Am 05. September 2014 besuchte ich Hansi Klöckner - den einstigen Betreiber von Radio Oberland. Er erzählte mir seine schönen, aber auch sehr bewegenden Erinnerungen an einen ganz besonderen Sender :
Hansi Klöckner erinnert sich noch genau an die Geburt einer fantastischen Idee – einer Idee, aus der später „Radio Oberland“ entstehen sollte. Bei schlechtem Wetter hörte er damals im Oktober 1976 auf der Schaubachhütte, gelegen auf rund 2500 Metern oberhalb von Sulden, die italienischen Nachrichten. U.a. kam diese Meldung, die ihn aufhorchen ließ: "Das Parlament in Rom hat festgestellt, dass jeder auf UKW senden kann und somit einen Sender betreiben darf." Hansi, damals Wirt der Schaubachhütte, konnte das anfangs kaum glauben, deshalb vergewisserte er sich und bekam diese Aussage tatsächlich bestätigt. Er nahm umgehend Kontakt zu einem Bekannten auf, der nicht nur Briefträger, sondern vor allem Bastler war. Innerhalb von 24 Stunden baute dieser ihm einen kleinen Sender und übergab diesen stolz zusammen mit Kabel und Antenne. Schnell hatte sich Hansi die weiteren notwendigen Geräte besorgt. Und zwar einen Cassetten-Wechsler (bestückt mit sechs Kassetten), ein Mikrofon und einen Mischpult. Bereits am folgenden Abend ging man live auf Sendung. Hansi hatte diverse Hotels in der Region angerufen und auf seinen neuen Sender hingewiesen. Diese waren begeistert von der Musik. Aber auch die Gäste und Touristen waren innerhalb kurzer Zeit sehr angetan von den passenden volkstümlichen Klängen während ihres Südtirol-Aufenthaltes.
Radio Oberland machte vom Start weg gratis Werbung für die Sulden Seilbahn (u.a. die Verbindung mit der Schaubachhütte). Dafür erhielt er im Gegenzug ebenfalls gratis konstanten Strom sowie kostenlose Nutzung der Seilbahn. Dank dieser Werbung kamen aber auch zusätzliche Besucher auf die Schaubachhütte. Die regulären Werbepreise waren zur damalgigen Zeit übrigens unschlagbar: Für 1700 Durchsagen im Jahr verlangte man 1,2 Millionen Lire. (ca. 1200 DM, bzw. 600 Euro).
Besonders gerne erinnert sich Hansi an den äußerst populären Gruppenwettbewerb: "Singendes und Klingendes Alpenland", der immer im Herbst auf Radio Oberland ausgestrahlt wurde. Diese beliebte Sendung gab es über zehn Jahre. Schirmherr der ersten Sendung war übrigens der legendäre Skifahrer Gustav Thöni. Radio Oberland hatte anlässlich dieses Wettbewerbes in der Nähe von Schlanders einen großen Saal gemietet. Es wurde ein Dutzend an Volksmusik-Kapellen eingeladen, um den beliebten Preis jährlich aufs neue zu vergeben. Beim Singenden und Klingenden Alpenland handelte es sich quasi um den Vorläufer des noch heute bekannten Grand Prix der Volksmusik.
Radio Oberland sendete insgesamt über drei Umsetzer und erreichte folgende Regionen:
1.Stilfs
2.Kastelbell bis Meran und Schnalstal
3.Der gesamte Vinschgau zwischen Meran bis ins österreichische Landeck und das Schweizer Engadin.
Die Schaubachhütte war seinerzeit auch das Trainingszentrum der Schweizer Damen-Ski-Nationalmannschaft. Keine geringere als Nadine Therese Nadig war Patin von Radio Oberland. Aber auch die österreichische und die schweizer Ski-Nationalmannschaft der Herren gingen auf der Hütte aus und ein. So entstanden viele Freundschaften, und nicht zuletzt dank der prominenten Sportler gab es eine perfekte Werbung für den Radiosender auf der Schaubachhütte. Sogar das "Deutsche Skimagazin" unterstütze Radio Oberland mit regelmäßiger Werbung.
Jährlich veranstaltete Hansi Klöckner ein Skirennen der ganz besonderen Art: die Landesmeisterschaften der Privaten Rundfunksender Südtirols. Diese Veranstaltung hatte innerhalb kürzester Zeit Tradition und wurde natürlich mit großem Medieninteresse verfolgt. Radio Oberland hatte auch eine eigene Band: die "Ortler Buam". Auf der Schaubachhütte wurden die Musikaufnahmen angefertigt. Als Produktionsraum wurde dafür eigens der Schlafraum umgewandelt und mit vielen Decken als Schallschutz ausgepolstert. Nicht zuletzt wurde sonntags die katholische Messe live aus Sulden übertragen.
