeit nicht zu überbieten ist, nicht so gewaltige Erfolge. Jede Zielgruppe erhält nunmal genau die Künstler die es verdient. Ich hatte die Nase gestrichen voll vom Showgeschäft. Wollte doch lieber „anständig“ bleiben. So bewarb ich mich in einem Ferienhotel in der Hohen Rhön. Der Fehler dabei: die haben mich genommen. Für die nächsten 6 Monate durfte ich holländischen, dänischen, schwedischen und gelegentlich auch deutschen Reiseveranstaltern erklären wie schön doch ein Stop ihrer Busgruppen auf dem Weg in den Süden, ausgerechnet in der Rhön sei. Oh Wunder, es gab sogar welche die glaubten das. Ich jedenfalls fand schon nach drei Monaten die Rhön nicht mehr so toll. Mich zog es zurück in die Mainmetropole. So begab es sich also zu der Zeit dass der „Messias“ eines neuen Medienzeitalters in die Rhön kam. Dieser „Messias“ trug den Namen Götz (nein nicht der von Berlichingen), Götz, Jörg-Dieter. Seines Zeichens Mitgeschäftsführer und Mitinhaber des damals größten Anzeigenblattes in Deutschland. Er und sein Partner Horst Vatter hatten eine Vision. Sie wollten die größten und mächtigsten Medienunternehmer des Rhein-Main-Gebietes werden. Der große Götz und der kleine Limpert trafen sich eines Abends im Dezember des Jahres 1982 im Restaurant eines Ferienhotels in der Rhön. Eine schicksalshafte Begegnung. Nach einem recht anständigen Essen, dem Genuss mehrerer Flaschen recht anständigen Weines war es beschlossene Sache: Götz und Vatter bemächtigen sich der Neuen Medien in Mainhattan. Immerhin, ein Mediengesetz gab es in Hessen nicht und sollte es auf Jahre auch nicht geben. Dies änderte aber nichts an den hochtrabenden Plänen der beiden Medienunternehmer. Und Limpert ? Nun, Limpert hatte die Aufgabe, die hochtrabenden Pläne des Jörg-Dieter Götz und des Horst Vatter in die Tat um zu setzen. Gegen ein fürstliches Honorar versteht sich. Eines hatte ich gelernt: Medienfuzzis sind nicht unbedingt intelligent, sie sind nicht unbedingt professionell, sie wissen in der Regel nicht einmal wovon sie reden – aber – Medienfuzzis sind habgierig (siehe das Beispiel Elmar Gunsch aus der ersten Episode). BTX (Bildschirmtext – Vorläufer des Internet), Stadtfernsehen, ein Präsentationsstudio in der Frankfurter Innenstadt und terrestrische Frequenzen in Aschaffenburg und Mainz. Dies waren die klar definierten Ziele der künftigen Giganten im Zeitalter der Neuen Medien. Warum das Präsentationsstudio ausgerechnet den bescheuerten Namen ROSA WELLE haben musste ging und geht mir bis heute nicht in den Kopf. Die mit diesem Namen verbundenen Assoziationen waren, trotz allergrößter Toleranz, so gar nicht mit meinem Macho-Selbstverständnis vereinbar und in die Rosa-Ecke wollte ich keinesfalls gedrängt werden. Doch es half nichts. ROSA WELLE war der Name und so sollte – im Sinne der Corporate-Idendity auch das Radioprogramm heißen. Welch Schmach. Doch wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Rosa Welle also. Doch bevor Radio Rosa Welle auf Sendung gehen sollte, galt es noch viel zu tun. Da war unter anderem die Frage der Frequenz zu klären. Für Horst Vatter keine Frage. Wenn wir im roten Hessen keine Chance haben, gehen wir nach Bayern. Die sind schwarz, also sind die gut, also sind das Freunde.
