Stefan Kramer - der Name steht für Freies Radio, geniale Jingles und spontane Moderation - Im FMK-Portrait / September 2008 - zuvor eine gelungene Definition von "Onkel Patrick", wie Freies Radio klingen muss.....
Kramer´s memories
Für Radio habe ich mich eigentlich schon immer interessiert. Ich erinnere mich daran, daß ich schon mit neun oder zehn Jahren Rundfunkmoderator gespielt habe - dazu benutzte ich einen alten Cassettenrecorder als Verstärker, an den ich ein billiges Mikrofon angeschlossen hatte. Da der Recorder zwei Eingänge hatte, konnte ich auch Musik darüber laufen lassen - dazu mußte ich dann natürlich jedesmal umschalten. Ich habe immer versucht, ganz schnell umzuschalten, damit man den Schalteffekt nicht so deutlich hörte.
Als Hörer pendelte ich damals zwischen RTL, WDR 2 und Europawelle Saar hin und her und versuchte wohl auch, deren Programm zu imitieren. So richtig begeistert war ich von dem Programm nicht, aber ich wußte ja nicht, daß es auch etwas besseres geben konnte. Bis ich dann im Mai 1983 auf meiner Skala einen neuen Sender entdeckte, der um ein Vielfaches interessanter war: Das aus Ostbelgien sendende Radio Benelux (BNL).
Was ich damals nicht wußte: Es waren keine Belgier, sondern deutsche Radiofreaks, die eine Gesetzeslücke nutzten, um vom höchsten Punkt Belgiens aus Westdeutschland mit einem Super-Programm zu versorgen. Die Sendungen waren ganz anders als das, was man bis dahin kannte: Locker, spontan, witzig und gewissermaßen "menschlich" (d.h. man fühlte sich als Hörer persönlich angesprochen und merkte, daß da keine Sprechmaschine am Mikrofon saß, die lediglich Texte vorlas - egal ob einer hinhörte oder nicht). Ich wurde ein treuer Hörer und Fan und konnte über den miesen Programmstandard (zumindest im Unterhaltungsbereich) der offiziellen Sender nur noch lachen! Durch die "Radioshow" (ein Magazin, das sich speziell mit Freiem Radio beschäftigte) lernte ich auch eine ganze Menge über Seesender, Jingles, Landpiraten und dergleichen mehr. Mit einer besseren Antenne konnte ich dann auch viele flämische Sender empfangen: So geheimnisvolle Stationen wie Radio Atlantis, Radio Noordzee, Radio Venus und Radio Royaal tauchten nun auf meiner Radioskala auf - oft mit ausgesprochen professionellen & gutgemachten Programmen.
Für meine eigenen Aktivitäten waren jetzt diese freien Sender zum Vorbild geworden. Ich hatte mir inzwischen ein kleines Mischpult zugelegt und "produzierte" Jingles und Sendungen. Damals war ich 12 und hatte natürlich kaum technische Möglichkeiten. Not macht erfinderisch: Ich nahm meine ersten "Jingles" im Keller auf, weil es da so schön hallte. Ich wollte ja irgendwie auch diese Effekte hinbekommen, die mich bei BNL so begeisterten. "Gesendet" wurde jetzt nicht mehr über die Schallwellen, sondern über ein kleines Walkie-Talkie (wohl kaum zur Freude der CB-Funker). Später hatten wir (ein Schulfreund und ich) sogar einen kleinen Sender organisiert: Ein UKW-Mikrofon mit 100 Meter Reichweite.
Die technische Seite hat mich dabei nie sonderlich interessiert, mir ging es immer um das Programm, um die Stimmung, die Bilder, die man im Radio erzeugen kann!