Das Team der Station bestand vorwiegend aus Hansi und dessen Ehefrau. Aber auch Reinhard Eller brachte sich mit viel Freude und Herzblut ins Programm ein. Reinhard wuchs bei der Familie Klöckner auf und war wie der eigene Sohn für das Ehepaar. Mit viel Freude sah Hansi, wie Reinhard nach und nach die Arbeiten innerhalb des Senders übernahm.
Im Laufe der Jahre zählte man bei Radio Oberland über 2000 Besucher, darunter auch Persönlichkeiten wie Heiner Geissler und andere deutsche Politiker. Aber auch Reinhold Messner ist kein Fremder. So sind er und Hansi gute Freunde. Sogar das Bayrische Fernsehen berichtete einmal über Radio Oberland und verhalf damit dem Sender auch in Deutschland zu Bekanntheit. Man war damals der höchstgelegene Sender Europas. Bis heute unvergessen sind die Durchsagen an die anreisenden Gäste. Der Sender war bis in die Schweiz bzw. bis nach Landeck hörbar. So wurden die Südtirol-Urlauber, die auf der Schaubachhütte reserviert hatten oder ins Oberland fuhren, bereits während der Anreise mit einer Durchsage begrüßt. Interessanterweise gab es auch Fernsehsendungen von Radio Oberland. Ein Schmied (!) hatte Hansi dafür einen TV-Sender angefertigt. Man hatte eine TV-Kamera, vielmehr brauchte man nicht. Noch heute besitzt Hansi Klöckner über 100 Original-Filme, die er für Sulden ausgestrahlt hat. Täglich wurde ein Streifen gesendet, so etwa Filme wie "Der Förster vom Silberwald" oder "Spiel mir das Lied vom Tod.
Sehr beliebt im Programm waren die lokalen Nachrichten und vor allem die Wettervorhersage. Dank eines Blicks von weit über 100 Kilometer von der Schaubachhütte aus, seiner Erfahrung und eines Barometers, konnte Hansi das Wetter genauer vorhersagen als die RAI oder jeder gelernte Metereologe. Dank dieser entscheidenden Vorteile war er in der Lage, ganz speziell für das Oberland das Wetter zu bestimmen. Und diese Zuverlässigkeit schätzten nicht nur Bergsteiger, Skifahrer und Urlauber, sondern natürlich auch die Einheimischen.
Immer wieder fiel auf der Schaubachhütte das Telefon aus. Hansi wusste sich schnell zu helfen. So nutzte er die vorhandene Radiostation, um Bestellungen ins Tal abzusetzen. Nicht selten hörte man z.B. diese Ansagen: "Wir brauchen auf der Hütte 12 Brotlaibe, Milch und Windeln fürs Baby". Die eingeweihten Hörer brachten diese Dinge brav bei ihrem nächsten Besuch auf die Hütte mit.
Radio Oberland versuchte sich auch mit Probesendungen in Richtung Deutschland. Anfang der 90er Jahre nutzte man dafür die Königspitze, indem man dank Reflexionen an der Eiswand des Berges in München gehört werden konnte. Es blieb jedoch bei diesen Versuchssendungen. Kurze Zeit war auch die Errichtung eines Umsetzers in Richtung Deutschland auf der Reschner Alm geplant. Dieses Vorhaben wurde jedoch nie verwirklicht und später auch verworfen.
Ca. 1985 wurde das Studio von der Schaubachhütte nach Goldrain verlegt. Frau Klöckner zog sich von diesem Zeitpunkt an vom Radio weitgehend zurück. Dafür übernahm Reinhard Eller immer mehr Aufgaben innerhalb des Senders. Von Nachrichten über Moderation bis hin zur Musikzusammenstellung waren es im Lauf der Jahre etwa 90% des kompletten Sendebetriebes, die in den Händen von Reinhardt lagen. Deswegen war auch geplant, dass Reinhard als würdiger Nachfolger von Hansi Klöckner den Sender in absehbarer Zeit übernehmen würde. Die Grundlagen hierfür hatte Hansi bereits geschaffen. Doch das Schicksal wollte es anders: Frau Klöckner fand eines Tages Reinhardt Eller tot in seiner Wohnung. Er hatte sich das Leben genommen. Hansi Klöckner verlor an diesem Tage zwei Kinder: zum einen seinen Sender Radio Oberland und natürlich seinen Ziehsohn Reinhard. Schock und Trauer saßen derart tief, dass sich Hansi noch am Todestag von Reinhardt entschloss (17. März 1993), die Stecker zu ziehen und den Sendebetrieb von Radio Oberland für immer einzustellen. Zuvor gab es noch eine kurze Ansage zur Abschaltung des beliebten Südtiroler Radiosenders. Reinhardt wurde gerade einmal 26 Jahre alt und ist nahe Langtaufers (in Hinterkirch-Kappl) beerdigt.