Chef der Landesmedienanstalt war gerade ein gewisser Wolf-Dieter Ring geworden. Er gewährte uns eine Audienz. Die verlief allerdings ganz anders als wir, Horst Vatter, Jörg-Dieter Götz und ich uns das vorgestellt hatten. „Im Prinzip ist hier in Bayern bereits alles entschieden. Die hiesigen Zeitungsverleger bekommen ein Stück vom Kuchen, dann der Herr Oschmann vom Fernsprechbuchverlag Müller in Nürnberg und dann, so als Alibi in Würzburg, Nürnberg und München noch so der eine oder andere Einzelkämpfer, damit wir auch ein paar Stationen haben die wir dann wieder abschalten können. Wenn sie da mitspielen wollen – immerhin ist so eine Raiofrequenz sowas wie ne Lizenz zum Geld drucken – he he he – dann müssen Sie sich mit dem Oschmann oder vielleicht sogar mit dem Zeitungsverleger in Aschaffenburg arrangieren.
Weder der Eine noch der Andere waren allerdings gewillt, die selbsternannten „Medienmogule aus Mainhattan mitspielen zu lassen. Doch wir waren jung und hatten Zeit. In Ludwigshafen hatte gerade das Kabelpilotprojekt seinen Sendebetrieb aufgenommen. Im Radio mit dabei eine kleine, engagierte Gruppe mit dem Namen „Radio Weinstrasse“. Die hatten in Neustadt an der Weinstrasse einen kleinen Studiobetrieb und sendeten von dort und kurze Zeit später aus der Kabelzentrale in Ludwigshafen ein erstes, selbst gestricktes und sehr sympathisches Radioprogramm. Wie das so beim öffentlich-rechtlichen Radio läuft hatte ich ja schon kennen gelernt. Techniker, Produzenten, Redakteure und Praktikanten waren die Wasserträger Moderatoren die dann alles erdenkliche taten, ihren Namen so richtig bekannt zu machen, weil nur ein richtig bekannter Moderator 10 bis 15 Tausend Mark für eine Abendgalamoderation abgreifen konnte, waren und sind die Stars. Beim Privatradio war das irgendwie anders. Die Pioniere, wie zum Beispiel Radio Weinstrasse, die hatten jede Menge Idealismus – aber kein Geld. Beim öffentlich-rechtlichen Radio bekam ein Moderator anno 1982/83 noch runde 150 bis 200 Mark pro Stunde. Der musste also nur etwa 20 Stunden im Monat wirklich arbeiten um richtig gut leben zu können. Soviel konnten die Privatradios nicht zahlen. 60 bis 120 Mark die Stunde waren es aber dann doch. Ein Heidengeld wenn man bedenkt, dass heutzutage jede Reinigungsfachkraft mehr verdient als ein Allrounder am Mikrofon eines so genannten, privaten Radiosenders. Da stehen, weil sitzen am Mikrofon ja mittlerweile verpönt ist, meist Praktikanten die weder sprechen können noch überhaupt der Sprache Goethes und Schillers mächtig sind und radebrechen irgendwelche „Three-Element-Breaks“ herunter, nennen dies „Radioshow“ und gehen, wenn sie Glück haben mit einem Salär von 600 bis 800 Euro nach Hause. 600 bis 800 Euro – ne, nicht am Tag, nichtmal in der Woche. 600-800 Euro im Monat. Verheiratet darf ein Moderator/ eine Moderatorin heutzutage nicht sein. Das können die sich nicht leisten. Viele haben dann noch einen Zweitjob. Gehen Kellnern oder leisten Basisarbeit am Bau. Hat auch was Gutes: So verlieren die den Kontakt zu ihren Hörern nicht.Doch ich schweife ab. Noch sind wir am Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. „Limpert, es wird Zeit, dass Sie lernen wie Privatradio funktioniert“ sagte Jörg-Dieter Götz eines Tages zu mir. „Schaun Sie mal, dass Sie einen Job bei einem dieser Kabelradioleute in Ludwigshafen bekommen. Machen Sie da mal ein paar Stunden Radio und gucken Sie mal wie die das so machen.