Als sich meine Studiotechnik etwas verbessert hatte, bewarb ich mich bei einer zweiten deutschsprachigen Station aus Ostbelgien: Henri Radio aus Henri-Chappelle. Das war Ende 1985, BNL existierte leider nicht mehr. Es war für mich eigentlich fast eine Überraschung, daß ich dort angenommen wurde, immerhin war ich gerade erst 14 Jahre alt (was ich damals verschwiegen hatte) und produzierte die Programme in meinem "Studio Spartanico" auf einem ganz billigen Recorder. Es war schön, mit so guten Leuten wie u.a. Johnny Best und Paul Huber (Johnny O´Brian) zusammenarbeiten zu dürfen. Ich machte eine wöchentliche Sendung, die 1987 auch im Nachtprogramm von RTI Radio Telstar Int´l wiederholt wurde. Beide Sender verstummten leider im Spätsommer 1987, was nicht zuletzt einigen konkurrierenden Sendern zu verdanken ist. In der Zwischenzeit war Werbung erlaubt (zu BNL-Zeiten noch verboten) und das änderte natürlich auch die Radioszene!
Ich landete nun bei meinem ersten Piratensender: Der FM-Pirat Radio 48 aus Stade. Eine entsprechende Kleinanzeige im PIN- Magazine hatte mich darauf gebracht, mich dort zu bewerben. Meine "Stefan Kramer-Show" lief dort etwa ein Jahr lang. Zwischenzeitlich gab ich auch meinen Einstand auf der Kurzwelle, bei Starfleet Radio (1988). Starfleet´s OP Norman Walker hatte mich bei Radio 48 gehört und deshalb Kontakt mit mir aufgenommen. Bisher war mir die Kurzwelle mit ihrem Gepfeife und Gequietsche eher suspekt gewesen, aber vor allem durch die Berichterstattung des PIN-Magazines über Sender wie Radio Galaxy und FRS Holland regte sich mein Interesse. Beide Sender waren bei mir in guter Qualität, fast ohne Fading zu hören. Ende 1988 machte ich einen Abstecher zum legalen Privatfunk. Bei einem kleinen Lokalsender in Baden-Württemberg waren auch viele Leute aus der Free Radio-Szene zugange und so wurde ich auch gefragt. Neben dem Honorar (zum ersten Mal nicht ehrenamtlich) war es vor allem auch die Aussicht, bei einem professionellen Sender mitzuarbeiten, die mich verlockte. Viele professionelle Leute waren dabei, z.B. Stephan Kaiser und Patrick Lynen, beide übrigens Ex-BNL´er.
Ich moderierte jeden Samstag Abend die Stefan Kramer-Show, in den Ferien (hauptberuflich war ich ja noch Schüler) auch manchmal die tägliche Mittagsschiene. Es war ja nicht 100%ig mein Programmstil, denn mein Herz hing eher am Free Radio, aber es hat Spaß gemacht und ich habe sicher viel gelernt. Bis zum Ende im Jahr 1992 war ich - mit Unterbrechungen - dabei. Dazwischen zog es mich aber auch wieder zu den Piraten: Ich übernahm den deutschen Service beim „Free Radio Service Holland" - zuerst abwechselnd mit Johnny Best (JB), danach alleine. Zwischenzeitlich war ich auch bei Radio 101 zu hören, hauptsächlich im FM- Programm (Q-101, Aachen), und bei einigen ostbelgischen Stationen (Power FM, R. Euro). Auch über Satellit war ich mal zu hören, nämlich über das norwegische Radio Nordsee. 1992 kam ich zu Radio Skyline, aus dem später City FM wurde.
Nach dem Closedown von City FM habe ich eine ganze Zeit lang nicht mehr moderiert. Aktiv war ich trotzdem. Mit Artikeln in Fachzeitschriften über Rundfunk und Medienpolitik, mit diversen CD-Compilations sowie mit Jingleproduktionen. Vor allem in letzterem Bereich versuchte ich, meine Fähigkeiten auszubauen und begann ab 2003, für einige Jinglefirmen in den USA und in den Niederlanden zu arbeiten, vornehmlich als Sounddesigner, d.h. ich verdiente mir mit der Produktion von elektronischen Effekten (wie Drones, Noises, Sweepers, Lazers etc.) ein paar Brötchen zusätzlich. Meine Fx wurden dann auf sog. Production-Libraries, welche von Radiosendern aus aller Welt abonniert werden, veröffentlicht. Eine schöne Sache, dass meine Sounds nun plötzlich auf Sendern zu hören waren, die ich schon in frühester Jugend immer mit Begeisterung gehört habe, wie z.B. WPLJ in New York.