Im Lauf der kommenden Tage und Wochen meldeten sich u.a. der Burggräfler Landfunk, Radio Tirol und andere Stationen, die die freigewordenen Frequenzen kaufen wollten. Hansi Klöckner wollte den Sender jedoch an jemanden aus der Region "Oberland" abtreten. Da kam praktisch nur Rudi Lösch von Tele Radio Vinschgau in Frage. Außerdem spielte TRV damals ebenfalls hauptsächlich Schlager und Volksmusik. An Rudi Lösch wurden die Frequenzen, die Umsetzer, die Mischpulte und auch die Schallplatten verkauft.
Bereits 1993 ging Hansi Klöckner nach Langtaufers (Reschenpass). Seine Frau stammt aus dieser Region. Hier ist Hansi seither Wirt des Gasthauses und Hotels "Alpenfriede". Das Anwesen in Goldrain wurde verkauft, die Bewirtung der Schaubachhütte gab man schließlich 1996 zurück.
Hansi Klöckner hat sich diverse Erinnerungen an seine Pionierarbeit aufbewahrt. Ein Museum mit Geräten aus der damaligen zeit ist geplant und befindet sich im Aufbau.
Herr Klöckner bedauert, dass die Südtiroler Sender heutzutage größtenteils ihre Originalität und Bodenständigkeit verloren haben. Es fehlt ihm an der hörbaren Verbundenheit mit Südtirol. Lobend erwähnt er Radio 2000 - ein Sender, der heute so ähnlich wie Radio Oberland klingt.....
FM Kompakt bedankt sich herzlich für das Gespräch !
Mitschnitt aus dem FMK-Archiv : Band Nr. 85 Hansi Klöckner moderiert eine Wunschsendung - Der Mitschnitt stammt vom Sommer 1980:
Die nachfolgenden Bilder stammen aus zwei Alben, welche an Radio Oberland - Europas höchstgelegenem Sender - erinnern :
Hier die Schaubachhütte - im oberen, ganz rechten Fenster, war Radio Oberland untergebracht
Einweihung von Radio Oberland am Premierentag im Herbst 1976
Das "Kontrollzentrum" in der Gaststätte der Schaubachhütte : Radio-Empfänger zum Radio Oberland hören und darunter ein Ersatzsender für "alle Fälle" (ganz links im Bild: Hans Klöckner)
Hans Klöckner im Radio Oberland Studio
Das Radio Oberland Sendestudio
Am 10. Geburtstag des Senders: Im Jahre 1986 Rückkehr des gesamten Teams auf die Schaubachhütte (man sendete mittlerweile von Goldrain) - Hansi beim anschneiden der Geburtstagstorte
Das Oberland-Team noch einmal auf der Schaubachhütte - dazu gehörend natürlich auch Reinhard (ganz links im Bild)
Manni an der Fernsehkamera zeichnet die Sendung Stars und Volksmusik auf - welche später via TV Oberland ausgestrahlt wurde
Vor- und Rückseite des Mitarbeiterausweises von Reinhard Eller - welcher sich am 17.03.93 das Leben nahm. Hansi Klöckner hat in seinem Büro neben den Erinnerungen an Radio Oberland auch die persönlichen Dinge von Reinhard aufbewahrt. So hatte er mit wenigen Handgriffen den Geldbeutel von Reinhard hervorgeholt. Die Geldbörse ist bis heute unberührt, so wie man diesen bei Reinhard fand. In der Geldbörse befand sich u.a. dieser Radio-TV Oberland Ausweis
Aufkleber auf einem der beiden "Oberland-Alben"
Hansi Klöckner erinnert an eine bewegende, schöne und zuletzt leider sehr tragische Radiozeit
Der stolze Hansi mit seiner Nichte
Bereits seit 1993 ist Hansi Klöckner Wirt des Hotels und Gasthofs "Alpenfriede" in Langtaufers
Als ich von Hansi`s bewegenden Radio-Erinnerungen in`s Auto stieg, startete auf RAI Südtirol Hubert Goisern mit "Weit weit weg". Zufall ? Ich weiß es nicht..........