“ Ich war nicht schlecht erstaunt als ich nach einer kurzen, telefonischen Anfrage bei Radio Weinstrasse sofort einen Termin für eine Probesendung erhielt. Also ab nach Neustadt an der Weinstrasse, rein ins Studio, ein Stapel Platten lag auch rum. „So, nun mach mal“ sagte der Programmchef. Ein netter Kerl dessen Name meinem Alzheimer geplagten Hirn entfleucht ist. Sorry, lieber Kollege, falls Du das hier liest. Ich suchte mir aus dem Plattenstapel ein paar Titel aus die mir gefielen, legte die auf und plapperte allerhand dummes Zeug. Da meine Kollegen auch nichts anderes taten, war ich vom Fleck weg engagiert. Moderator bei Radio Weinstraße. Mit dabei Leute wie Jochen Andrä, Wolfgang Rositzka. Allesamt so genannte Pioniere des Privatradios. Das machte einen irren Spaß. Wir zogen alle mehr oder weniger am gleichen Strang. Wir wollten Radio machen. Dass das Ganze fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, störte uns wenig. Wir sendeten. Nur das zählte. So ein Mikrofon vor der Nase ist schon eine geile Sache. He, und dann gab es tatsächlich doch ein paar Leute die das hörten was wir da so ablieferten. Und die ganz besonders eifrigen riefen dann auch mal im Studio an. Andere schrieben uns. „Deine Stimme ist ganz toll, wie siehst Du denn aus ? „ Na ja, sowas halt.
Im Grunde waren wir uns sicher: Im Fernsehen hätten wir nie eine Chance gehabt. Das sagten wir unseren „Fans“ natürlich nicht. Und manchmal trafen wir uns dann auch mal mit so einem „Fan“.
Meist war die Enttäuschung groß. Auf beiden Seiten. Die Erkenntnis: Wer eine geile Stimme hat, sieht nicht zwangsläufig aus wie George Clooney ! Andersrum: Nicht jeder weibliche Fan ist 26, hochintelligent und schön wie Claudia Schiffer, Heidi Klum oder wie diese magersüchtigen Kleiderständer alle so heißen. Damit war die angedachte heiße Affäre dann meist auch schon zu Ende. Es gab aber dann auch noch die hartnäckige Sorte „Fan“. Ich erinnere mich an eine Livesendung auf einer Verbrauchermesse in Ludwigshafen. Wir hatten ein „gläsernes“ Studio aufgebaut und jeder von uns musste ein paar Stunden am Tag von dort senden. Da lungerte täglich ein kleines Mädel (sie war so um die 15/16 Jahre alt) vor dem Studio rum. Irgendwie hatte sie sich den Jochen Andrä ausgeguckt. Wenn er auftauchte, war „Claudia“ (ich nenne sie mal so, das ist nicht ihr richtiger Name, aber sie ist mittlerweile eine bekannte TV-Moderatorin) in seiner Nähe. Sie sprach ihn an, hing an ihm wie eine Klette. Jochen war damals verheiratet. Das Mädel eh viel zu jung. Angeblich hat es ihn nicht wirklich gestört. Nicht das Alter und nicht die Tatsache, dass er verheiratet war. Egal. Jochen war wohl nur der Anfang für die zielstrebige junge Dame. Man sagt, sie habe sich von mal zu mal gesteigert. Erst der Jochen Andrä, dann ein Programmchef bei einem Regionalprogramm und später dann ein Nachrichtenchef bei einem der ganz großen privaten TV-Sender. Da moderiert sie jetzt schon eine ganze Reihe von Jahren. Tja, Frauen haben´s leichter im harten Geschäft der elektronischen Medien.Jung, willig, unqualifiziert und schon ist der Job sicher.