Abgesehen von meinen Werbespotproduktionen für RTO in Offenburg war das dann das erste Mal, dass ich auch für meine Produktionen Geld bekam. Für verschiedene Internetradios und einen belgischen Radiosender produzierte ich das On-Air-Design.
Internet und andere Interessen traten mehr in den Vordergrund, nicht zuletzt auch die Frauen, wie das so üblich ist, und hielten mich fern vom Radio-Mikrofon, welches in der Zwischenzeit übrigens auch das Zeitliche gesegnet hatte. Bis ich dann 2007 den Plan faßte, in die Radioszene zurückzukehren. Zusammen mit Helmut Peters von BNL wurde der Plan ausgeheckt, man könnte doch mal wieder von Belgien aus senden, wie einst Radio Benelux. History repeats itself...
Im Mai 2008, exact 25 Jahre nach dem Ausscheiden von Helmut Peters aus dem BNL-Projekt, wurde dieser Traum tatsächlich wieder real, mit dem Sender REAL FM, welcher dann bis Ende Juni 2008 in NRW auf 99 Mhz zu hören war. Vornehmlich hatte dieser Sender ein HipHop-Format, aber am Wochenende waren dann auch einige Sendungen im alten Stil zu hören, so z.B. wieder die legendäre Party mit Onkel Patrick und Helmut Peters.
Auf RFM gab es dann wieder, wie früher, jeden Samstagabend die Stefan Kramer-Show, mit seltenen Dance-Classics, Maxis, Mixen, Bootlegs, Gags und natürlich vielen, vielen Jingles.
An dem Projekt, welches schon aus Kostengründen von vorneherein nur kurzfristig angelegt war, hatte ich jedenfalls viel Spaß, manches mal kam ich mir vor wie in einer Zeitmaschine, weil es so viele Parallelen zu BNL gab. Genau wie Thomas Kircher habe ich auch erstmals seit langer Zeit wieder Sendungen mitgeschnitten.
Was sind die Motivationen und Beweggründen für meine Radio-Aktivität? Nun, es ist vor allem wohl der Reiz des Mediums Radio. Es ist faszinierend, wie Radio Stimmungen und Bilder vermitteln kann - sozusagen Kino im Kopf. Ich bin ja sowohl Hörer als auch Macher; gutgemachte Sendungen können mich heute noch sehr begeistern. Radio hat für mich auch viel mit Klangbastelei zu tun: Jingles, Geräusche, Soundeffekte, gute Musik - in der richtigen Mischung kann sich das zu einer tollen Sendung zusammenfügen. Jingles haben es mir seit jeher besonders angetan: Es macht einfach Spaß, mit verschiedenen Effekten und Sounds zu hantieren und bestimmte Klänge zu kreieren.
Freies Radio ist meiner Meinung nach heute nötiger als je zuvor. Die offiziellen Radiosender sind zwar nicht mehr ganz so trocken und unprofessionell wie zu der Zeit, als ich angefangen habe, aber in einem Punkt hat sich nichts verändert: damals wie heute fehlt die persönliche Ansprache des Hörers, das Radio als "Freund" (so seltsam das vielleicht klingt). Die Moderatoren der offiziellen Stationen sind routiniert, lesen ihre Texte ab, einige machen das gut, andere weniger - aber: besonders spannend ist das nie.
Spontaneität, Spaß an der Sache, Enthusiasmus, verrückte Einfälle, eine besondere Atmosphäre (Rundfunk aus der Dachkammer) - das war es, was an den Freien Radios so begeisterte (bei den Seesendern ebenso wie bei den frühen ostbelg. Sendern). Ich glaube nicht, daß sich dies mit der Routine-Arbeit bei den etablierten Sendern, welche meistens auch eher ein Hintergrundberieselungs-Radio machen, vereinbaren läßt.