In jedem Fall soll dieses Lied nicht nur eine Erinnerung an Radio Oberland sein - sondern vielmehr möge dieser Text das Andenken an Reinhard Eller bewahren.
Nachfolgende Infos/Erinnerungen an Radio Oberland stehen/standen im Internet:
Vielen ist diese damals höchstgelegene Radiostation Europas ein Begriff. Das Studio befand sich auf der Schaubachhütte. Betreiber war Hansi Klöckner. Im Internet findet man einen interessanten Artikel namens "Vom Leben mit dem Berg". Hier wird auch Hansi Glöckner erwähnt - demnach war er bis 1996 Wirt der Schaubachhütte :
Hansi Klöckner etwa, von 1976 bis 1996 Wirt der Schaubachhütte auf 2581 Metern Höhe, stand vor dem Problem, dass es auf der Hütte kein Telefon gab. Doch so ganz ohne Kontakt zur Außenwelt eine Hütte zu führen, ist schwierig und mühsam. Also baute sich Hansi Klöckner eine Radiostation. Radio Oberland wurde der höchstgelegene Radiosender Europas.
Hansi legte Musik auf, berichtete über Wetter- und Schneeverhältnisse – und gab seine Bestellungen auf. Nicht selten konnte man im Radio hören: „Hier ist Hansi Klöckner, Radio Oberland. Wenn jemand in Sulden mich hört, also, ich brauche zwei Kilo Brot, vier Kilo Nudeln und zwölf Eier. Der Nächste, der auf die Schaubachhütte hochsteigt, soll das bitte mitbringen." Das System funktionierte.
„Geh hinauf und du wirst meine Unterstützung haben“, soll der Landeshauptmann gesagt haben.
Die große Revision habe der „Ski Maseben KG“ fast das Genick gebrochen, erwähnte Klöckner, 450.000 Euro seien kein Pappenstiel. Bildhaft und deftig ging er auf die Situation in bestimmten Vinschger Skigebieten ein „wo schon alles zum Teifl gegangen“ sei. Nur kurz spielte er auf die Pläne eines Gletscherskigebietes an und meinte - typisch Klöckner: „Man kann nicht Luftschlösser bauen. Wir sind alle arme Teufel und können nicht narrisch werden.“ Bürgermeister Albrecht Plangger, der in Begleitung von Referent Peter Eller, Gemeinderat Erhard Joos und seines ehemaligen Stellevertreters, Florian Eller, ins Atlantis gekommen war, revanchierte sich mit einem besonderen Kompliment: „Ich hab schon ein paar Mal zu denen in Trafoi gesagt, ich schick euch den Hansi, der weiß, wie man mit kleinen Skigebieten erfolgreich sein kann.“ Als Gastgeschenk überreichte er Hansi Klöckner eine Fotodokumentation der Einweihungsfeier vom 4. April 1976. Damals hatte Landeshauptmann Silvius Magnago mit Bürgermeister Karl Stecher und Landtagsabgeordnetem Robert Kaserer das Skigebiet Maseben eröffnet.
Als 1976 etwa zeitgleich mit der Tarscher Alm die Geschichte von Maseben begann, hatte der gebürtige Marteller, der mit vollem Namen Johann Josef Klöckner heißt, gerade die Schaubach-Hütte in Sulden übernommen und war drauf und dran, Südtiroler Radiogeschichte zu schreiben. Daraus ist eine Episode ganz besonders bekannt geworden und im Internet nachzulesen. Ein heftiger Sturm hatte auf der Schaubachhütte Telefon und Funk ausfallen lassen, als von der „höchstgelegenen Radiostation Südtirols“ zu hören war: „Hier ist Hansi Klöckner, Radio Oberland. Der Nächste, der zur Schaubachhütte hochsteigt, soll Brot, Nudeln und Eier mitbringen…“ Klöckner ergänzte dazu am letzten Sonntag: „… und Windeln. Wir brauchten ja Windeln für unsere Tochter. Mit dem ‚Flotterer‘ (Hubschrauber) von Pfarrer Hurton haben sie es abgeworfen.“ In der Gemeinde Graun war Klöckner in der 50er Jahren als Pächter der Schihütte Rojen in Erscheinung getreten. Von 1957 bis 1959 war er Präsident des Schi-Clubs. 1960 ließ er das erste Dorfskirennen durchführen.