Der Zeitpunkt zu dem Radio Rosa Welle (mir fällt heute noch das Essen aus dem Gesicht bei diesem Namen)auf Sendung gehen sollte, rückte näher. Zwischenzeitlich hatte es harte Verhandlungen mit einem potentiellen Lizensnehmer für eine terrestrische Frequenz in Rheinland Pfalz gegeben. Der ehemalige, hessiche Wirtschaftsminister Klausjürgen Hoffie machte sich berechtigte Hoffnung auf ein Stück vom großen Medienkuchen . Mit von der Partie ein Agrar-Lobbyist aus Bonn (damals noch Bundeshauptstadt !) der zu allem Übel auch noch irgendein hohes Tier bei einer recht merkwürdigen Sekte war. Der kam immer mit der Bahn, was regelmäßige Verspätungen bei Sitzungen und Meetings bedeutete. Auch sonst war das ein komischer Kauz. Trotzdem, Politik – Medienpolitik vor Allem – wird nunmal von komischen Käuzen gemacht. An dessen Rockzipfel ein echter Star: Bernd Schumacher. Seines Zeichens aufstrebender Radio- und Fernsehmoderator beim Südwestfunk. Auch ein netter Kerl. So, nun saßen wir alle da. Warteten auf die Entscheidung über die Frequenzvergabe. Doch die lies auf sich warten. Es wurde Frühling. Wir suchten schon mal einen Chefredakteur für unser Radio Rosa Welle Programm in Mainz. Wir rechneten mit mindestens 4 Stunden Sendezeit täglich. Und als regionales Fenster eines landesweiten Programmes musste das ja schon professionell gemacht sein. Und dazu brauchten wir eine professionelle Redaktion. So eine professionelle Redaktion muss dann auch von einem professionellen Chefredakteur geleitet werden. Den fanden wir dann auch. Sein Name: Burk (Burkhard) Mertens aus Köln. Der sollte zum Sendestart die Redaktionsleitung übernehmen. Burk war auch ein netter Kerl. Später fast sowas wie ein Freund – auch wenn er sich nicht wie ein solcher benommen hat. Doch man soll nichts schlechtes über einen Toten sagen. Burk ist schon viele Jahre tot. Herzinfarkt. Ich traf ihn das letzte Mal auf Mallorca. Das war 2003. Da sah er schon sehr schlecht aus. Hatte gnadenlos hohen Blutdruck. Apropos Mallorca: „Wenn einer weiß wie Privatradio geht, dann ist das der Hannes Albert auf Mallorca. Der macht dort täglich vier Stunden deutschsprachiges Programm auf zwei verschiedenen Frequenzen und hat damit unheimlich Erfolg.“ Er, Burk Mertens werde im Sommer dort einige Wochen moderieren und wenn ich Lust dazu hätte, könne ich dies auch machen. Klar hatte ich Lust. Meine Chefs waren einverstanden. Schließlich können Erfahrungen nicht schaden. Wie dann meine erste Nachrichtensendung im Fiasko und später in einem Bordell endete, erzähle ich beim nächsten Mal.
Radio Balear International - Studio Aleman
..und es war Sommer. Kollege, Chefredakteur und Freund, der mittlerweile leider verstorbene, Burk Mertens machte seine Ankündigung wahr: Im Juli 84 flog ich nach Mallorca.
Gemeinsam mit seinen ehemaligen Chefs holte er mich vom Flughafen ab und wir fuhren in das Stadtzentrum von Palma. Programmchef Hannes Albert wartete schon ungeduldig vor seinem Büro. „Nu schaut´s aber, dass ihr weiter kommt, gleich geht die Sendung los.“
Eh ich mich versah, saßen wir in einem altertümlichen Radiostudio. Die Tür zu einem kleinen Platz, auf dem Kinder tobten, stand offen, zwei alte Dual-Plattenspieler, ein Mischpult mit tellergroßen Drehreglern und ein Mikrofon das jedem Museum zur Ehre gereicht hätte, bildeten die Ausstattung des Studios. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte ich nur den Hessischen Rundfunk, Radio Weinstraße und unser in der Entstehung befindliches Studio in Mainz. Dass man hier Radio machen könnte, schien mir gänzlich unmöglich.
„Setz di mal da nieder“, forderte Hannes mich mit seinem österreichischen Zungenschlag auf. Da ich ein gehorsam Kerlchen bin (war), tat ich wie mir gesagt wurde. Der Zeiger der Uhr rückte auf die „4“ vor. 30 Sekunden vor der vollen Stunde, kam Inge, Hannes Frau, in das Studio, legte einen mit Maschine beschriebenen Zettel auf den Tisch, direkt vor mich hin. 15:59:45 „Gleich bist Du dran, hier sind Deine News“, hörte ich Burk mir zuraunen. „Wie ich ?“ „Ja, Du, Achtung es geht los“ Ein Jingle kündigte an: Radio Balear International Studio Aleman, die Nachrichten aus Deutschland und der Welt“ „Am Mikrofon unser neuer Kollege aus Deutschland, Rainer Limpert“, erweiterte Hannes die Ankündigung. Blood, Sweat, no Tears.
Mein Puls beschleunigte sich rapide, Schweiß stand mir auf der Stirn, unmöglich auch nur einen einzigen Ton von mir zu geben, wollte ich Hannes die Seiten mit den Nachrichten zu schieben. Der schüttelte den Kopf, deutete unmissverständlich auf mich. Ich hatte noch nie live Nachrichten gelesen.“Du musst da jetzt durch“ schoss es mir durch den Kopf. „Du kannst seit der ersten Klasse lesen“, beruhigte ich mich. Ich musste plötzlich schmunzeln: „Wenn Du vor einer Gruppe Dir unbekannter Menschen sprechen musst, stelle Dir Deine Zuhörer in Unterhosen vor“, hatte mir mein Großvater immer geraten. Und mein Opa kannte sich aus. Überhaupt, mein Opa, wäre er doch jetzt hier. Ich schwieg. Ich sah die erwartungsvollen Gesichter der Umstehenden. „Wenn Du jetzt versagst, kannst Du Deine Radiokarriere an den Nagel hängen“, war mein letzter Gedanke. Wie in Trance griff ich nach den Blättern: „Frankfurt, wie Bundebankchef.......“ hört ich mich vorlesen. 3 Minuten später war ich, schweißgebadet, fertig. Burk, Benno, Bennos Bruder HU (Hans-Ulrich), Hannes und seine Frau Inge schauten mich anerkennend an. „ Gar net mal so übel...“ lobte Hannes meine Leistung “das waren weniger Versprecher als bei mir beim ersten Mal“, bemerkte Burk. „Deine Stimme ist einfach super“, fand Inge. Nur Benno und HU enthielten sich eines Kommentars. Hannes stellte mich seinen Hörern vor und die nächsten 2 Stunden machten einfach nur Spaß.
Das Mikrofon war gerade abgeschaltet, klingelte das Telefon. „Rainer, für Dich“, Wie ? Wer sollte mich denn hier anrufen. Hier ? Ich hatte ganz vergessen, dass ich hier auf der Deutschen liebsten Insel war. Hier machten Landsleute in Massen Urlaub. Wieso sollte also nicht jemand, der mich kannte, gerade jetzt und gerade hier Urlaub machen ? „Hallo, Limpert hier“ „Mensch Rainer, Du hier, rate mal wer hier ist ?“ Irgendwie kam mir die Stimme bekannt vor. „Ich bin´s, Christine, kennst Du mich noch ?“
Mir fielen alle meine Jugendsünden ein. Die Welt ist ein Dorf und man trifft an den unmöglichsten Orten zu den unpassendsten Zeiten genau die Falschen. Es gelang mir, Christine ab zu wimmeln.
„Jetzt aber raus hier“, erstens habe ich Hunger, zweitens müssen wir noch Einiges klären. Diese Klärung fand, unangenehmer weise, sehr lautstark in einer Bar am Paseo Maritimo statt. Es ging um Geld. Besser noch: Es ging um nichts Geringeres als den Fortbestand des Senders. Benno und HU waren die Besitzer einer Presseagentur in Köln und zuständig für die Vermarktung der Werbung auf Radio Aleman. Irgendwie war es zum Leben zu wenig, für´s Sterben war es denn doch zu viel. Ein Kompromiss wurde gefunden.
Das musste gefeiert werden. Hannes und Inge schoben einen Termin vor und verabschiedeten sich. Sie wussten, was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Benno, HU und Burk hatten eine ganz besondere Art, zu feiern. Feiern, das war für mich: Ein gutes Essen, ein bis zwei Gläser Champagner, gute Musik, nette, interessante Gespräche. Vielleicht ein Flirt und vielleicht auch mehr. Was meine drei Begleiter unter „Feiern“ verstanden, erfuhr ich erst etwa eine Stunde später.
Mit dem Leihwagen fuhren wir in einen Außenbezirk Palmas. Nicht gerade eine Vertrauen erweckende Gegend. Schmuddelige, herunter gekommen Wohnblocks, Eckkneipen, schmutzige Geschäfte, Autowerkstätten und mehr. Wir hielten vor einem Lokal. Ein Doorman hielt uns die Tür auf. Im plüschigen, in rotes Schummerlicht getauchtes Gastzimmer roch es aufdringlich nach einem Gemisch aus billigem Parfum und Zigaretten. Alles in Allem eine Atmosphäre die nicht unbedingt zum Feiern einlud. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass sich Benno und HU hier nicht nur bestens auskannten, sondern auch ausgesprochen Wohl fühlten. Unaufgefordert nahmen wir an einem der, in einer Reihe an der Wand stehenden, Tische Platz. Zwei knapp bekleidete junge Damen brachten Cava (spanischer Sekt), mit Tappas (kleine spanische Leckereien) gefüllte Schälchen. Die Tappas (Tintenfische, Hackbällchen, Gambas, frittiertes Gemüse usw...) waren köstlich. Der Sekt besser als erwartet. Es begann, mir hier zu gefallen. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt. Nach etwa einer halben Stunde stand Benno auf, verschwand durch eine Tür im hinteren Ende des Raumes. Ich dachte, er sei zur Toilette. Doch die war auf der anderen Seite. Die beiden Anderen taten so als hätten sie das Verschwinden nicht bemerkt. Nach weiteren etwa 5 Minuten verschwand auch HU und kurz danach Burk. Nun saß ich alleine in dem Raum. Der Sekt war ausgetrunken, die Tappas verspeist. Was sollte ich tun ? Die Antwort kam postwendend in Form von zwei jungen, kaum bekleideten Damen. In schlechtem Englisch luden sie mich ein, einer von ihnen zu folgen. Naiv wie ich war, konnte ich mich nicht entscheiden und so blieb die kleinere, etwas pummelige
„Schönheit“ bei mir, nahm mich bei der Hand und führte mich eine Etage höher. Im Flur saß eine ältere Frau, reichte mir ein Stück Seife, ein Handtuch und einen kleinen Plastikbeutel, dessen Inhalt sich kurz darauf als Kondom heraus stellte. Endlich dämmerte es mir: „Du bist hier in einem Puff“,
schoß es mir durch den Kopf. Mit meinen damals gerade 30 Jahren – man möge mir verzeihen – war ich noch nie in einem Bordell. Später übrigens auch nicht. Ich wollte jetzt nicht mit dem Mädel schlafen. Ich wollte überhaupt nicht mit einer Prostituierten Sex haben. Bis heute nicht. Warum auch ? Ich kannte das Mädchen doch nicht. Während ich mir noch überlegte wie ich jetzt hier die ausgesprochen peinliche Situation beenden könnte, standen wir vor einem Bett, das Mädchen war nackt. Sie zog mich hinter sich her in das Bad und machte Anstalten, mich auszuziehen. Ich wehrte ab. Fluchtartig verließ ich den Raum, stürmte in das Lokal zurück, setzte mich an den alten Platz. Kurz darauf kamen der Reihe nach Benno, HU und Burk. „Und wie war Deine ?“ Benno klopfte mir auf die Schulter. „Tolle Weiber, was ?“ Ich weiß nicht mehr von wem dieser Spruch kam. Ich schwieg. Aus dem Hinterzimmer drangen schreiende, von lautem Schluchzen unterbrochene Laute zu uns. Am Tisch erschien ein Hühne von einem Mann: „Das müssen Sie bezahlen, erst vier Mädchen bestellen und dann nichts machen, das geht nicht, das müssen sie bezahlen....“ Benno und HU schauten den Mann verständnislos an. Ich klärte die Situation auf: „Tut mir leid, aber bei einer Nutte kann ich nicht“, entschuldigte ich mein „Versagen“. Ich glaube, die drei haben bis heute bzw. bis zu ihrem Lebensende nicht verstanden, dass ich auf das „Vergnügen“ verzichtet habe.
Am nächsten Tag reisten Benno und HU ab. Burk blieb noch ein paar Tage. Nach einer Woche hatte ich meine Ruhe. Jeden Tag war ich von 9-11 und von 16-18 Uhr im Studio, moderierte meine Sendung. Tagsüber produzierte ich bei Hannes im Studio Werbespots und Jingles. Gelegentlich kauften wir gemeinsam neue Platten.
Schon nach wenigen Tagen kamen die ersten Einladungen in die einschlägigen Diskotheken und Clubs. Treff der deutschen Urlauber war zu diesem Zeitpunkt eine Disko an der Playa de Palma in Las Maravillas, das Carousel. DJ Pille, den es aus Bad Homburg hierher verschlagen hatte, fand es wohl toll, den Moderator des lokalen deutschen Radios bei sich zu haben. Schnell wurde ich zum Stammgast, denn als „Promi“ hatte ich rund um die Uhr „Freibier“. Als Gegenleistung sagte ich dann immer mal ein paar Platten an und Pille konnte sich seinen Fans widmen. Christine traf ich auch wieder. Sie war mit ihrem Freund nach Mallorca gekommen. An einem Abend, gegen Mitternacht und nach einer Reihe von Cocktails gestand sie mir, dass ich immer noch die Nr 1 in ihrem Herzen sei. Ihr Freund sei jetzt schon zu betrunken und sie könne ja mit zu mir fahren. Ich lehnte dankend, und irgendwie auch ein wenig geschmeichelt, ab. Mit Christine wurde es nichts mehr – schließlich soll man keine alten Geschichten „aufwärmen“.
Die permanente Sonneneinstrahlung verfehlte ihre Wirkung auf meinen Hormonspiegel nicht und getreu dem Motto: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ ergab sich dann doch noch ein richtig schöner, romantischer Urlaubsflirt. Sie kam aus Wien, hatte viel Charme, ein bezauberndes Lächeln und wenige Tage vor ihrer Heimreise wurden wir ein Paar – wenn auch nur für 3 Tage. Drei Tage, die ich nicht vergessen werde.
Nach drei Monaten war der Spaß vorbei. Hannes hatte mir noch angeboten, auf der Insel zu bleiben.
Ich dachte an meine Aufgabe, das Radioprogramm in Mainz auf zu bauen, und lehnte ab. Ich hätte auf meiner Trauminsel bleiben sollen. Oder besser doch nicht. Denn dann hätte ich nicht eine wirklich verrückte Zeit bei Radio Brenner in Sterzing (SüdTirol) verpasst. Davon in Kürze mehr.-
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